Dinslaken. Der VfB Lohberg geht im letzten Heimspiel mit 0:10 unter, ehe der Schiri vorzeitig abpfeift. Zu dem Zeitpunkt sind einige Spieler längst duschen.
Wer am Sonntagnachmittag die Dorotheen-Kampfbahn in Lohberg betritt, macht auch einen Schritt in die Vergangenheit. Das Kassenhäuschen am Eingang ist verlassen, direkt dahinter zeigt sich, wie die Natur auf dem Weg Richtung Tribüne schon an einigen Ecken ihren Platz erobert hat. Hinter beiden Toren wuchern Äste durch die Zäune, die Stehränge auf der gegenüberliegenden Seite sind auch weitaus mehr vom Grün als mit Menschen besetzt. Dass hier einmal hochklassiger Fußball auf Amateur-Ebene gespielt wurde, ist lange vorbei. An diesem Sonntag Ende Mai betreten die Kicker im schwarz-gelben Dress zum vorerst letzten Mal bei einem Heimspiel in der Kreisliga B gegen den 1. FC Hagenshof den Rasenplatz. Der Abstieg ist bereits besiegelt, es wird ein trauriger Abschied. Einer, der zu dieser trostlosen Spielzeit passt.
Hartmut Langnau ist einer der treuen Lohberger
Während die Spieler sich auf dem Feld für die Begegnung mit dem kommenden Meister der Gruppe 2 bereit machen, setzt sich Hartmut Langnau hinter der Ersatzbank für das heimische Team auf die oberste Stufe der Zuschauerränge, nahe dem Grill und Getränkestand. Zwischen den Füßen steht ein halbvoller Bierbecher auf dem Boden. Langnau wird im August 80 Jahre alt, einen Großteil seines Lebens hat er beim und mit dem VfB Lohberg verbracht. 1953 kam er mit der Familie aus einem Dorf bei Itzehoe von Schleswig-Holstein nach Dinslaken; im Blumenviertel, nicht weit vom Lohberger Stadion entfernt, wurde er damals heimisch. „Meine Brüder sind bald regelmäßig beim VfB gewesen, irgendwann bin ich mitgegangen“, sagt der Senior. Bei den „Knappen“ kennt man ihn, er setzte sich über Jahrzehnte aktiv für seinen Verein ein, vor allem die Förderung der Fußball-Jugend lag ihm am Herzen.
Auflösung der zweiten Mannschaft half dem VfB Lohberg nicht
Und er hat die sportlich großen Zeiten erlebt, in den Erinnerungen sind sie lebendig. Die Gegenwart zeigt dagegen eine Mannschaft, die lange um das Überleben in der zweitniedrigsten Spielklasse kämpfte, letztlich aber chancenlos war. „Wir haben in der Winterpause durch die Auflösung der zweiten Mannschaft noch einmal versucht, den Karren rumzureißen“, sagt Trainer Niels Jaschner, „aber wir haben in vielen Spielen kurz vor Schluss noch entscheidende Gegentreffer kassiert und es nicht geschafft, die Punkte zu holen. Und irgendwann sinkt von Mal zu Mal die Motivation bei den Leuten.“
Das Team genügte den Anforderungen der Kreisliga B nicht
Der Trainer hatte gemeinsam mit Moritz Emde unter widrigen Umständen das Unternehmen Klassenerhalt in Angriff genommen und musste gewissermaßen mit einer Mannschaft scheitern, die den Anforderungen der Kreisliga B nicht genügte. Emde ist am vergangenen Sonntag gegen Spitzenreiter Hagenshof nicht mit dabei. Zum Spiel stehen Jaschner genau elf Spieler zur Verfügung. Die Ersatzbank bleibt leer, mangels Alternativen muss der Übungsleiter neben seiner Aufgabe als Coach auch die Fahne des Schiedsrichterassistenten schwenken und seine Spieler bei Verletzungen behandeln.
Davon gibt es einige. Schon nach knapp zwanzig Minuten humpelt Tobias Dörper infolge eines verunglückten Zweikampfs vom Feld, kurz darauf bleibt auch Alban Ujkani seitlich des eigenen Tors angeschlagen hinter der Linie am Zaun sitzen. Die verbliebenen neun Spieler wehren sich nach Kräften gegen einen übermächtigen Rivalen, Torwart Bastian Danziger hält, was zu halten ist - und noch mehr. Dennoch liegt Lohberg zur Pause hoffnungslos mit 0:6 hinten.
Diskussionen über einen Spielabbruch in der Halbzeitpause
Niels Jaschner muss in der Halbzeit eine schwere Entscheidung moderieren. „Ich weiß nicht, ob es noch weitergeht“, sagt er angesichts seiner dezimierten Mannschaft vor dem Gang in die Kabine. Dort plädieren manche für einen sofortigen Abbruch und entschwinden unter der Dusche, andere appellieren an die eigene Ehre: „Das ist der VfB, schämt euch!“, empört sich Keeper Danziger und stürmt wütend aus der Tür. Zurück auf dem Rasen erklärt er den gegnerischen Fußballern, was gerade in seinem Team vor sich geht, worauf Fans und Verantwortliche aus Hagenshof bereits die vorbereiteten Meister-T-Shirts hervor holen.
Sieben Lohberger Spieler setzen die Partie fort
Rechtzeitig zum Wiederanpfiff finden sich aber mit Bastian Danziger, Thomas Pawlik, Ariel Bednarski, Pascal Philipp, Gino Rudowicz, Shkelqim Tahiri und Musa Ilgar doch noch insgesamt sieben Lohberger, die das Spiel fortsetzen wollen. Trainer Jaschner flüchtet sich in Galgenhumor: „Wer sagt denn, dass wir nicht noch acht Tore schießen?“, ruft er den Gästen entgegen. Die Antwort folgt auf dem Platz, zwischen der 48. und 58. Minute schlägt der Ball noch viermal im Lohberger Netz ein. Erst als mit Shkelqim Tahiri ein weiterer VfB-Spieler angeschlagen am Boden liegt, hat Schiedsrichter Helmut Dohse ein Einsehen und bricht das ungleiche Duell nach 59 Minuten und zehn Sekunden beim Stand von 0:10 vorzeitig ab.
VfB Lohberg holte 13 Punkte in 31 Spielen
Was bleibt, sind Aufräumarbeiten. Niels Jaschner sammelt einen Ball ein, der bei einem Schussversuch hoch über den Zaun geflogen war, anschließend nimmt er eine der Eckfahnen zum Abtransport mit. Ein Spiel folgt noch am kommenden Sonntag bei der zweiten Mannschaft des VfvB Ruhrort/Laar, dann ist eine Schreckenssaison vorbei. 37 Tore haben die Schwarz-Gelben in den bisherigen 31 Partien erzielt, aber 130 kassiert. Drei Siege und vier Unentschieden brachten mickrige 13 Punkte. „Es ist traurig“, sagt der Coach.
Das Trainerduo geht nicht mit in die Kreisliga C
Das bisherige Trainerduo geht den Weg in die Kreisliga C nicht mit, laut Jaschner soll aber schon ein Nachfolger bereit stehen für die Aufgabe, ein neues Team aufzubauen. Ob es gelingt, auf absehbare Zeit zumindest wieder in die B-Klasse aufzusteigen, muss sich erst zeigen. Einer wird es auf jeden Fall beobachten: „Ich bin auch weiter bei jedem Heimspiel dabei“, sagt Hartmut Langnau.