Dinslaken. Die Vereine auf der Sportanlage Lohberg dürfen an Zäunen keine Werbung anbringen. Die Stadt will das Verbot beibehalten. Woanders ist es erlaubt.
Die Bauarbeiten sind längst abgeschlossen, doch es sieht immer noch ein bisschen unfertig aus. Seitdem die Fußballer auf der Sportanlage Lohberg ihr großes Kunstrasenspielfeld anstelle der ungeliebten Aschenplätze haben, können Zuschauer die Partien nur noch auf einer Seite verfolgen. Dort sind Stehränge angebracht, auf der gegenüberliegenden Seite gibt es keine Bande, an der die Fans stehen könnten. Das hat für RWS Lohberg und den VfB Lohberg einerseits zur Folge, dass sowohl heimische als auch gegnerische Anhänger in direkter Nähe zueinander stehen - und andererseits einen wirtschaftlichen Nachteil. Denn wo die Bande für Zuschauer fehlt, kann auch keine Werbung angebracht werden. Und die Alternative, stattdessen Reklame an den Ballfangzäunen aufzuhängen, hat die Stadtverwaltung verboten. Dabei soll es auch bleiben. Woanders ist es dagegen erlaubt.
AWG-Fraktion beantragt Änderung des Nutzungsvertrags
Mitte März hatte die AWG-Fraktion im Stadtrat daher beantragt, dass auf der Sportanlage Werbeflächen errichtet werden oder die Klausel im Nutzungsvertrag geändert wird, die besagt, dass an den Ballfangzäunen keine Werbung angebracht werden darf. „Werbeflächen sind für die Vereine eine der Haupteinnahmequellen und tragen somit maßgeblich zur Aufrechterhaltung des laufenden Spielbetriebs bei“, argumentiert die AWG. Die zur Verfügung stehenden Werbeflächen seien nicht ausreichend attraktiv: Bandenwerbung auf der Zuschauerseite, die in Richtung des Spielfelds angebracht wird, sei für Zuschauer nicht wirklich sichtbar, und auf der anderen Seite der vorhandenen Bande würde sie durch Zuschauer verdeckt.
Für die nächste Sitzung des Dinslakener Sportausschusses am 29. Mai hat die Stadtverwaltung nun eine Stellungnahme als Beschlussvorlage formuliert, die vorsieht, den Antrag abzulehnen. Über das, was die Verwaltung schreibt, und was sie nicht erwähnt, lohnt eine Analyse.
Die Stadtverwaltung schreibt: „Die Stadt ist nicht verpflichtet, Vereinen Werbeflächen zur Verfügung zu stellen. Zur Durchführung bzw. Aufrechterhaltung des Spielbetriebs auf der Bezirkssportanlage betreibt die Stadt bereits einen erheblichen Aufwand. Hierzu gehört unter anderem die Sanierung bzw. der teilweise Neubau, die mietfreie Überlassung an die Vereine, als auch die Unterhaltung/Pflege der Anlage in einem erheblichen Ausmaß (zukünftig vollumfänglich) und die Zahlung von 75 Prozent der Energie- und Wasserkosten. Das Hauptspielfeld der Bezirkssportanlage (im Stadion) besitzt allseitige Werbeflächen. Diese sind aktuell allerdings nicht komplett mit Werbung versehen und bieten den Vereinen somit weitere Werbemöglichkeiten.“
Rasenplatz in Lohberg ist monatelang gesperrt
Was die Stadtverwaltung nicht erwähnt: Es war in den vergangenen Jahren übliche Praxis, dass die Stadtverwaltung den Rasenplatz der Dorotheen-Kampfbahn witterungsbedingt über mehrere Monate für den Spielbetrieb sperrt. Die Vereine stehen vor der Aufgabe, Sponsoren zu gewinnen, die ihr Geld für Werbung zahlen, die für einen längeren Zeitraum während der Saison praktisch unsichtbar bleibt.
Vereine sollen vorhandenes Werbeflächenpotenzial ausschöpfen
Die Stadtverwaltung schreibt: „Die Verwaltung empfiehlt, dass zunächst angestrebt werden sollte, das gesamte vorhandene Werbeflächenpotential auf der Anlage auszuschöpfen. Sollten zukünftig die bereits vorhandenen Werbeflächen vollumfänglich belegt sein und der Wunsch nach zusätzlichen Werbeflächen weiterhin bestehen, wurden den ansässigen Vereinen bereits Optionen zur Schaffung dieser durch die Vereine, zum Beispiel mittels Errichtung von Sponsorentafeln, kommuniziert.“
Vereine müssen in eigene Sponsorentafeln erst investieren
Was die Stadtverwaltung nicht erwähnt: In die eigene Errichtung von Sponsorentafeln müssen die Vereine erst einmal investieren, haben also zunächst Kosten, bevor sie Einnahmen generieren können. Die Nutzung der Ballfangzäune wäre hingegen kostenlos, da sie schon vorhanden sind.
Stadtverwaltung Dinslaken fürchtet Schäden an Zäunen
Die Stadtverwaltung schreibt: „Die Anbringung von Werbebannern an den Zäunen der Bezirkssportanlage an der Augustastraße ist nicht möglich, da diese statisch nicht für zusätzliche Lasten ausgelegt sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch Banner, welche damit beworben werden, dass diese winddurchlässig seien, immer nur teilweise winddurchlässig sind und somit immer eine zusätzliche Windlast darstellen. Sollten dennoch Banner an dem Zaun angebracht werden, könnte dies zu Schäden und damit verbundenen hohen Reparaturkosten führen, wie zum Beispiel das Lösen von Schweißstellen, oder auch die Zerstörung von im Zaun integrierten Plastikelementen, was wiederum zu einer erhöhten Lärmbelästigung führen würde. Des Weiteren könnte die unsachgemäße Belastung zur Schräglage oder im Extremfall zum Umsturz des Zauns führen. Mit der Anbringung von Bannern an den Zäunen könnte die Stadt die Verkehrssicherungspflicht auf der Anlage nicht gewährleisten. Eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf die Vereine wurde geprüft und ist nicht möglich.“
Auch bei Viktoria Wehofen hängt Werbung am Zaun
Was die Stadtverwaltung nicht erwähnt: In anderen Städten und Gemeinden sind die Verantwortlichen offensichtlich anderer Meinung. Eine kleine Rundreise am Niederrhein sowie dem nahen Ruhrgebiet bringt die Erkenntnis: Werbung an Zäunen ist möglich. Eine Stichprobe bei den Vereinen ergab: Sowohl der TV Voerde als auch der STV Hünxe, die Spvgg. Sterkrade-Nord, Union Hamborn, der FSV Duisburg, Rhenania Hamborn, der Duisburger SV 1900, Rhenania Bottrop und der FC Neukirchen-Vluyn haben Banner hinter ihren Fußballtoren hängen. Auch Viktoria Wehofen, ein Duisburger Verein, dessen Anlage auf Dinslakener Stadtgebiet liegt.
In Dinslaken weht ein anderer Wind
Wohlgemerkt: Nirgendwo sind derart viele Banner aufgehängt, dass die winddurchlässigen Gitterzäune zu komplett dichten Wänden werden. Mancherorts haben die Clubs die Auflage, die Reklame nur bis zu einer bestimmten Höhe anzubringen, um möglichen Gefahren vorzubeugen. Aber bei jedem der genannten Vereine sind ein paar Werbeträger zu finden. Und die Vereinsvertreter vor Ort versichern glaubhaft, dass noch kein Zaun wegen der Banner oder Werbetafeln in der Statik so geschädigt wurde, dass er umgefallen ist. Was den Rückschluss zulässt: In Dinslaken weht ein anderer Wind als in Bottrop, Duisburg, Hünxe, Neukirchen-Vluyn, Oberhausen oder Voerde - und höchstwahrscheinlich sehr vielen anderen Orten.
Stadt Dinslaken wirbt am Zaun vor der Anlage des TC Rot-Weiß Dinslaken
Allerdings wohl auch nur teilweise. Denn gegenüber der Sportanlage des SuS 09 Dinslaken, der seit der fertiggestellten Sanierung ebenfalls keine Banner an den Ballfangzäunen anbringen darf, liegen die Sportplätze des TC Rot-Weiß Dinslaken. Dort hängen - wie auf unzähligen Tennisanlagen dieser Welt - seit Jahrzehnten Werbebanner an den Zäunen. Unter anderem werben die Stadtwerke Dinslaken, eine Tochter der Stadt Dinslaken, bei Rot-Weiß großflächig für ihr Unternehmen. Und wer an der Rückseite der Anlage am Rotbach entlang von der Gneisenaustraße in Richtung B8 spaziert, kann nicht nur durch Bäume und Büsche auf die Tennisplätze blicken, sondern sieht an einem Stabmattenzaun unmittelbar vor der Anlage ein großes Schild: Es wirbt für die Renaturierung des Rotbachs, in der unteren linken Ecke ist der Bauherr für die Maßnahme genannt - die Stadt Dinslaken.
Stadt Dinslaken verbietet, was die Nachbarschaft erlaubt
In ihrer Stellungnahme geht die Stadtverwaltung auf die Unterschiede zu anderen Kommunen nicht ein und liefert entsprechend auch keine Begründung, warum Dinslaken verbietet, was die nahe und auch weiter entfernte Nachbarschaft erlaubt. Ein großes Dinslakener Unternehmen, das bereit wäre, für Werbung am Zaun der Sportanlage Lohberg zu zahlen, soll sich dem Vernehmen nach bereits bei der Stadt über das Verbot beklagt haben. Für die Betroffenen in den Vereinen bleibt da viel Raum für Spekulationen: Ist es Unwissenheit? Ignoranz? Willkür? Wurde minderwertiges Material verbaut? Egal ob und wann die Stadt die Fragen beantwortet, fest steht: sollte nur eine dieser Vermutungen zutreffen, jede wäre auf ihre Art ungeheuerlich.