Wesendorf. Kaum zu glauben: Cedric Harenbrock ist der Dienstälteste bei Rot-Weiss Essen. Über einen, der kein Talent mehr ist, aber Talent hat. Was er plant
Fragt man den Duden, was Talent ist, dann spuckt er folgende Antwort aus: Talent, das ist eine Begabung, „die jemanden zu ungewöhnlichen, überdurchschnittlichen Leistungen auf einem bestimmten, besonders auf künstlerischem Gebiet, befähigt“. Auf Cedric Harenbrock trifft das zu. Ein kreativer Spielgestalter ist er, einer, der mal etwas Ungewöhnliches macht, kein Arbeiter, sondern einer, der es schafft, dass das Publikum den Atem anhält.
Und doch ist Cedric Harenbrock kein richtiges Talent, zumindest im Fußballersinne. 25 Jahre ist „Cedi“ alt, damit gehört er nicht mehr zu den jungen Hüpfern, sondern zum Inventar, bei RWE sowieso: Harenbrock ist der dienstälteste Spieler im Kader. Er hat sie alle kommen und gehen sehen, kaum zu glauben: Seit 2017 spielt er in Essen, zwei Kreuzbandrisse inklusive. Längst ein Rot-Weisser durch und durch. „Es freut mich natürlich, dass ich schon so lange hier bin. Das ist heutzutage nicht mehr normal im Fußballgeschäft“, sagt er.
Rot-Weiss Essen: Cedric Harenbrock hat eine besondere Stellung im Team
Seine sechste Vorbereitung absolviert er also gerade im Verein, und seine Rolle, die hat sich über die Jahre verändert. „Ich habe gemerkt, dass es wichtig ist, zu reifen. Es muss sich auf dem Platz widerspiegeln, dass man erwachsener auftritt, mutiger spielt und sich sicherer fühlt“, erzählt der Mittelfeldspieler. Über die Jahre nehme man vieles mit, das merke man am eigenen Spiel. „Als junger Spieler war ich nervös, das habe ich gut in den Griff bekommen.“ Das sei gar nicht so leicht. „Wenn ein Talent oben mitspielt, sagt man häufig, dass er befreit aufspielt – aber das sagt sich leicht, es ist für den jungen Spieler eine sehr große Sache.“
Als Dienstältester nimmt er zudem eine besondere Stellung in der Kabine ein, ganz bewusst. „Ich kenne den Verein, weiß, was hier bei Heimspielen abgeht und was Rot-Weiss Essen bedeutet. Das möchte ich den Jungs, gerade den neuen, vermitteln.“ Für die neue Saison gelte das besonders. „Ich will noch mehr auf dem Platz sprechen und so das Teamgefühl stärken. Das hatte ich mir schon in der letzten Saison vorgenommen. Aber es gab Zeiten, in denen ich nicht im Kader stand. Da ist es schwieriger, so etwas vorzuleben.“
Wohl wahr, Harenbrocks Saison stand irgendwie sinnbildlich für die ganze RWE-Spielzeit. Am ersten Spieltag verschoss er einen Elfmeter, 1:5 verlor der Aufsteiger gegen die SV Elversberg, auweia. Nach dem verkorksten Start in die Spielzeit steigerte sich Essen, Harenbrock blieb aber oft nur der Platz auf der Bank, oder noch schlimmer: auf der Tribüne.
Rot-Weiss Essen im Trainingslager:
- Dabrowski-Interview Teil eins: So geht er mit der Fankritik um.
- Dabrowski-Interview Teil zwei: Das ist der Plan für 2023/24.
- Vom Co-Trainer zum Temmanager: Das ist „Erle“ Wolters’ neuer Job.
Erst zum Ende hin wurde es für ihn persönlich besser. Man erinnere sich an seinen Führungstreffer in Ingolstadt, die Freude; was da alles abfiel nach fünf Monaten ohne Einsatz. In einer Mannschaft, die selten ihre offensiven Qualitäten auf den Platz brachte, war Harenbrock einer, der auffiel. Ein Steilpass hier, eine Idee da, nicht alles klappte, aber trotzdem: Er hatte wenigstens eine Idee. Daran will er 2023/24 anknüpfen.
Lesen Sie hier: „Hier ist mehr drin“ – Harenbrock über den Schlussspurt.
Allerdings ist er dort zu Hause, wo der Konkurrenzkampf tobt: im zentralen Mittelfeld. Harenbrock wird um einen Stammplatz kämpfen müssen. Er selbst sagt: „Ich bin froh, dass wir so viel Qualität haben. Wir haben geile Zocker, das macht schon Spaß und ist nicht selbstverständlich.“
Für Harenbrock hat die Saison ein gutes Ende genommen
Auffällig, wie häufig Trainer Christoph Dabrowski dieser Tage betont, dass RWE mehr Tiefe im Spiel braucht. Das trainiert der Drittligist im Trainingslager in Wesendorf, und das könnte Harenbrock zugute kommen. „Wenn wir es schaffen, unsere schnellen Spieler anzuspielen, dann ist es eben meine Rolle, den Ball weiter zu leiten und nach vorne durchzustecken.“ Zum Beispiel zu Moussa Doumbouya, dem neuen Stürmer, der aus Ingolstadt kam. „Sehr gut“ seien die Zugänge, freut sich Harenbrock, sie „bringen unser Spiel weiter“.
Das will er auch, mit seiner Kreativität. „Meine Stärke ist es, frei aufzuspielen und mal einen Überraschungsmoment, die Spielfreude, den entscheidenden Pass reinzubringen.“
Talent hat er eben, auch mit 25 Jahren.