Kaiserslautern. Nach zwei Niederlagen zum Auftakt in die Rückrunde ist die Enttäuschung auf Schalke groß. Das muss sich schnell ändern. Ein Kommentar.
Karel Geraerts hatte so eine Vorahnung. Zu gut dürfe es auch nicht laufen, sagte der Trainer im Winter-Trainingslager des FC Schalke 04 Anfang Januar in Portugal, während die Mannschaft an der Algarve enger zusammengerückt war, sehr gut trainiert hatte. Doch ein erfolgreiches Camp bringt keine guten Ergebnisse - und nach zwei bitteren Niederlagen zum Auftakt in die Rückrunde steht nicht nur fest, dass Schalke im Abstiegskampf steckt. Sondern auch, dass Schalke absteigen wird, wenn die Leistungen so mies bleiben wie beim 1:4 in Kaiserslautern.
Die Probleme des Kaders sind nach der Blamage groß - es fällt sogar schwer, das größte herauszuarbeiten. Offensichtlich ist, dass die Mannschaft in Portugal zwar enger zusammengerückt sein mag, dass sie aber auf dem Platz immer noch kein Team ist. Alle Spieler mögen sich individuell zu Höherem berufen fühlen, aber niemand genügt aktuell Bundesliga-Ansprüchen, die meisten zeigen sich aktuell nicht einmal zweitligatauglich.
Schalke: Führungsspieler werden ihrer Rolle nicht gerecht
Einige wie Kapitän Simon Terodde, Kenan Karaman, Paul Seguin oder Innenverteidiger Tomas Kalas haben den Anspruch, Führungsspieler zu sein oder waren es bei früheren Stationen - wenn es eng wird auf dem Platz, ducken sich alle weg, wie nach dem Tor zum 1:2 auf dem Betzenberg. Kein Aufbäumen, keine klaren Worte, das Debakel über sich ergehen lassen - das ist nicht schalkelike.
Einige Spieler scheinen dem Druck auf Schalke allgemein und dem Abstiegskampf im Besonderen momentan nicht gewachsen zu sein - beispielsweise Lino Tempelmann und Tobias Mohr, die gewiss viel mehr können als sie zu Beginn der Rückrunde gezeigt haben. Dass Nachwuchsstürmer Keke Topp aktuell mit untergeht, ist ihm nicht vorzuwerfen. Andere, wie Torwart Ralf Fährmann, Rechtsverteidiger Cedric Brunner oder der in Kaiserslautern gesperrte Innenverteidiger Marcin Kaminski haben nicht gezeigt, dass sie einen Platz in der ersten Elf verdient haben.
Große Verstärkungen sind aufgrund der finanziellen Zwänge nicht drin - das bestätigte der neue Sportdirektor Marc Wilmots. Der im Sommer 2023 falsch zusammengestellte Kader muss es richten. Außerdem: Panikkäufe in den letzten sieben Tagen einer Transferperiode führen im Fußball ganz selten zu Erfolg - als Schalke vor zwei Jahren aus der Bundesliga abstieg, gab der Klub rund zehn Millionen Euro für Sead Kolasinac, Klaas-Jan Huntelaar, William und Shkodran Mustafi aus. Es änderte sich: nichts.
Schalke-Trainer Geraerts gerät mehr und mehr unter Druck
Nach dem Rückrunden-Horrorstart gerät auch Trainer Geraerts unter Zugzwang. Er ist kein Neuling mehr auf Schalke, kennt Spieler und Verein inzwischen seit rund dreieinhalb Monaten. Aktuell ist sogar fast niemand verletzt. Vor Weihnachten hat er fast alle Spieler und viele Formationen ausprobiert - aber keine hat bisher konstant gepasst. Auch die Leistungsausreißer nach unten (0:3 in Karlsruhe, 3:5 in Düsseldorf, 1:2 gegen Elversberg, jetzt 1:4 in Kaiserslautern) konnte er nicht stoppen.
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Vor dem nächsten Abstiegskrimi gegen Braunschweig muss Geraerts eigentlich schon wieder großflächig umbauen - beispielsweise Fährmann durch Ersatztorwart Marius Müller ersetzen. Geraerts muss zeigen, dass er auch die zweite große Krise seiner Amtszeit bewältigen kann. Fest im Sattel saß auf Schalke zuletzt Huub Stevens vor 20 Jahren.
An die Konsequenzen eines Abstiegs mag auf Schalke gerade niemand denken. An einem Lizenzantrag für die Dritte Liga muss Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers schon arbeiten. Spaß wird ihr das nicht machen, denn um als Verein weiter zu existieren, müsste Schalke alles auf den Prüfstand stellen - vom Tafelsilber des Klubs bis zur Vereinsform und der Anzahl der Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle. Genau das müssen alle begreifen: Profis, Trainer, Mitglieder, Fans. Noch bleiben 15 Spiele, um den Worst Case zu verhindern.