Gelsenkirchen. Das 1:2 gegen Elversberg verdeutlicht die Not von Schalke 04: finanziell am Boden, im Keller der 2. Bundesliga, überall Fehler. Eine Analyse.
Als Tausende Fans des FC Schalke 04 am Freitagabend durch den Regen des Ruhrgebiets und die herbstliche Kälte nach Hause fuhren, die Lichter der Arena hinter sich ließen, da klang ein Satz, den viele von ihnen aussprachen, noch trauriger als in den vergangenen Jahren: Was ist nur aus dem großen FC Schalke geworden? Schalke ist nicht mehr nur Zweitligist, eine Liga schlechter als Heidenheim und Darmstadt, Schalke ist nicht einmal mehr gut genug, um in einem Heimspiel gegen Elversberg mitzuhalten, ein Verein aus einem Dorf ohne Bahnhof, der zum ersten Mal vor mehr als 60.000 Zuschauern spielte. Das 1:2 vom Freitagabend ist die nächste Zäsur – nun sollten auch die letzten Daueroptimisten begriffen haben, dass der Weg zurück in die Bundesliga diesmal nicht so leicht ist.
Schalke, dieser stolze Verein mit 178.000 Mitgliedern, der nach dem Uefa-Pokalsieg 1997 noch dreimal den DFB-Pokal gewann (2001, 2002, 2011), achtmal in der Champions League spielte und fünfmal Vizemeister war, ist in der Zweiten Liga gestrandet. Der Verein, in dessen Trikot vor zehn Jahren der große Raúl spielte, für den Klaas-Jan Huntelaar in seiner besten Zeit Tore schoss, der Manuel Neuer, Leroy Sané, Benedikt Höwedes, Julian Draxler und all die anderen Top-Stars hervorbrachte. Und jetzt Zweite Liga, Niederlage gegen Elversberg?
Schalker Personalbudget hätte für Klassenerhalt reichen müssen
Der Verein ist aktuell nur noch zweitklassig aufgestellt. Ja, die Startvoraussetzungen für die seit rund zweieinhalb Jahren amtierende Vereinsführung waren miserabel – die letzten Jahre der Ära Tönnies mit kaum noch zu zählenden Fehlentscheidungen bei Trainern wie Di Matteo, Baum und Gross, Spielern wie Mendyl, Matondo und Rudy sowie Funktionären wie Schneider und Heidel sowie schließlich die lange andauernde Corona-Krise mit Geisterspielen beschleunigten den freien Fall.
Doch sich immer wieder darauf zu berufen, wie schwer es beim Start war? Zu Beginn der Saison 2022/23, vor rund anderthalb Jahren, hatte Schalke die Chance, schnell wieder Fuß im Oberhaus zu fassen. Ein Personalbudget von 40 Millionen Euro hätte ausreichen müssen, um den Klassenerhalt zu schaffen. Das aber gelang nicht – und so muss sich aktuell jeder hinterfragen.
Dem Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Axel Hefer würde ein wenig mehr Selbstkritik nicht schaden – Bernd Schröder für anderthalb Jahre zum Vorstandsvorsitzenden zu machen, kostete viele Millionen Euro. Alle Geschäfte mit einem Volumen über 500.000 Euro muss der Aufsichtsrat absegnen, also alle Trainer, alle wichtigen Transfers – das ist eine direkte Beteiligung.
Aufsichtsratschef Hefer leistet sich Schalke-Kleinkrieg mit Tönnies
Allzu oft, so wirkt es jedenfalls, geht es Hefer um den schnellen Applaus der aktiven Fanszene. Die Klubführung näher an die Fans gebracht zu haben, ist ein Plus, keine Frage. Doch wo sind die üppigen Sponsorendeals seit seinem Amtsantritt? Wo sind die genialen Marketingideen, die Schalke auf ein anderes Level heben? Wo ist die Einigkeit in diesem Verein? Selbst auf der Geschäftsstelle herrscht auf einigen Ebenen ein Klima des Misstrauens.
In einen Kleinkrieg mit dem ehemaligen Vereinspatriarchen Tönnies begibt sich Hefer mit einem spöttischen Lächeln der vermeintlichen Überlegenheit – ein Lächeln, das sich Schalke bei den horrenden Schulden und der katastrophalen Situation (Elversberg! Niederlage!) kaum leisten kann. Ja, Tönnies ist zurecht eine vielfach kritisierte Figur – aber er ist ein wichtiger Sponsor, hat Geld, einflussreiche Freunde auf Schalke. Sich nicht einmal anzuhören, was er zu sagen hat: fahrlässig von Hefer, bei aller persönlichen Abneigung, die er offenbar empfindet. Besonders hilfreich ist natürlich auch nicht, wenn Tönnies oder eine sich formierende Opposition im Hintergrund aufhalten, während die Mannschaft parallel am Abgrund zur Dritten Liga steht.
Hechelmann fehlt Format für Posten als Schalke-Sportdirektor
Die Sportliche Leitung hat im zweiten Sommer in Folge sehr schlecht gearbeitet. Im Sommer 2022 führten ein großer Umbruch nach dem Aufstieg sowie die verkehrte Entscheidung für Kurzzeit-Trainer Frank Kramer dazu, dass der große Rückstand im Endspurt nicht mehr aufzuholen war. Folge: Abstieg. Im Sommer 2023 gab es erneut etliche Fehlentscheidungen. Spieler wie Timo Baumgartl, Paul Seguin und Bryan Lasme hatten die Sportchefs falsch eingeschätzt, eine offensichtlich vorhandene Lücke auf der rechten Abwehrseite nicht beseitigt.
Doch nicht nur das liegt in der Verantwortung von Sportvorstand Peter Knäbel, dessen Vertrag im Juni 2024 endet. Knäbel hat André Hechelmann im Juni vom Chefscout zum Sportdirektor befördert – und bisher hat Hechelmann selten bewiesen, dass er genug Format für diesen Job hat. Seine Personalauswahl: maximal durchwachsen. Seine öffentlichen Auftritte sind blass, manchmal unglücklich. Zuletzt gab es beispielsweise ein unnötiges Hin und Her, als es um die U17-WM-Teilnahme von Assan Ouédraogo ging. Dass Dominick Drexler (33) seinen Vertrag bis 2025 verlängert hat, bestätigte Hechelmann auch auf Rückfrage nicht. Warum nicht? Eine Antwort blieb offen.
Schalke 04: Kaminski und Terodde keine Stützen mehr, Fährmann zu anfällig
Bleibt die Mannschaft, die gerade mal gut genug dafür scheint, um zwischen Platz acht und zwölf in der Liga zu landen, wenn es perfekt läuft. Der Kader ist schlecht ausbalanciert, und das nicht nur, weil viele Neue nicht überzeugen. Beispiele: Marcin Kaminski und Simon Terodde, beim Aufstieg vor zwei Jahren Stützen, können Schalke nur noch punktuell helfen, sie sind eben zwei Jahre älter geworden. Torwart Ralf Fährmann: seit langem zu verletzungsanfällig. Und einer wie Henning Matriciani, von den Fans im Bundesliga-Abstiegskampf begeistert gefeiert, gerät nun an seine Grenzen. In der Zweiten Liga, gegen Elversberg. Fit ist die Mannschaft übrigens auch nicht – trotz eines Head of Performance, dem zahlreiche Athletik- und Rehatrainer zur Verfügung stehen. Das müsste eigentlich genügen, um auch nach der 70. Minute noch Kondition zu haben. Oder mal mehr zu laufen als der Gegner.
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Und so sind die Begriffe, die Schalke im November 2023 zusammenfassen, wenig erfreulich: finanziell am Boden, eine Mannschaft fürs Zweitliga-Mittelfeld, Fehler auf allen Ebenen: vom Aufsichtsrat bis zu den Athletiktrainern. Trainer Karel Geraerts, seit sechs Wochen da, will erst einmal in den Spiegel schauen, bevor er über Folgen der Niederlage spricht. Und ja, ein Spiegel würde jedem auf Schalke aktuell ganz gut tun – damit diese große, stolze Verein wirklich wieder Europa-Fahrten erleben und nicht nur davon träumen kann.