Dinslaken. Der Spartathlon, die inoffizielle Weltmeisterschaft der Ultramarathonläufer, führt über 246 Kilometer. Jens Werbonat war zum zweiten Mal dabei.
Zwischendurch, unterwegs bei Kilometer Hundert-und-irgendwas, wenn der Körper rebelliert, die Füße nur noch schmerzen und der Kopf sich meldet, kommen unweigerlich die zweifelnden Gedanken auf. Was machst du da schon wieder? Machst du das nochmal? Jens Werbonat kennt das. Zum zweiten Mal ging der Dinslakener beim Spartathlon an den Start, der inoffiziellen Weltmeisterschaft der Langdistanz-Ultramarathonläufer. 246 Kilometer von Athen zur Statue des Königs Leonidas in Sparta.
Seine Premiere im Jahr 2015 nannte er den Lauf seines Lebens, die Wiederholung Ende September war die Steigerung: Als er die letzten zwei, drei Kilometer von Kindern auf dem Fahrrad und zu Fuß eskortiert lief, nach 31:05:17 Stunden als viertbester Deutscher und 38. insgesamt ankam, da waren alle Schmerzen und Anstrengungen beinahe vergessen: „Das“, sagt der 46-Jährige, „war der Zieleinlauf meines Lebens“.
Vor dem Kraftakt stand aber erst einmal die Vorbereitung. „Die lief top“, sagt Jens Werbonat im Rückblick. „Die größte Sorge war zuletzt eigentlich, dass ich mir nicht noch irgendeinen blöden Infekt einfange.“ Als Vorbereitungswettkampf hatte er sich wie 2015 die 24 Stunden von Delmenhorst Mitte Juni ausgesucht. Die Vorbereitung darauf war die gleiche wie jetzt für den Spartathlon: Acht Wochen vorher lief er pro Woche zwischen 80 und 200 Kilometern, Belastungs- und „Erholungs“-Wochen dabei im Wechsel.
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In Athen traf sich Werbonat mit Hilmar Langpeter, mit dem er vor vier Jahren beim Spartathlon gemeinsam ins Ziel gelaufen war. Sie nahmen sich vor, diesmal gemeinsam zu starten und so lange wie möglich zusammen zu bleiben. „Unser Plan war, 32:14 Stunden wie 2015 oder schneller zu laufen“, sagt der Architekt, „im absoluten Idealfall 29:59 Stunden, also etwa sieben Prozent schneller als damals“. Der Dinslakener machte sich eine Pace-Karte mit den Zwischenzeiten und dem bis zum jeweiligen Checkpoint maximal erlaubten Kilometerschnitt. Und das für 32:14 Stunden und daneben für 29:59 Stunden. Seine Taktik: „Erstmal gucken, wie es rollt, in sich hineinhören und dann abgleichen, ob das in die Pace-Karte passt.“ Es passte, und zwar recht locker.
377 Läufer am Start, 197 im Ziel
377 Läufer starteten um 7 Uhr morgens in Athen, nur 197 kamen schließlich ins Ziel. Schon nach dem ersten Drittel der Strecke, dem Checkpoint bei 81 Kilometern in Korinth, hatten 64 Teilnehmer aufgegeben, die dem hohen Anfangstempo Tribut zollen mussten. „Die Strecke geht schon auf den ersten zehn Kilometern ganz schön nach oben“, beschreibt Jens Werbonat, insgesamt waren am Ende 3000 Höhenmeter auf der langen Strecke bis Sparta zu überwinden.
Die Atmosphäre am Streckenrand war überwältigend: Ganze Klassen und Schulen standen am Streckenrand und klatschten die Läufer ab. „Eine Schulklasse hatte sich in einer Unterführung bereitgestellt, die waren hunderte Meter vorher schon zu hören“, war Werbonat beeindruckt. Eine andere Klasse stand etwas abseits, für sie lief der Dinslakener extra einen kleinen Umweg: „Es sind genau diese besonderen Momente in solch einem Wettkampf, die Flügel verleihen.“
Aus geplanten 4:10 Stunden für die Marathondistanz von 42,195 Kilometern wurden so 4:09 Stunden, aus 8:07 Stunden bis Kilometer 81 wurden 8:01 Stunden. Die Wege mit Hilmar Langpeter hatten sich zwischenzeitlich getrennt, dafür traf Werbonat am übernächsten Checkpoint auf Oliver Leu, der vor nicht allzu langer Zeit noch in der 24-Stunden-Nationalmannschaft und 2015 Gesamt-Fünfter beim Spartathlon war. Gemeinsam liefen sie etwa zehn Kilometer, ehe der Dinslakener wieder etwas Tempo rausnahm. Später stieg Leu ebenso wie Hilmar Langpeter erschöpft aus.
Kühlen Kopf behalten
Am Streckenrand überraschte unterwegs eine Wandergruppe, die jedem Läufer einen Olivenzweig überreichte und die Übergabe fotografierte. Bei sommerlichen Temperaturen ließ sich Werbonat an Versorgungsstellen Eiswürfel geben, die er in bereitgestellte Wasserbecher warf, das Eiswasser schüttete er sich über den Kopf. „Da muss man im Wortsinn kühlen Kopf behalten“, lacht der Ultraläufer.
Als der Fuß schmerzte, ließ er sich nach 148 Kilometern bei Lyrkia eine Massage verabreichen. Bei Kilometer 172 lag der Dinslakener bei 20:36 Stunden, laut Pace-Karte waren 19:54 bis 21:24 Stunden geplant. Von einer Gesamtzeit von hochgerechnet 29:59 Stunden war er weit weg, ebenso aber von 32:14 Stunden.
Doch Checkpoints, die Werbonat 2015 erst am nächsten Tag im Hellen erreicht hatte, lief er diesmal noch in völliger Dunkelheit an. Steigungen, die nur noch schwierig laufbar waren, walkte er hoch und nahm dann flach und bergab Fahrt auf. Mit der Sonne kamen wieder die Temperaturen von weit über 30 Grad mit bis zu neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit.
Auf den letzten sechs Kilometern tauchte hinter einer Kurve im Tal Sparta auf: „Da überkommen einen schon erste Glücksgefühle, es bald geschafft zu haben“, sagt der 46-Jährige. Den Zieleinlauf wird er nicht mehr vergessen: Polizei-Eskorte bis 200 Meter vor die Leonidas-Statue, umsäumt von laufenden und radfahrenden Kindern – „und auf den ganzen letzten paar hundert Metern Geschrei, Gebrüll, Jubel, Applaus“.
Im Ziel gab es Wasser aus dem Evrotas im Tonkrug und in Anlehnung an die Olympiasieger der Antike einen Olivenkranz. Um den heil nach Hause zu bekommen, hatte Werbonat vorgesorgt: In einer Pizzaschachtel transportierte er den Kranz im Koffer nach Hause, dort besprühte er ihn mit Klarlack. Der Lohn für alle Mühen und Ansporn für Werbonat, weitere Extremaufgaben anzugehen: „Noch nie ging es mir nach so einem ,Trümmer’ besser als nach diesem Spartathlon. Und der Zieleinlauf ist der Stoff, aus dem mein Antrieb gemacht ist.“
Der Sieger benötigte 23:28:37 Stunden
Der Spartatholon ist ein Ultramarathon über eine Strecke von 246 km, der seit 1983 veranstaltet wird. Die Strecke muss dabei in einem Zeitlimit von 36 Stunden zurückgelegt werden. Der Vater des Spartathlon ist der griechische Bote Pheidippides, der nach der Überlieferung von Herodot 490 v. Chr. während der Perserkriege von den Athenern nach Sparta geschickt wurde.
Gesamtsieger war in diesem Jahr der Ungar Tamas Bodis in 23:28:37 Stunden. Von den 29 deutschen Startern kamen elf ins Ziel. Bester Deutscher war Dietmar Göbel in 28:10:37 Stunden.