Millingen. Von Millingen nach Maracana - das schafft nicht jeder. Der ehemalige Fußball-Bundesligaspieler Franz-Josef „Jupp“ Tenhagen erinnert sich dran.
Es ist der 12. Juni 1977, als 102.000 Fans im ehrwürdigen Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro auf den Anpfiff des Fußball-Länderspiels zwischen Brasilien und Deutschland warten. In den Katakomben der Arena ist auch der 25-jährige Franz-Josef Tenhagen vom VfL Bochum, der an diesem Tag sein zweites Länderspiel für die deutsche Auswahl bestreiten wird. Bundestrainer Helmut Schön wechselt den Abwehrstrategen in der 79. Minute für Bernd Hölzenbein ein. „In dem Stadion herrschte eine unbeschreibliche Atmosphäre. Die unfassbar vielen Zuschauer sangen schon weit vor und während der Partie. Die Stimmung war einzigartig, es war Gänsehaut pur“, erinnert sich Franz-Josef Tenhagen, den alle nur „Jupp“ nennen, 43 Jahre später an diese Begegnung. Die endet nach Toren von Klaus Fischer (54.) und Rivelino (86.) übrigens mit einem 1:1.
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Zwei weitere Partien im Nationaltrikot stehen für den Millinger noch zu Buche. Nachdem er im April beim 2:1-Sieg in Belgrad gegen Jugoslawien sein Debüt gefeiert hatte, bereitete ihm sein Heimatdorf bei seiner Rückkehr einen triumphalen Empfang und ließ das Tambourcorps aufspielen. Im selben Jahr absolvierte Tenhagen auch noch sein drittes und letztes Länderspiel in Dortmund gegen Wales (1:1).
Heimatverein Fortuna Millingen
Für den ersten Nationalspieler, den der VfL Bochum stellte, wäre sogar noch mehr möglich gewesen. Tenhagen gehörte dem vorläufigen Aufgebot für die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien an. Doch im letzten Moment wurde er von Bundestrainer Schön gestrichen. „Ich habe davon abends im ZDF-Sportstudio erfahren. Das war kein guter Stil“, ärgert sich Tenhagen noch heute über die Ausbootung.
Bei Fortuna Millingen fing seine Karriere an. Seine besonderen Förderer waren Trainer Erwin van Leeuwen und Gerd Kremer, die das Talent des Jungspunds erkannten. „Beide haben viel für mich getan“, erinnert sich Tenhagen, dessen Eltern damals noch nicht über ein Auto verfügten. „Gerd und Erwin haben mich immer zu den Auswahl-Lehrgängen gefahren. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Tenhagen.
Bundesliga-Start bei RWO
Schon in seinen ersten beiden Profijahren war Tenhagen aus der Elf von Rot-Weiß Oberhausen nicht wegzudenken. Er avancierte sofort zum Stammspieler und kam auf 64 Bundesliga-Partien. Ab der Saison 1973/74 kickte er für den VfL Bochum. Damit begann eine Liaison, die bis heute anhält. In seinen 306 Einsätzen für den VfL erarbeitete sich Tenhagen einen Kultstatus und gehört wie Michael „Ata“ Lameck oder Hermann „Tiger“ Gerland zum kleinen Kreis der Bochumer Legenden.
Unterbrochen wurde seine Tätigkeit beim VfL im Jahr 1981. Tenhagen hatte just zuvor seinen Vertrag um vier Jahre verlängert, doch finanzielle Nöte zwangen den VfL zum Verkauf seines besten Spielers. Für damals stolze 550.000 Mark wechselte Franz-Josef Tenhagen für drei Jahre zu Borussia Dortmund. Danach ging es zurück zum VfL.
In all den Jahren als Spieler blieb Tenhagen der Region verbunden. Dabei gab es etliche Klubs, die sich die Dienste des heute 67-jährigen sichern wollten. Stuttgarts Coach Jürgen Sundermann hatte ihn auf der Wunschliste, ebenso Jupp Heynckes als Verantwortlicher von Borussia Mönchengladbach. 1977 gab es gar eine äußerst konkrete Anfrage von Dettmar Cramer. Der damalige Trainer von Bayern München suchte einen Nachfolger für Franz Beckenbauer. Den „Kaiser“ zog es zu Cosmos New York. Doch Tenhagen lehnte ab.
„Meiner Karriere als Nationalspieler wäre dies sicherlich förderlich gewesen. Doch ich bin mit mir im Reinen, ich habe alles richtig gemacht und bin ein rundum zufriedener Mensch“, sagt Franz-Josef Tenhagen. Neben dem Länderspiel im Maracanã-Stadion sind dem in Haldern wohnenden Ex-Profi besonders zwei Spiele in Erinnerung geblieben. Zum einen der 6:0-Sieg im Jahr 1981 im Gelsenkirchener Parkstadion im Klassiker gegen den FC Schalke 04.
Schalke 04 mit VfL Bochum an die Wand gespielt
„Wir haben die Schalker im eigenen Stadion förmlich an die Wand gespielt“, sagt er. Zum anderen bleibt für ihn das 5:6 gegen Bayern München in der Saison 1976/77 unvergesslich. Nach 53 Minuten lag der VfL gegen den hohen Favoriten mit 4:0 vorne. Innerhalb von 19 Minuten glich die Star-Truppe von der Isar aus. Uli Hoeneß sorgte dann für die 5:4-Führung der Gäste, die Jupp Kaczor egalisieren konnte. Doch in der 89. Minute machte wiederum Hoeneß alles klar. „Für die Zuschauer war es herrlich. Obwohl wir verloren haben, ist es auch für uns Spieler ein Super-Erlebnis gewesen“, betont Tenhagen.
Als Co-Trainer startete er seine zweite Karriere – natürlich beim VfL Bochum mit Kumpel Hermann Gerland. Danach wurde er in Bochum Chefcoach. Weitere Stationen als Trainer waren Fortuna Köln, 1. FC Bocholt, Wattenscheid 09 und LR Ahlen. Mit den beiden letztgenannten Klubs schaffte Tenhagen jeweils den Sprung in die Zweite Liga. Seine letzten Jahre als Trainer war er beim SV Grieth tätig.
Den direkten Kontakt zum Fußball hat Jupp Tenhagen nach wie vor. Beim VfL Bochum gehört er dem Präsidium an. Und durch sein Sportgeschäft in Emmerich sowie seine Fußballschule ist er mit vielen Vereinen der Region eng verknüpft. „Mein Leben ist vom Fußball geprägt“, sagt Jupp Tenhagen.