Essen. Drittligist Rot-Weiss Essen empfängt 1860 München – und auch die Löwen erleben turbulente Tage. Diese Konflikte schwelen seit Jahren beim TSV.
Wer dabei war, der weiß noch, wie das war an diesem kalten Novemberabend auf Giesings Höhen. Das letzte Pflichtspiel des so erfolgreichen Jahres 2022 führte Rot-Weiss Essen zu 1860 München. Zu diesem Klub, der eine ähnlich wuchtige Tradition hat. Nach oben wollen beide Vereine, die ihre großen Tage vor vielen, vielen Jahrzehnten hatten.
Und so war dieses Aufeinandertreffen ein ganz besonderes. Stimmungsvoll war die Partie am 14. November, keine Frage. Die Rot-Weissen fühlten sich nach 90 Minuten wie der Sieger. Felix Bastians hatte in den Schlusssekunden das 1:1 erzielt, die Ungeschlagen-Serie, die RWE durch den Herbst schweben ließ, verlängert. Ein Erfolgserlebnis vor der langen Winterpause, das neue Jahr kann nur gut werden, dachten viele Rot-Weisse.
Rot-Weiss Essen und 1860 München – 2023 läuft es nicht rund
Die Münchner überwinterten nach dem Remis als Tabellenfünfter. Sie spielten die beste Drittliga-Hinrunde aller Zeiten und waren dran an den Aufstiegsplätzen. Wie es jeweils im Mai 2023 um sie steht, das hätten wohl beide Klubs damals nicht geahnt: Essen kämpft nach wie vor um den Klassenerhalt, München kraucht im Niemandsland herum. Gut ist die Stimmung bei beiden schon lange nicht mehr.
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Bei RWE wurde in der Zwischenzeit der Sportdirektor ausgetauscht, Fans sind mit der Personalpolitik unzufrieden, eine Trainerdebatte lässt sich dieser Tage von niemandem mehr wegmoderieren. Das aber ist nichts im Vergleich zu den Machtkämpfen, die seit Jahren in München geführt werden.
Zugespitzt gibt es einen Konflikt zwischen Investor Hasan Ismaik, der viele Anteile an der ausgegliederten Profi-Gesellschaft besitzt, und Robert Reisinger, dem Präsidenten des eingetragenen Vereins TSV 1860. Der Investor wird von Anhängern kritisch gesehen, steht er doch für das, was für manch einen falsch im Geschäft läuft: Ein Geldgeber kommt aus dem Ausland und pumpt seine Kohle in den Verein. Ein Fußballklub als Investitionsgegenstand? Reisinger hat diese Fans hinter sich. Er selbst ist ein Kind der Löwen-Kurve.
Viele Streits beim 1860 München
Streitpunkte zwischen beiden Seiten gibt es viele. Da wäre die Geschichte mit den Markenrechten. Diese erwarb Hasan Ismaik im Jahr 2012. Fans fingen irgendwann an, eigene Merchandiseartikel zu produzieren und dem e.V. die Erlöse weiterzuleiten. Das wiederum kam bei der Investorenseite nicht gut an.
Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:
- Rot-Weiss Essen: Miese Stimmung und reichlich Probleme.
- Rot-Weiss Essen wirft Fragen auf – fühlt sich aber bereit für 1860.
- RWE-Trainer Dabrowski: „Keine Lust, mich zu rechtfertigen“.
Oder die Geschichte mit dem Stadion. Als der Klub 2017 aus der zweiten Bundesliga abstieg und Ismaik sich weigerte, die Zahlungen für die Drittliga-Lizenz zu übernehmen, starteten die Löwen in der Regionalliga neu – und kehrten an die geliebte Grünwalder Straße zurück. Ein Nachhausekommen war das nach Jahren im Allianz-Arena-Asyl.
Aber das Stadion ist marode, Vip-Plätze, mit denen der TSV neue Sponsoren anlocken könnte, gibt es kaum. Die Stätte soll für knapp 80 Millionen Euro umgebaut werden. Die Kapazität läge dann bei 18.000 Zuschauern. Viel ist das nicht, kann man so wirklich wieder durchstarten? Eine Frage, die man auch in Essen diskutiert – hier soll das Stadion bekanntlich ausgebaut werden.
Rot-Weiss Essen: 1500 1860-Fans kommen an die Hafenstraße
Nun zum Sportlichen. Michael Köllner trainierte das Team im Hinspiel gegen RWE. Ein Oberpfälzer, der seine Meinung sagt und auch mal aneckt – das passte zum bayrischen Arbeiterklub. Im Januar wurde er entlassen. Die Entlassung war wohl ein Alleingang von Präsident Reisinger und Geschäftsführer Günther Gorenzel. Die Investorenseite soll nicht involviert gewesen sein – und hätte daraufhin Gorenzel am liebsten rausgeworfen.
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Jener Gorenzel sprang schließlich für vier Spiele als Interimstrainer ein, zwei Pünktchen holte er, der Aufstieg? Spätestens jetzt äußerst unwahrscheinlich. Maurizio Jacobacci kam schließlich als neuer Cheftrainer, ein 60-jähriger gebürtiger Schweizer mit italienischem Pass, zuletzt in Tunesien tätig – der krasse Gegensatz zu Michael Köllner. Richtig große Sprünge hat 1860 unter dem Neuen nicht gemacht.
Es gibt Klub-Insider, die derzeit keinen Weg sehen, wie die Konflikte beim TSV 1860 München gelöst werden könnten. Für die Mannschaft geht es sportlich um nichts mehr. Trotzdem kommen an diesem Sonntag rund 1500 Fans mit an die Hafenstraße. So ist das eben bei Traditionsvereinen.
Hoffnung hat den Löwen immer der Nachwuchs machen können, auch aktuell stehen einige Talente aus der Jugend im Kader der Ersten. Marius Wörl und Leandro Morgalla machen auf sich aufmerksam. Wörls Vertrag läuft allerdings aus, Morgalla wird wohl von Bundesligisten umworben. In Giesing hat sich längst Lethargie breit gemacht.
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