Gelsenkirchen. Er ist Zweitliga-Rekordtorjäger und aktuell Schalke-Kapitän - doch in zwei Wochen hört Simon Terodde auf. Wir blicken auf seine Karriere zurück.
Die Nachricht, dass Simon Terodde in zwei Wochen seine aktive Laufbahn beendet, verbreitete sich über die sozialen Netzwerke rasend schnell. Und schnell gab es Hunderte Kommentare unter Teroddes Abschiedsvideo auf Instagram. Auch viele aktuelle und ehemalige Mitspieler des Kapitäns von Schalke 04 meldeten sich - wie Bayern-Ersatztorwart Sven Ulreich. Meist fiel ein Wort: „Legende!“ Terodde ist der beste Zweitliga-Torjäger der Geschichte, stieg viermal in die Bundesliga auf, wurde viermal Torschützenkönig der Zweiten Liga.
Schalke-Kapitän Terodde - erstes Profitor am 19. Oktober 2008
Vor zweieinhalb Jahren, als er den Zweitliga-Rekord im Schalke-Trikot aufstellte, blickte diese Zeitung mit mehreren Gesprächspartnern auf Teroddes Karriere zurück - Zitate, die immer noch aktuell sind.
Teroddes Zweitliga-Zeit hatte am 19. Oktober 2008 beim MSV Duisburg begonnen. Gegner: der FC Ingolstadt. In der 82. Minute, es stand bereits 5:1 für den MSV, kam der damals 20-jährige Nachwuchs-Stürmer ins Spiel und bestritt das erste von bisher 310 Zweitliga-Spielen. Sein damaliger Kapitän erinnert sich: „Simon hat schon im Training immer wieder seine Konsequenz aufblitzen lassen“, sagt Ivo Grlic, heute Sportdirektor des FC Ingolstadt. Terodde auf Grlic – das passte: In der 90. Minute legte der Stürmer dem Kapitän das Tor zum 6:1-Endstand auf. „Das war für ihn auf alle Fälle ja nicht der schlechteste Einstieg“, sagt Grlic und schmunzelt danach. Schon damals war er überzeugt davon, „dass Simon richtig Karriere macht“.
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Doch nach seiner Zeit beim MSV geriet die ins Stocken. Er wechselte zu Fortuna Düsseldorf (2009/2010) und zum 1. FC Köln (2010 bis 2012), kam aber meist nicht über Einsätze in der U23 hinaus. Beim FC saß er teilweise in der Regionalliga West auf der Bank, er wollte seine Profi-Karriere beenden, wie er einmal in einem Interview mit 11Freunde verriet. Er blieb dennoch dran, ließ sich von Kölns U23-Trainer Frank Schaefer, seinem wichtigsten Förderer, motivieren – und bekam seine große Chance bei Union Berlin.
„Zwischenmenschlich ist er eine Granate“, sagt Torsten Mattuschka, damals Union-Kapitän, heute Zweitliga-Experte bei Sky. Drei Jahre lang blieb Terodde an der Alten Försterei, er erzielte acht, zehn und fünf Saisontore. „Der Fußball war nicht auf ihn ausgerichtet“, erzählt Mattuschka. Im Sommer 2014 wurde Terodde aussortiert, Trainer Norbert Düwel hatte nicht einmal das Gespräch mit dem jungen Stürmer gesucht.
Mattuschka sagt darüber: „Für Simon war das damals sicherlich nicht einfach, aber der Wechsel zum VfL Bochum war für ihn der genau richtige Schritt. In einer Profi-Karriere sind es Kleinigkeiten, die den Weg nach oben oder unten entscheiden. Verletzungen, Trainerwechsel, Vereinswechsel. Wäre er bei uns geblieben, hätte er sicherlich nicht so viel Spielzeit bekommen.“
Trainer Peter Neururer holte Terodde 2014 zum VfL, verabschiedete ihn bei Instagram mit rührenden Worten: „Alles Gute für Dich und Deine Familie! Es war ein Erlebnis, Dich zweimal begleiten zu dürfen! Großartiger Sportler, großartiger Mensch.“ Unter Neururer erzielte er zehn Tore, nach Neururers Rauswurf kam Gertjan Verbeek im Winter 2014/2015 – und unter dem Niederländer blühte Terodde, inzwischen 25 Jahre alt, richtig auf. 31 seiner 177 Zweitliga-Tore erzielte er unter Verbeek – so viele wie sonst unter keinem Trainer. „Spieler, die so torgefährlich sind, brauchen Trainer, die nach vorne spielen lassen“, sagte Verbeek dieser Zeitung. Der Niederländer hatte den jungen Klaas-Jan Huntelaar beim SC Heerenveen betreut und zieht einen Vergleich: „Auch Huntelaar ist kein Spieler, der 40, 50 Meter nach vorne laufen kann, bis er beim Tor angekommen ist.“ Verbeek schnitt Bochums Spiel auf Terodde zu, und der wurde Torschützenkönig, traf 25-Mal in der Saison 2015/16. Der in seiner Bochumer Zeit zuweilen verbissene Verbeek sagt inzwischen: „Ich habe sehr gern mit ihm zusammengearbeitet. Ich bin eine sehr ehrliche Person. Ich sage, was ich denke. Er ist einer, der kein Problem damit hat.“
Nach seiner Zeit in Bochum wurde Terodde der Aufstiegs-Experte, er schoss den VfB Stuttgart (2016/17, 25 Tore) und den 1. FC Köln (2018/19, 29 Tore) in die Bundesliga, den HSV (2020/21, 24 Tore) fast. „Er ist ein Super-Spieler, vereint spielerische Klasse mit einem großen Willen. Er will seine Ziele auf dem Platz unbedingt erreichen. In der Kabine ist er ruhig, ein total netter Typ. Doch im Spiel wird er emotional, das ist sehr angenehm für einen Trainer“, sagt sein damaliger Stuttgarter Trainer Hannes Wolf.
Wer schon im Herbst 2021 über Terodde sprache, erwähnte stets dieselben Adjektive. „Bodenständig“ zum Beispiel. „Ein toller Junge, der immer weiter gewachsen ist und sich als Mensch doch nie verändert hat“, sagt Ex-MSV-Kapitän Grlic. „Man darf nie vergessen, wo man herkommt – und so ist er. Zu unseren Abschlussfahrten hat er immer seine alten Kumpels mitgenommen. Das finde ich sehr, sehr gut“, erklärt Mattuschka. Bei diesen Abschlussfahrten könne Terodde, der in Interviews stets ruhig und sachlich wirkt, durchaus aus sich herausgehen.
Schalke verabschiedet Simon Terodde am Samstag
Nur ein Makel blieb bis zum Ende seiner Karriere: In der Bundesliga hat Terodde nie Fuß fassen können, in 90 Bundesligaspielen erzielte er lediglich 15 Tore. Mattuschka und Wolf führen das auf den Fußball zurück, den zum Beispiel Teroddes Bundesliga-Klubs Köln und Stuttgart nach dem Aufstieg spielten: abwartend, ohne große Chancen. „Simon hat sich darauf spezialisiert, als Top-Stürmer in Liga zwei den großen Klubs beim Aufstieg zu helfen. Er hat eine Marke aufgebaut. Natürlich hat er die Qualität, auch eine Liga höher zu überzeugen“, sagt Wolf inzwischen. Mattuschka behauptete im Herbst 2021 mutig: „Bei Dortmund oder Bayern würde er auch locker 20, 25 Tore schießen. Da bin ich mir zu 100 Prozent sicher.“
Auf Schalke wird Terodde am Samstag im Rahmen des Heimspiels gegen Hansa Rostock verabschiedet. Dann beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt - mit seiner Frau und seinen drei Kindern. Seine berufliche Zukunft dürfte aber auch im Fußball liegen. Er liebt das Spiel wie kaum ein anderer Profi.
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