Gelsenkirchen. Schalkes Fanszene ist gespalten - in Befürworter und Gegner der aktuellen Klubführung. Noch ist der Konflikt nicht ausgebrochen. Eine Analyse.

Es war Mittwochmittag, als der Hinweis durch die sozialen Netzwerke ging, die Eintrittskarten für das Zweitligaspiel des FC Schalke 04 bei Hannover 96 Anfang April seien digital für alle verfügbar. Und ein paar Stunden lang schienen die Anhänger alle Dissonanzen und die dramatische sportliche Lage zu vergessen, sodass es nicht gewagt ist, eine Heimspiel-Atmosphäre für S04 zu prophezeien.

Ja, Schalkes Fans können im positiven Sinn verrückt sein - trotz der Existenzangst, die den Verein mehr umgibt als je zuvor. Doch so sehr der Run auf Tickets alle vereinen mag: Dass Schalkes Fanlager in grundsätzlichen Fragen ein tiefer Graben trennt, ist eine andere Wahrheit. Es geht um vor allem um die Ausrichtung der Vereinspolitik - um Vertrauen zu den Handelnden um den Aufsichtsrats-Chef Axel Hefer und eine von vielen geforderte Rückkehr des Ex-Patrons Clemens Tönnies. Das sind zwei völlig verschiedene Heransgehensweisen, komplett unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft des Klubs.

Schalke: Aktive Fanszene gestaltet die Vereinspolitik mit

Aktive Fanszene - wer ist das? Groß ist sie nicht, sie besteht vor allem aus den Fangruppen Ultras und Supportersclub. Diese Gruppen fahren zu jedem Spiel mit, sind lautstark, sorgen für Choreographien, interessieren sich für die Vereinspolitik und gestalten diese aktuell entscheidend mit. Zwei von elf Mitgliedern des Aufsichtsrats stellt die aktive Fanszene (Holger Brauner/Supportersclub, Sven Kirstein/Ultras) sowie drei von acht Mitgliedern des mächtigen Wahlausschusses, der darüber entscheidet, wer für die Aufsichtsrats-Wahl zugelassen wird (Dennis Steckel und Anja Wortmann/Supportersclub, Dr. Stephan Kleier/Ultras). Auch Axel Hefer hat seit Jahrzehnten beste Kontakte zu dieser Szene und kann sich auf deren Unterstützung verlassen.

Sowohl Ultras als auch Supportersclub unterstrichen ihre Meinung in schriftlichen Äußerungen im Monat Februar. Am 2. Februar hatte der Supportersclub auf seiner Internetseite eine Stellungnahme veröffentlicht, mit Zustimmung zu Hefers Kurs, der Kontakte zu Tönnies auf das Nötigste beschränkt. Auszüge aus dem Schreiben: „Es kann nicht die Lösung sein, jetzt nach Leuten zu schreien, die uns über Jahre erst in die Situation gebracht haben, dass wir kein Geld mehr haben und dass wir uns eigentlich keinerlei Fehler mehr erlauben dürfen.“ Satzungstechnisch und vereinsrechtlich sei kein „sofortiger Komplettwechsel“ möglich. Nebenkriegsschauplätze könnte Schalke nicht gebrauchen. „Egal wer, ob Vereinsführung, Fans, irgendwelche mehr oder weniger bekannten Oppositionen, ehemalige Funktionäre oder Spieler und Trainer: Allen muss bewusst sein, dass die Rettung nur noch über den Klassenerhalt gehen kann. Der markige Appell: „Einfach mal Fresse halten!“ „Fresse auf“ sei nur zur Unterstützung der Mannschaft angebracht.

Vorsitzender des Aufsichtsrats von Schalke 04: Axel Hefer.
Vorsitzender des Aufsichtsrats von Schalke 04: Axel Hefer. © DPA Images | Tim Rehbein

Bei den Ultras klingt das ähnlich. Sie schrieben in ihrer Fanklub-Zeitung „Blauer Brief“ vor dem Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden vor zwei Wochen: „Leider nehmen die Stimmen zu, die ernsthaft glauben, eine Rückkehr von Clemens Tönnies wäre die Lösung. Ist es wirklich möglich mit solchen Scheuklappen durch die Welt zu laufen, um nicht zu erkennen, dass wir in manchen Bereichen immer noch dabei sind die Scheiße auszulöffeln, die die langjährig handelnden Personen wie C.T. und Konsorten hinterlassen haben? Natürlich läuft aktuell bei weitem nicht alles rund und die handelnden Personen machen Fehler. Gerade sportlich muss man kritische Fragen stellen und die Verantwortlichen in die Pflicht nehmen.“ Es ging aktuell einzig und allein darum, den Abstieg zu verhindern. Und für den neuen Vorstandschef Matthias Tillmann gab es ein Lob. Er sei eine Person, „die sich traut, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.“ Die Personaldecke sei mit unnötigen Posten aufgeblasen und das nie wirklich korrigiert worden - trotz des Abstiegs. Kritik äußerten sie nur an der Entscheidung des Klubs, dem Investorendeal der DFL zuzustimmen.

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Diese Wagenburgmentalität ist eine Erklärung dafür, warum es bisher weder Plakate noch Sprechchöre gegen die aktuelle Vereinsführung gab - und warum diese aus dem Zentrum der Kurve weiterhin nicht zu erwarten sind. Es wären Rufe gegen die selbst mitgestaltete Politik.

Ex-Boss Tönnies: „Schalke steht am Abgrund“

Sehr ruhig verhielten sich im Gegensatz dazu bisher die Anhänger und Mitglieder, die nicht Teil der aktiven Fanszene waren. Im Sommer 2023 blieben sie weitgehend der Mitgliederversammlung fern, bewarben sich nicht für den Aufsichtsrat, wie diese Redaktion weiß, war dies bei vielen der Fall, weil sie Pfiffe der aktiven Fans befürchteten und sich angesichts der Überzahl in Versammlung ohnehin chancenlos sahen.

Früher Vorsitzender des Schalker Aufsichtsrats: Clemens Tönnies.
Früher Vorsitzender des Schalker Aufsichtsrats: Clemens Tönnies. © Jürgen Fromme/ firo Sportphoto | Jürgen Fromme

Die meisten dieser Anhänger gehen gern ins Stadion, wollen schönen, erfolgreichen Fußball sehen - halten sich aber sonst aus allem heraus. Das aber scheint sich allmählich zu ändern. In sozialen Netzwerken, Mails, Beiträgen in Foren, Unterhaltungen am Trainingsplatz und im Stadion fordern einige Tönnies‘ Rückkehr - sie wollen vor allem, dass Schalke erfolgreich ist, da ist es vielen von ihnen egal, wer das nötige Geld dafür bezahlt oder in den Gremien das Sagen hat. Sie lesen interessiert, wie sich Tönnies und seine einflussreichen Sponsoren-Freunde äußern. Dieser Zeitung hatte der Unternehmer gesagt: „Schalke steht sportlich und wirtschaftlich am Abgrund.“ Er könne sein Netzwerk aus Wirtschaft und Sport jederzeit zur Verfügung stellen. Was Tönnies vor allem bemängelt: Dass Hefer und Co die Kontakte fehlen. Das sieht auch ein weiterer Hefer-Kritiker so: Uli Paetzel, bekannt geworden durch seine Rolle als Sprecher der Gruppe, die 2021 Ralf Rangnick holen wollte, äußert sich auf X (früher Twitter) immer wieder kritisch. Ob Paetzel in diesem Jahr für einen Posten für den Aufsichtsrat kandidiert, hat er bisher nicht verraten. Im Wahlausschuss müsste er aber einige Hefer-Freunde aus der aktiven Fanszene überzeugen.

Fazit: Viel fehlt nicht mehr, bis sich die vereinskritischen Fans auch im Stadion einmal bemerkbar machen. Schon das Spiel gegen den FC St. Pauli (Freitag, 18.30 Uhr/Sky) könnte zu einem Test werden, ob die im Vereinslied besungenen 1000 Freunde, wirklich immer zusammenstehen. Geht das Spiel schief, könnte die Stimmung kippen. Ein offen ausgetragener Konflikt auf den Rängen wäre für Schalke aber fast so schlimm wie Niederlagen auf dem Platz.

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