Dinslaken/München. Ein Dinslakener Coach jubelt mit dem deutschen Doppel Krawietz/Pütz bei den ATP-Finals. Die NRZ hat mit dem Erfolgstrainer gesprochen.
Es ist ein historischer Triumph, den die 13.000 Zuschauer am Sonntagnachmittag in der Turiner Inalpi-Arena erleben. Mit Kevin Krawietz und Tim Pütz gewinnt erstmals ein deutsches Doppel die ATP-Finals. In der 55-jährigen Geschichte des Turniers, das am Saisonende stets als inoffizielle Weltmeisterschaft gilt, sind die beiden Deutschen außerdem die erste Sieger-Paarung, die beim Elite-Treffen der acht weltbesten Doppel an Position acht gesetzt ins Turnier ging. Nachdem der Kroate Mate Pavic, an der Seite von Marcelo Arevalo Endspielgegner, um 16.50 Uhr einen Überkopfball ins Aus setzt, brechen alle Dämme. Die beiden Trainer eilen aus der Box zum Court, um ihre Schützlinge zu umarmen. Dominik Meffert und Lukas Wolff begleiten die frisch gebackenen Weltmeister, seit sie Anfang 2023 zusammengefunden haben, intensiv. Und genau deshalb bekommt der Titel, der in ganz Tennis-Deutschland gefeiert wird, für die Dinslakener Filzball-Gemeinschaft noch einmal eine ganz besondere Note. Denn Erfolgscoach Wolff ist Dinslakener, hat als Jugendlicher seine Spuren auf den hiesigen Courts hinterlassen und später auch noch hochklassig für die Herren der DTG Blau-Weiß und des TC Rot-Weiß gespielt.
Sieger fliegen gleich weiter zum Daviscup nach Málaga
Es war ein stressiges Jahr für Wolff, der auch wegen der Olympischen Spiele in Paris noch einmal deutlich mehr mit dem deutschen Weltklasse-Doppel unterwegs war als 2023. Während Krawietz/Pütz nun direkt aus Italien weiter zum Daviscup ins spanische Málaga flogen, ging es für den 42-Jährigen aber wieder zurück nach München, wo jetzt ein paar ruhigere Tage mit der Familie anstehen. „In der nächsten Woche komme ich aber wohl nach längerer Zeit auch tatsächlich mal wieder nach Dinslaken, um meine Eltern zu besuchen. Die sind sonst häufiger hier bei uns, weil ich, ehrlich gesagt, bei den vielen Reisen auch froh bin, dann mal hier zu Hause zu sein“, erzählt der Vater von zwei kleinen Mädchen (vier und anderthalb Jahre alt).
Zu Hause, das ist für Wolff bereits seit 2011 Oberhaching, eine kleine Gemeinde im Süden von München. Hier steht die „TennisBase“, DTB-Bundesstützpunkt und Leistungszentrum des Bayerischen Tennis-Verbandes. Ein Ort, an dem nicht nur die größten Talente gefördert werden, sondern auch regelmäßig Weltklasse-Spielerinnen- und Spieler trainieren. Der Schritt in den Süden fiel dem früheren Schüler des Theodor-Heuss-Gymnasiums damals gar nicht so leicht. Nach seinem Diplom an der Sporthochschule in Köln und dem Erwerb praktisch aller Trainerscheine war Wolff zwei Jahre lang als Verbandstrainer am Mittelrhein beschäftigt und fühlte sich in der Domstadt auch sehr wohl, als das Angebot aus Bayern kam. „Eigentlich war ich in Köln wirklich sehr happy und wollte gar nicht weg, aber nachdem ich mir die TennisBase und die Möglichkeiten dort dann angeschaut habe, war klar: Wenn ich mich weiterentwickeln will, dann muss ich da hin“, erzählt Wolff. Und sich weiterentwickeln, das wollte der Dinslakener unbedingt: „Für mich war eigentlich schon sehr früh klar, welchen Weg ich als Trainer gehen wollte. Ich wollte unbedingt im Profibereich arbeiten und zu den großen Turnieren, den Grand Slams, fahren.“
Schon sechsmal in Wimbledon dabei
Mittlerweile war Wolff bereits sechsmal in Wimbledon dabei und auch viermal „down under“ bei den Australien Open. Für einige Jahre bereiste er die Tennis-Welt mit Yannick Hanfmann, ab 2021 dann mit Krawietz und seinem vorherigen Partner Andreas Mies, und seit fast zwei Jahren mit dem Frankfurter Pütz, geht es bei den Grand Slams auch häufiger weit in die zweite Woche. „Das macht es noch einmal interessanter, weil man dann praktisch nur noch die Topstars um sich herum hat und sich da auch noch viel abschauen kann. Wenn man zum Beispiel direkt miterlebt, wie hart ein Sascha Zverev trainiert“, meint der Dinslakener, der sich selbst gerne auch „als Fachidiot“ bezeichnet.
Extrem viel Wissen rund um die gelbe Filzkugel hat der Dinslakener in den vergangenen Jahren bei Lehrgängen sowie im Austausch mit anderen Coaches und Athleten angehäuft. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich im Alter von zwölf, 13 Jahren das alles über Tennis gewusst hätte, dann hätte mir das schon Spaß gemacht“, schmunzelt Wolff, der zwar auf regionaler Ebene ein formidabler Spieler wurde, es aber eben nicht ganz nach oben schaffte.
Lukas Wolff: „Gibt immer noch Schläge, an denen man arbeiten kann“
Als Trainer ist er allerspätestens am vergangenen Sonntag ganz oben angekommen. Der bodenständige Familienvater ist dabei sicher kein Lautsprecher, der sich angesichts des Triumphes seiner Schützlinge in den Vordergrund stellen würde, doch sein Anteil, ebenso wie der seines Trainerkollegen Meffert, am erfolgreichen Weg von Krawietz und Pütz ist unbestritten. Doch wie genau sieht die Aufgabe eines Coaches bei der Betreuung gestandener Profis eigentlich aus? „Ich würde das ungefähr dritteln“, sagt Wolff, „ein Drittel gehört der Gegneranalyse und dementsprechend der Erstellung einer Matchtaktik, ein Drittel ist die technische Verbesserung, denn da gibt es auch bei Weltklasse-Spielern immer noch Schläge, an denen man arbeiten kann, und das letzte Drittel ist die mentale Begleitung im Match.“
„Die Auslosung der Gruppen ist dann auch genauso gelaufen, wie ich sie mir gewünscht hatte.“
Nach Turin waren Wolff und Meffert mit ihren beiden Schützlingen noch mit leichten Bedenken aufgebrochen, denn Tim Pütz hatte sich Mitte Oktober in Antwerpen verletzt. Ob es am Ende überhaupt für eine Teilnahme reichen würde, war lange nicht klar. „Wir sind dann frühzeitig angereist und bei den ersten Trainingseinheiten sah es bei Tim eigentlich schon wieder sehr rund aus. Die Auslosung der Gruppen ist dann auch genauso gelaufen, wie ich sie mir gewünscht hatte, denn auf Koolhof/Mektic oder Granollers/Zeballos wäre ich in der Vorrunde nicht so gerne getroffen. So hatte ich dann aber echt ein gutes Bauchgefühl, und die Jungs sind dann auch gut in das Turnier reingekommen“, sagt Wolff, der mit seinen Spielern gerne nach der sportpsychologischen Devise „Control the controllables“ vorgeht. Die eigene Leistung in den Vordergrund stellen und in einem Wettbewerb, in dem zum Beispiel auch pures Glück eine Rolle spielen kann, zu versuchen, das zu kontrollieren, was man auch selbst beeinflussen kann.
Der Moment des Erfolges
Wie sich der Moment des Erfolges mit dem verwandelten Matchball am Sonntag für Lukas Wolff angefühlt hat? „Man hat ja schon häufig in Interviews gehört, dass die Betroffenen das Erreichte noch gar nicht richtig realisieren können. Ich habe mich dann immer etwas gewundert und gefragt, wieso eigentlich. Jetzt kann ich aus eigener Erfahrung aber sagen, dass es tatsächlich so ist. Natürlich ist da irgendwie große Freude, aber so ganz greifen konnte ich das alles direkt danach auch nicht“, sagt der Dinslakener, dessen Telefon nach dem Triumph für Tage nicht mehr stillstand.
Über Chancenlosigkeit zum Start ist der Dinslakener „ein bisschen erschrocken“
Im Halbfinale gegen die Australier Max Purcell und Jordan Thompson sah es dann trotzdem erst einmal überhaupt nicht gut aus. Mit 2:6, 0:2 lagen Krawietz/Pütz schon zurück. „Ich war ein bisschen erschrocken, wie chancenlos die Jungs bis zu diesem Zeitpunkt waren, wusste aber auch: Wir brauchen vielleicht nur dieses eine schmutzige Break, um das Match wieder zu drehen“, sagt Wolff. Und so kam es dann auch. Im Match-Tiebreak setzten sich die Deutschen mit 11:9 durch und konnten einen Tag später dann sogar den Turniersieg bejubeln. Mittendrin: ein strahlender Trainer im grünen Adidas-Sweater und mit schwarzer Baseball-Cap auf dem Kopf. Aus Dinslaken.