Gelsenkirchen. In der Winterpause schaute Schalke nach oben - das rächt sich. Nun steht eine andere Frage im Blickpunkt: Wie ginge es in der 3. Liga weiter?
Manchmal hilft Musik, um Stimmungen am besten zu beschreiben. „Zeig mir den Platz in der Kurve“ lautet ein Lieblingslied vieler Fans des FC Schalke 04, und eine Strophe daraus lautet: „Es kamen Stunden, graue Tage, das Königsblau war leicht verblasst. Und manche leise bange Frage, ob man den Anschluss nicht verpasst.“ Nach einem rabenschwarzen Wochenende trennt die Königsblauen nur noch die bessere Tordifferenz von einem Abstiegsplatz in der Zweiten Liga. Die Suche nach Schuldigen läuft, natürlich hektisches Treiben um mögliche Lösung - und das vor dem Kellerkrimi gegen Eintracht Braunschweig (Samstag, 13 Uhr/Sky).
Das 1:4 beim 1. FC Kaiserslautern am Freitagabend hat Schockwirkung ausgelöst, Abstiegs-, sogar Existenzangst. Die Diskrepanz zur Laune nach dem Abschluss des sehr guten Trainingslagers könnte größer nicht sein. In Portugal hatte niemand in der Tabelle nach unten geschaut, sondern alle nach oben. Der Rückstand zu den Aufstiegsplätzen wurde ausgerechnet, nicht der Vorsprung vor den Abstiegsplätzen. „Ich habe allen, die in Portugal waren, gesagt: Es läuft zu gut. Und es ist nie gut, wenn es zu gut läuft, wenn die Atmosphäre gut ist, wenn wir gut spielen, wenn sich alle wohl fühlen. Die Wahrheit im Fußball ist immer das nächste Pflichtspiel. Und das war nicht gut“, sagte Trainer Karel Geraerts nach einem Spiel am Betzenberg, das viele Fragen offen ließ.
Schalke-Trainer Geraerts: „Ich schaue selbst in den Spiegel“
Zum Beispiel: Warum gibt es in dieser Saison immer wieder neue Tiefpunkte, kaum zu erklärende Blamagen? Geraerts zeigte sich selbstkritisch: „Kollektiv muss es besser sein. Wenn das Kollektive besser werden muss und die Mannschaft nicht bereit für das Spiel wirkte, ist das meine Verantwortung. Ich schaue selbst in den Spiegel, warum meine Mannschaft heute nicht bereit war, nicht präsent in diesem Spiel.“ Geraerts hat die Tabellensituation begriffen, auch wenn er für den falsch zusammengestellten Kader nichts kann. Doch haben die Spieler die Lage begriffen?
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Es wirkt nicht so, und das ist das zweite Problem: Schalke fehlen die Führungsspieler. Kapitän Simon Terodde ist zu sehr mit seiner Formschwäche (erst drei Tore) beschäftigt, Vertreter Marcin Kaminski und Torwart Ralf Fährmann aus dem Mannschaftsrat befinden sich in einer Formkrise, sind umstritten. Läuft es nicht, brechen die Profis ein, Spieler wie Paul Seguin, Lino Tempelmann und Tobias Mohr sind dem Druck nicht gewachsen.
Besonders die Defensivarbeit hat Geraerts in seinen elf Pflichtspielen bisher nicht in den Griff bekommen - 41 Gegentore hat Schalke kassiert, mehr als jeder andere Zweitligist. „Im Fußball gilt immer: Willen, Intensität, Leidenschaft, Zweikämpfe entscheiden. Gewinnst du die Zweikämpfe nicht, kann egal welcher Spieler auf dem Platz stehen, du wirst keine Spiele gewinnen, der Beweis war das heutige Spiel“, sagte Geraerts dazu.
Schalke: Kouao-Leihe könnte am Montag verkündet werden
Viele neue Spieler bis zum Ende der Transferperiode am Donnerstag werden nicht kommen. „Wir haben keine Möglichkeit, Transfers zu machen. Wir müssen es mit diesem Kader schaffen“, sagte Sportdirektor Marc Wilmots in Kaiserslautern zunächst, um einen Satz später zu sagen, dass eine Leihe möglich ist, schon an diesem Montag könnte die Verpflichtung von Rechtsverteidiger Koffi Kouao (FC Metz) verkündet werden. Am Sonntagabend berichtete die französische Zeitung L‘Équipe jedoch, dass sich der kroatische Topklub Dinamo Zagreb eingeschaltet hätte und den Rechtsverteidiger fest verpflichten wolle. Kouao wäre der zweite Winter-Zugang nach Darko Churlinov (FC Burnley) beim FC Schalke 04. Mehr Geld ist nicht da, die Schalker wollen sich eigentlich auf den Sommer konzentrieren und dann einen Kader bauen, der aufstiegsreif ist.
Und auch das ist ein Problem. Es wirkt, als gebe es nur einen ausformulierten Plan A auf Schalke - die aktuelle Saison ordentlich im Tabellen-Mittelfeld abschließen, Marc Wilmots und Karel Geraerts vertrauen und 2024/2025 mit einem sinnvoll ergänzten Kader und neuen, zahlungskräftigen Sponsoren den Aufstieg anpeilen. Die Rückkehr in die Erstklassigkeit und sogar nach Europa - das steht mittel- und langfristig in der Chefetage im Zentrum. Dass solche Pläne existieren, ist richtig und wichtig.
Doch was ist mit dem Plan B, einem Abstieg in die Dritte Liga?
Natürlich gibt es auch da Konzepte, Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers muss schließlich gerade an einer Lizenzplanung arbeiten. Viele Mitarbeiter konzentrieren sich aktuell aber nicht auf das Szenario Dritte Liga, das aber so weite Folgen hätte, dass viele Arbeitsplätze gefährdet wären, das letzte Tafelsilber des Klubs verkauft werden müsste, um möglicherweise eine Lizenz zu bekommen - und nicht einmal das wäre sicher. Und wenn es sie geben würde: Am 2. August beginnt die Drittliga-Saison, in rund einem halben Jahr: Wer wäre für die Kaderplanung zuständig? Wer der Trainer? Wer die Spieler? Ernsthafte Antworten darauf sollte Schalke parat haben. Die ohnehin angespannte Stimmung auf der Geschäftsstelle wird mit jeder Niederlage erdrückender - aus Sorge um den Job.
Schalke: Müller für Fährmann - Torwartwechsel möglich
Doch was macht Mut? Geraerts hat schon bewiesen, dass er ein guter Trainer ist. Die richtigen Schlüsse aus dem Lautern-Debekal zu ziehen, das ist ihm zuzutrauen. Er kann einen starken neuen Torwart bringen: Marius Müller kann der Mannschaft einen Ruck geben. Und die Fans sind noch da, auch gegen Braunschweig dürften 60.000 kommen. Marc Wilmots sagte: „Ich hoffe, dass die Fans unsere Situation verstehen und positiv bleiben. Dass sie nicht sofort pfeifen in der Arena. Wir sind jetzt in Schwierigkeiten und brauchen unsere Fans. Ich bitte sie: Unterstützt eure Mannschaft, unterstützt euren Verein.“
Und so steht es auch im Lied „Zeig mir den Platz in der Kurve“: „Manch böser Tag zog schon ins Land, doch wir steh´n immer Hand in Hand.“
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