Wattenscheid. 2025 soll das Lohrheidestadion fertig werden. Ein Aufreger-Thema bei Fans der SG Wattenscheid 09: die neuen Sitzschalen.

Als Horst Appel von diesem Plan hört, lässt er den Becher, den er gerade ansetzen wollte, wieder sinken. „Das beunruhigt mich“, brummt er. Der Wattenscheider Rentner fühlt sich emotional zurückversetzt ins Jahr 1974. Da sei er mit einer grünen Ente durch die Gegend gefahren, in der Heckscheibe einen Aufkleber mit „Hände weg von Wattenscheid“. Kurz vor der Eingemeindung 1975 hatte er zu den hartnäckigsten Gegnern dieses Vorhabens gezählt – am Ende ohne Erfolg. Jetzt fürchtet der 70-Jährige, dass ihm die Stadt Bochum - in Zusammenhang mit seinem Stadtteil und seinem Verein - erneut etwas aufzwingen könnte, das er nicht will.

So soll das Lohrheidestadion nach dem Umbau aussehen.
So soll das Lohrheidestadion nach dem Umbau aussehen. © Hellmich Unternehmensgruppe / HPP Architekten

Anlass für den Aufreger für Appel und viele andere Fans des Fußball-Oberligisten SG Wattenscheid 09 ist ein Post auf dem Instagram-Account der Eventbühne Lohrheidestadion. Darauf zu sehen eine Simulation des Anblicks nach dem laufenden Umbau: Eine blau-weiße Tartanbahn um den Platz, ähnlich wie im Berliner Olympiastadion. Dahinter: eine Dominanz von blauen Sitzschalen im unteren Bereich der Tribüne. Die darüber? Schwierig zu sehen. Sind sie weiß? Oder doch hellgrau?

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Das Bild erregt die Gemüter im Netz. In Wattenscheider Fan-Foren ist die Entrüstung groß, denn das dominante Blau erinnert nicht nur an die Vereinsfarben des Hauptmieters, den Leichtathletik-Verein TV Wattenscheid 01. Auch der in Wattenscheid abgrundtief missliebte VfL Bochum spielt in diesem Ton. Auf Nachfrage versucht die für den Umbau verantwortliche Stadt Bochum zu beschwichtigen: „Es wird eine Kombination aus Blau- und Grautönen geben.“ Der Umbau des Lohrheidestadions stehe hauptsächlich im Zusammenhang mit der Sportart Leichtathletik.

Stadt Bochum hat sich festgelegt - 09-Fans fühlen sich provoziert

Trotzdem: Viele SGW-Fans fühlen sich von der Kombination provoziert, zumal auf der Simulation neben grauen tatsächlich auch weiße Sitzschalen zu sehen sind. Auch Wolfgang Hoch (52) findet das unglücklich. Bei einer Currywurst auf der aktuell noch mit grünen Sitzschalen bestückten Tribüne denkt er laut über den Plan nach. Er empfiehlt der Stadt, die Farbauswahl zu überdenken. „Schwarz und weiß gingen doch auch. Schwarz ist nicht so empfindlich“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Aber auch er weiß, dass es ohne die erfolgreichen Leichtathleten vom TV 01 keinen Stadion-Umbau gegeben hätte. „In Düsseldorf sind die Sitzschalen bunt. Das würde ein tolles Bild abgeben und passt auch in die Zeit“, schlägt Hoch vor.

Diese Gedankenspiele mögen schlüssig sein, aber sie sind vergeblich. Denn die Stadt hat sich nach eigener Aussage bereits festgelegt: „Diese Farben passen zum neuen Design des Sportparks Lohrheide und insbesondere zu der vorgesehenen neuen Laufbahn, die einen blauen Farbton erhalten wird.“

Das Lohrheidestadion in Wattenscheid ist aktuell eine Baustelle.
Das Lohrheidestadion in Wattenscheid ist aktuell eine Baustelle. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Von den Offiziellen des ehemaligen Fußball-Bundesligisten ist in dieser Angelegenheit nur wenig zu hören. Marketing-Vorstand Stefan Beermann zeigt sich diplomatisch: „Das mit der Laufbahn ist schön, das sieht gut aus. Und wenn das der Wunsch der Leichtathleten ist, dann gönnen wir denen das.“ Ein großer Fan der Farbauswahl ist er aber nicht, das braucht bei der SGW auch niemand zu verstecken: „Wenn es nach uns ginge, wären die Sitzschalen natürlich schwarz und weiß, aber uns ist selbstverständlich bewusst, dass das Stadion für die Leichtathletik erneuert wird.“ Die Simulationen auf der Homepage des früheren Bundesligisten zeigen ein Stadion mit weißen und beigen Sitzen.

Wattenscheid 09 wurde über Farbwahl der Sitze nicht informiert

Viele Fans der Wattenscheider Fußballer fühlen sich trotzdem verschaukelt. Nach Informationen dieser Redaktion sind in naher Zukunft sogar Protest-Aktionen der aktiven Fanszene geplant. Die Anhänger sehen in der Planung den in Beton und Hartplastik gegossenen Mittelfinger der Stadt Bochum. Ein langjähriger Fan, er möchte lieber anonym bleiben, sieht in der Entscheidung für das dominante Blau auch mögliche politische Auswirkungen: „Wir in Wattenscheid haben auch eine gewisse Strahlkraft, auch wenn wir momentan nur in der Oberliga spielen. Diese Farbauswahl ist für mich respektlos. Als Oberbürgermeister von Bochum würde ich das im Hinterkopf haben und mich fragen, ob ich es mir mit der Bevölkerung hier verscherzen will.“

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Um das Ausmaß der Verärgerung bei ihm und einigen Mitstreitern zu verdeutlichen, zieht er einen prominenteren Vergleich: „Geht man nach Schalke und sagt ‚Ihr bekommt jetzt schwarz-gelbe Sitze“, dann will ich mir gar nicht ausmalen, was für ein Bürgerzorn auf die Entscheider einprasseln würde.“

Den Weg des Dialogs hat die Stadt versperrt, die Entscheidung für die Farben sei endgültig. Von Wattenscheid 09, immerhin auch nach dem Umbau einer der zwei Hauptmieter, sei niemand darüber informiert worden, heißt es hinter vorgehaltener Hand. „Hintergangen“, ist ein Wort, das im Zusammenhang mit den neuen Sitzschalen immer wieder geraunt wird, wenn auch nicht offiziell. Horst Appel sieht darin eine Tradition und erinnert sich an die Eingemeindung: „Wir sind 1975 nicht freiwillig nach Bochum gewandert.“

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