Mülheim. Sexuelle Belästigung und Verletzung der Fürsorgepflicht werden einem Mülheimer Trainer vorgeworfen. Der Klub hat erste Konsequenzen gezogen.

Schwere Vorwürfe gegenüber einem Trainer erschüttern den Wassersportverein Mülheim (WSV). Bei der Polizei liegt eine Strafanzeige vor. Inhalt dieser Anzeige: Vorwürfe zur Verletzung der Fürsorgepflicht und der sexuellen Belästigung.

Das bestätigte die Staatsanwaltschaft Duisburg gegenüber dieser Redaktion. Der Verein wollte sich nicht äußern, dieser Redaktion liegen aber ein Protokoll einer Elternversammlung und zwei E-Mails vor, die sich mit diesem Thema befassen. In der Elternversammlung ging es um die im Raum stehenden, vielseitigen Vorwürfe von unterschiedlicher Schwere. Der Vorwurf der „sexuellen Gewalt“ werde als ungerechtfertigt angesehen, heißt es in dem Vereinsprotokoll. Worum es sich bei dem Vorwurf genau handelt, wird nicht deutlich.

Den Anstoß gaben demnach Eltern, denen mutmaßliche Missstände im Bereich des U14-Trainings aufgefallen waren. Sie wendeten sich mit einem Schreiben an den Mülheimer Sportbund (MSB), der sich zum Sachverhalt gegenüber dieser Zeitung nicht äußern wollte. Auch die Anlaufstelle für sexualisierte Gewalt der Awo Mülheim ist informiert, war für eine Stellungnahme aber nicht zu erreichen.

Trainingsbetrieb beim Wassersportverein vorläufig eingestellt

In dem Schreiben an den MSB sollen nach dem Protokoll der Elternversammlung mehr als 20 Sachverhalte dargelegt worden sein. Die Vorwürfe richten sich gegen einen Trainer und haben unterschiedliche Dimensionen. Der Verein hat reagiert. In zwei E-Mails, die dieser Reaktion vorliegen, eine an Eltern, Kinder sowie Trainerinnen und Trainer, eine weitere an die Mitglieder des Vereins, wurde mitgeteilt, dass der Trainingsbetrieb bis zum 31. Dezember eingestellt wird. Bis zuletzt hatte das Training stattgefunden, auch der beschuldigte Trainer soll Einheiten geleitet haben.

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„Der Vorstand wird diese Pause gemeinsam mit den Trainern nutzen, um den Trainingsbetrieb bis dahin neu zu organisieren“, heißt es in einer der Mails. Außerdem räumt der Verein den betroffenen Familien aufgrund der aktuellen Sachlage ein Sonderkündigungsrecht bis zum 31. Dezember ein.

Diese Vorwürfe gegen den Mülheimer Verein stehen im Raum

Abgesehen vom unklaren Vorwurf der sexuellen Belästigung stehen folgende Vorwürfe im Raum.

Übernachtung im gleichen Zimmer und auf einer Matratze: Ein volljähriger Trainer soll bei einer Veranstaltung gemeinsam mit Jugendlichen auf einer Couch des Jugendraums genächtigt haben, bei einer anderen Veranstaltung alleine mit einem Jugendlichen in einem Zimmer übernachtet haben und bei einer Regatta mit einem Jugendlichen auf einer Matratze in einer Turnhalle übernachtet haben. Im Protokoll der Elternversammlung steht dazu, in diesen Fällen habe der Trainer erläutert, wie es zu diesen Situationen gekommen sei. Es habe sich immer um andere Jugendliche gehandelt, Beschwerden der betroffenen Jugendlichen beziehungsweise der Eltern lägen nicht vor. Einige Eltern hätten sogar ihr ausdrückliches Einverständnis erklärt.

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Alkoholkonsum von Minderjährigen: Kinder und Jugendliche sollen bei Vereinsveranstaltungen Alkohol konsumiert haben. Das habe ein Trainer nicht nur toleriert, sondern sogar gefördert. Dazu sollen Chatnachrichten und Fotos vorliegen, ein Foto soll dabei zeigen, wie sich der Trainer über einen Jugendlichen beugt und ihm Alkohol gibt. Teilweise habe eine ausdrückliche Genehmigung der Eltern vorgelegen, dass die Kinder Alkohol konsumieren dürfen, teilweise nicht. Für die Zukunft spricht sich der Verein gegen Alkohol im Vereinsbetrieb mit Jugendlichen aus.

Sexueller Kontakt zwischen Minderjährigen: Eine weitere Anschuldigung bezieht sich darauf, dass ein Vereinsvertreter bei einem sexuellen Kontakt zwischen zwei Unter-16-Jährigen im Rahmen einer Vereinsveranstaltung nicht eingeschritten sei. Andere Jugendliche hätten das mitbekommen. Hier habe „der Trainer eine andere Schilderung des Hergangs angegeben“, heißt es im Protokoll der Elternversammlung.

Sexualisierte Gewalt gegen Jugendliche: Manche Vorwürfe ließen sich zumindest von Vereinsseite laut Protokoll nicht aufklären. So auch der, dass es Berührungen von Jugendlichen mit Schraubenschlüsseln, im Protokoll als „Arschbohrer“ bezeichnet, gegeben haben soll. Es „wird klargestellt, dass dies wenn im angezogenen Zustand stattgefunden hat“, heißt es. Ob der Trainer beteiligt war, könne nicht aufgeklärt werden.

Elternteil befürchtet, dass der Trainer bedrohter sei als die Kinder

Ein Elternteil hat laut Protokoll die Bedenken geäußert, dass womöglich der beschuldigte Trainer mehr bedroht sei als die Kinder. Letztendlich sei die Elternschaft im Verein verunsichert, wünschte sich auf der Versammlung am 16. November aber eine Wiederaufnahme des Trainingsbetriebes. Dieser ist nun aber bis Ende des Jahres eingestellt. Beim Verein liegt laut der Mitschrift keine Beschwerde eines Kindes beziehungsweise Elternteiles vor.

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Am Ende der Auflistung der Vorwürfe heißt es: „Auf eine weitergehende, detaillierte protokollarische Wiedergabe der Vorwürfe wird an dieser Stelle zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte und Interessen Beteiligter verzichtet.“ Weitere Vorwürfe seien demnach nicht diskutiert worden.

Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen gegen einen Trainer aufgenommen. „Im Hinblick auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten und auf die Unschuldsvermutung können bei dem derzeitigen Stand der Ermittlungen keine weitergehenden Auskünfte erteilt werden, insbesondere nicht zu der Person des Beschuldigten oder dem konkreten Inhalt der erhobenen Vorwürfe“, betont die Staatsanwaltschaft. Der Verein schreibt in seinen Mails, dass mittlerweile gegenseitige Strafanzeigen im Raum stehen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang weiterer Strafanzeigen nicht.

<<<Korrektur>>>

In einer vorherigen Version haben wir unter dem Absatz „Alkoholkonsum von Minderjährigen“ geschrieben: „Dazu liegen Chatnachrichten und Fotos vor, ein Foto soll dabei zeigen, wie sich der Trainer über einen Jugendlichen beugt und ihm Alkohol gibt.“ Richtig muss es an dieser Stelle heißen: „Dazu sollen Chatnachrichten und Fotos vorliegen, ein Foto soll dabei zeigen, wie sich der Trainer über einen Jugendlichen beugt und ihm Alkohol gibt.“