Essen. Rot-Weiss Essens neuer Vertriebsvorstand Alexander Rang bittet um eine „faire Chance“ und spricht über Schalke. Ein Portrait: So tickt der Neue.

Er hat sie auf sich genommen, diese Tour vom Ruhrgebiet ins sonnenverwöhnte Freiburg, trotz allem, was auf ihn niedergeprasselt ist. Er hat das große Anti-Banner im Gästeblock gesehen. Er hat die Blicke registriert. Er hat die Schmähgesänge gehört. Aber das konnte er verstehen.

„Wenn ich selbst als Fan in der Kurve gewesen wäre und das so mitbekommen hätte, hätte ich auch so reagiert“, sagt Alexander Rang, der seit vergangenem Freitag Vertriebsvorstand von Rot-Weiss Essen ist und einen ähnlichen Fehlstart in seinem Job hatte wie RWE in die Saison 2022/23.

Alexander Rang (r.) erlebte turbulente erste Tage bei Rot-Weiss Essen.
Alexander Rang (r.) erlebte turbulente erste Tage bei Rot-Weiss Essen. © Rot-Weiss Essen | Rot-Weiss Essen

Dass er im Vorstand einsteigt, verkündet er freitagmorgens selbst auf seinem Linkedin-Profil – Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe des Vereins. „Das war ein Fehler von mir, keine RWE-Panne“, gesteht er. Auch dass RWE bei der Verkündung den Fakt, dass er zwölf Monate ehrenamtlich als Vorstand im Schalker Fan-Club Verband (SFCV) tätig war, außen vor lässt und nicht transparent aufgreift: „Ein Fehler.“

Rot-Weiss Essens Rang: Chance und Leistung

Bewusst habe sich der Drittligist dazu entschieden. „Wir haben überlegt, wie wir es kommunizieren und uns dafür entschieden, dass Wort ‘Fanorganisation’ zu benutzen, weil es eben nur ein Teil meiner Vita ist, aber nicht alles. Wir wollten nichts hinter dem Berg halten, der Zeit aber auch nicht zu viel Gewicht geben“, versucht Rang eine Erklärung. Das ist schief gelaufen, das lässt sich aber nicht mehr ändern.

Lesen Sie hier: Rot-Weiss Essens neuer Vorstand Rang – das ist seine Aufgabe.

„Ich kann jetzt nur zwei Dinge tun: um eine faire Chance bitten und mich an Leistung messen lassen“, sucht Rang, der eigentlich gar kein Schalker ist, wie er im Gespräch mit dieser Redaktion sagt, die Flucht nach vorne. Der neue RWE-Funktionär ist gebürtig aus Bochum, wohnt heute noch mit seinem Sohn und einem Hund in der Stadt. Als Jugendlicher fuhr er manchmal die Castroper Straße hoch. Dem Fußball, dem bleibt er immer treu.

Jahrelang ist er in der Automobilbranche angestellt, unter anderem für ein großes Unternehmen, das den FC Schalke sponsort. Rang lernt Verein und Strukturen kennen, baut sich ein Netzwerk auf und wird gefragt, ob er nicht helfen könne, den SFCV zu restrukturieren. Konnte er.

Schon während seiner Zeit in der Auto-Welt hat er Kontakt zu RWE und Aufsichtsratschef Dr. André Helf. Man schreibt sich hier und da, telefoniert, sieht sich im Stadion. „Über 200 Mal war ich an der Hafenstraße, im alten Georg-Melches-Stadion und im neuen Stadion“, erzählt Rang, der – das ist ihm verdammt wichtig – diesen Satz nicht als Anbiederungsversuch interpretiert wissen möchte.

Rot-Weiss Essens Rang will Transparenz vorleben

Transparenz und offene Kommunikation, auch das ist ihm wichtig. Rund um seinen Amtsantritt in Essen hat er das nicht vorgelebt. „In Freiburg“, hält er dagegen, „haben mich zwei Fans direkt bepöbelt. Ich habe sie angesprochen, aber sie wollten nicht mit mir reden.“ Auch das: kann er verstehen. „Ich habe über tausend Spiele in den verschiedensten Ländern gesehen.“ Er wisse, wie Fans ticken, wie emotional der Fußball ist. Und darum freut er sich auf Rot-Weiss Essen.

Rot-Weiss Essen: So lief das Spiel gegen Freiburg.

„Ich bin hier immer gern gewesen, weil Spiele wie gegen den HSV oder Preußen Münster trotz der vielen Partien, die ich schon gesehen habe, Highlights sind. Wenn es nach mir geht, wird Rot-Weiss eine ganz lange Station“, sagt der Rang, smarter Business-Typ, modern: Sakko und Hemd lässig gepaart mit dem Gürtel einer Streetwear-Marke.

Rang ist jemand, der trotz seiner ausgewachsenen Fußball-Leidenschaft eine andere Sprache spricht als das beim RWE der guten, alten GMS-Zeit der Fall war. Jemand, der Wörter wie „available“ benutzt, wenn er über Erreichbarkeit und Transparenz spricht, oder „off the records“ sagt, wenn etwas zwischen ihm und dem Reporter bleiben soll. Jemand, der ziemlich gut als Sinnbild für das herhält, was eine Kernaufgabe sein wird: den Verein zu professionalisieren.

Auf die Fans freut er sich, wenngleich der Start daneben ging: Alexander Rang.
Auf die Fans freut er sich, wenngleich der Start daneben ging: Alexander Rang. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Alexander Rang: „Ich möchte mir Meinungen einholen“

Essen, das ist der zehntgrößte Ort Deutschlands. Da schlummert Potenzial – in der Stadtgesellschaft und vor allem im Verein, davon ist Alexander Rang überzeugt. Hohle Phrase? Nicht wirklich: Nach eigener Auskunft erhält er ein ziemlich geringes Grundgehalt, den Rest regeln Prämien – je besser er mit seinem Team arbeitet, desto mehr Geld bekommt er.

Aber natürlich sind Fußballvereine keine klassischen Unternehmen. Natürlich kann man den Erfolg nicht planen, man kann nur die Wahrscheinlichkeiten erhöhen. Vermutlich liegt genau hier der Reiz für ihn: In diesem besonderen emotionalen Umfeld das schaffen, was schon so viele versucht haben. Immerhin könnte man ellenlange Essays darüber schreiben, wieso, weshalb, warum die Multimillionenbuden der Stadt ihr Geld nicht bei Rot-Weiss lassen. Rang möchte es weiter probieren, mit neuen Ansätzen, sieht hier aber nicht die einzigen Chancen im Vertrieb.

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Nun ist er erst wenige Tage da, der erste Eindruck: positiv. „Ich denke, dass wir in der Vertriebssituation gut bis sehr gut aufgestellt sind – besser als so mancher Bundesligist“, betont Rang. Das Problem sei: „Wir sind viel weniger Leute. Irgendwann sind Limits erreicht. Deshalb ist es wichtig, die Effektivität zu erhöhen, indem wir systematischer arbeiten und die nötigen Strukturen schaffen.“

Rot-Weiss Essens neuer Vorstand: Uhlig, Peljhan, Rang

Eng wird er mit Marcus Uhlig und Sascha Peljhan zusammenarbeiten – das Trio bildet gemeinsam den Vorstand, dem Uhlig vorsitzt. Rang will den Austausch suchen, wenngleich jeder seinen abgesteckten Bereich bearbeitet. „Ich möchte immer verschiedene Blickwinkel betrachten und mir Meinungen einholen“, erzählt er. Alle bekämen von ihm eine Antwort: Vom eon-Vorsitzenden bis zum Fan, da mache er keinen Unterschied.

Diese offene Kultur, die er sich wünscht, findet er schon vor – das sei eine weitere Erkenntnis aus den ersten Stunden im Amt, und wie die offene Kultur an der Basis gelebt wird, davon darf sich Alexander Rang an diesem Dienstag selbst überzeugen.

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Verein sowie Fan- und Förderabteilung laden zur „Kleinen JHV“ ein; einer Info- und Frage-Runde, die nötig ist, weil die „Große“ JHV im Juni eine riesige Katastrophe war. Erschreckende Zahlen, erschreckendes Außenbild. Das hat Alexander Rang mitbekommen. Die Zahlen hat er vor seiner Zusage tief studiert.

Er hat ein gutes Gefühl für diesen Job, trotz des Fehlstarts. Und er hat ein dickes Fell. Als Rot-Weiss Essen in Freiburg das 2:0 erzielt, schreit Alexander Rang, der schon alle anderen bisherigen Pflichtspiele im Stadion gesehen hat, laut seine Freude heraus.

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