Berlin. Vor zwei Wochen wurde Schalke-Trainer Karel Geraerts gefeiert. Die Niederlage in Berlin geht aber auch auf seine Kappe. Ein Kommentar.
Erinnern Sie sich noch an die 50. Minute im Heimspiel des FC Schalke 04 gegen den SC Paderborn vor einer Woche? Gerade hatte Schalke das 2:0 erzielt, in der Live-Tabelle der Zweiten Liga den Rückstand auf den Tabellendritten HSV auf neun Punkte verkürzt. Die Frage, die sich Schalkes Fans stellten, lautete nicht: Wie viele Punkte brauchen wir zum Klassenerhalt? Sondern: Wie kann die Aufstiegssensation gelingen? 130 Spielminuten später ist in der Rauf-und-runter-Saison wieder alles ganz furchtbar. Das Spiel gegen Paderborn endete 3:3, in Berlin gab es nun eine schlimme 2:5-Klatsche - und die Abstiegsangst ist zurück. Die Existenzangst. Die Angst vor der Dritten Liga.
Das Selbstverständnis, vor Saisonbeginn als Aufstiegsfavorit Nummer eins zu starten, die markigen Worte von Ex-Trainer Thomas Reis („Wir wollen und werden aufsteigen“) und der Stolz von Ex-Sportdirektor André Hechelmann auf seine Zugänge wirken inzwischen lächerlich. Nach 26 Spieltagen hat Schalke die meisten Gegentore kassiert (54), neunmal mindestens drei Gegentreffer hinnehmen müssen, zehn von 13 Auswärtsspielen verloren, spielte sieben Mal so schlecht, dass der Begriff „Tiefpunkt der jüngeren Vereinsgeschichte“ überstrapaziert werden musste.
Auf Schalke schrillt nicht nur eine Alarmglocke
Und wie war das in Berlin? In einem waren sich Trainer Karel Geraerts und die Spieler einig - unerklärlich sei die Wehrlos-und-körperlos-Leistung gewesen - und wenn unmittelbar Beteiligte schon nicht mehr erklären können, warum etwas schlecht läuft, so wie beim 2:5 im Olympiastadion, dann schrillt nicht nur eine Alarmglocke. Dann schrillen 1904 Alarmglocken. Doch ist Geraerts deshalb der falsche Trainer? Muss Schalke über den zweiten Trainerwechsel in dieser Saison nachdenken, um das große Drama zu verhindern?
Erst vor zwei Wochen feierte ganz Schalke Geraerts für seine überragende Taktik im Heimspiel gegen den FC St. Pauli. Schalke siegte dank Geraerts‘ Strategie mit 3:1. Er hatte zudem eine Stammelf gefunden, die zweimal hintereinander gegen Aufstiegskandidaten überzeugen konnte. Geraerts‘ Trainertalent ist unübersehbar, er wird seinen Weg gehen - ob er nun länger auf Schalke bleibt oder nicht.
Schalke-Trainer Karel Geraerts für viele Punkte nicht verantwortlich
Er kann nichts für die falsch zusammengestellte Mannschaft.
Er kann nichts für die Unruhe im Verein, das fast schon unerträgliche Belauern von Verein und Opposition ohne irgendeinen vernünftigen Lösungsansatz.
Er kann nichts dafür, dass Schalke kein Geld hat, dass Sponsorenverträge auslaufen.
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Doch verlassen kann er sich nicht darauf, dass er die Saison mit Schalke zu Ende spielen darf. Denn es gibt sehr wohl einige Fehler, die auch ihm zuzuschreiben sind. Erstens: Bei allem Lob für seine St. Pauli-Taktik ist es ihm in rund fünf Monaten Amtszeit nicht gelungen, die dramatische Auswärtsschwäche zu beheben. Im Gegenteil: In vier Auswärtsspielen 2024 gab es vier schlimme, schlimme Klatschen. Nicht nur die Aufstellung ist Trainer-Aufgabe, auch die Einstellung.
Zweitens: Wenn Geraerts den Charakter der Mannschaft infrage stellt, macht er sich selbst angreifbar - in der Außendarstellung und in der Mannschaft. Mit einigen Spielern in der in Grüppchen zerfallenen Mannschaft liegt er bereits überkreuz.
Drittens: Fehlerlos ist nicht, was zum Beispiel die Taktik betrifft. Schon vor drei Wochen war es ihm nicht gelungen, sein Team auf die offensichtlichen und seit Jahren bekannten Stärken des 1. FC Magdeburg einzustellen. Ergebnis: 0:3. Und jeder in der Zweiten Liga weiß, dass Fabian Reese und Haris Tabakovic die wichtigsten Offensivspieler von Hertha BSC sind. Ergebnis: Tabakovic traf doppelt und gab eine Vorlage, Reese legte sogar drei Treffer auf. Auch seine Wechseltaktik ist nicht immer nachvollziehbar: Henning Matriciani und Danny Latza waren in Berlin schon nach einer Viertelstunde überfordert, für jeden im Stadion zu sehen. Beide blieben trotzdem auf dem Platz.
Schalke trifft am Ostersonntag auf den KSC
Sollte Geraerts in der Länderspielpause hinterfragt werden? Ja, sollte er, Vorstand, Aufsichtsrat und Sportdirektor Marc Wilmots sollten alles gut überdenken, Trainer und Mannschaft. Ein erneuter Trainerwechsel ist aber wenig wahrscheinlich. Denn: Von welchem Geld soll Schalke erneut den Trainer tauschen? Welcher Trainer ist verfügbar, der zu dieser Situation passt? Und das sind nur zwei Fragen.
Und so ist das einzige, was Hoffnung macht, die Heimstärke. Doch nach der Länderspielpause kommt der Karlsruher SC am Ostersonntag nach Gelsenkirchen. Der putzte am Sonntag den 1. FC Magdeburg mit 7:0 weg.
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