Düsseldorf. Thioune-Team war in Kiel zwar die bessere Mannschaft, aber aus den Offensivaktionen entwickelten sich zu wenig torgefährliche Aktionen

Nach dem 1:1 in Kiel hat Fortuna die Relegationsspiele sicher.

ANALYSE Fortuna Düsseldorf hat die erste große Chance, dem Aufstieg näher zu kommen, nicht nutzen können. Es reichte nach einem Spiel mit umstrittenen und wohl auch falschen Schiedsrichter-Entscheidungen am Samstagabend beim 1:1 in Kiel nicht, um die Spannung um einen Spieltag an der Spitze der 2. Fußball-Bundesliga zu verlängern. Das Unentschieden brachte die Fortuna auch durch die Niederlage des Hamburger SV zwar vorzeitig in die Relegation. Aber es wäre wohl an diesem Tag in der Hauptstadt von Schleswig Holstein auch mehr drin gewesen, völlig unabhängig von der Leistung des Unparteiischen-Teams. Um gegen den Tabellen-16. der Fußball-Bundesliga nun bestehen zu können, gibt es Baustellen, die Fortuna noch schließen sollte, bis es am Donnerstag, 23. Mai, auswärts und am Montag, 27. Mai, dann in der heimischen Arena zu den letzten beiden Spielen einer aufreibenden, spannenden und unabhängig vom Ausgang auch erfolgreichen Saison kommen wird.

Raum- und Deckungsverhalten - Holstein Kiel hatte am Samstag gerade einmal zwei klare Tormöglichkeiten in den 96 Minuten. Während die erste gleich nach einer guten Minute zum 1:0 geführt hatte, vergaben die Gastgeber in Person des Schweden Alexander Bernhardsson die zweite Chance kläglich. In dieser Szene hätte das Spiel schon vom späteren Aufsteiger vorentschieden werden können. Was ist bei der Fortuna in beiden Situationen falsch gelaufen? Zum einen ist festzustellen, dass die Abstimmung zwischen Tim Oberdorf und Jamil Siebert in den Spielen zuvor, wenn beide gemeinsam in der Innenverteidigung aufgelaufen sind, nahezu ideal war. Beide verstehen sich sehr gut, wissen, was der andere tut und wo sich dieser hinbewegt. Das Verständnis zwischen Oberdorf und dem für den verletzten Siebert eingesprungenen Jordy de Wijs ist nicht so von gegenseitigen „Einvernehmen“ geprägt. Der Niederländer ließ sich mehrfach aus dem Abwehrverbund herausziehen und öffnete damit den Raum für die Kieler, die das allerdings nur einmal so konsequent zu nutzen wussten. Zudem sah Jordy de Wijs auch beim 1:0 der Gastgeber schlecht aus, als er viel zu weit vom Torschützen Benedikt Pichler entfernt positioniert war.

Daniel Thioune könnte daraus mehrere Schlüsse ziehen. Zum einen sollte Fortunas Trainer darüber nachdenken, ob das Paar Oberdorf/de Wijs überhaupt noch einmal miteinander spielen sollte. An der Leistung von Oberdorf gab es in Kiel angesichts seiner Zweikampfstärke und Abwehr-Organisation wenig auszusetzen. Andre Hoffmann wäre hingegen ein noch erfahrener Partner für Oberdorf. Er hat aber wie auch de Wijs nicht die Schnelligkeit, die Spieler wie Siebert und Joshua Quarshie auf den Rasen bringen können. Zudem fehlt dem Kapitän die Spielpraxis, die er sich auch nicht komplett mit einem Einsatz im letzten bedeutungslosen Spiel gegen Magdeburg für die Relegation holen könnte. Quarshie scheint noch zu unerfahren, um gegen einen Bundesligisten ins Feuer geworfen zu werden. Andererseits bleibt dem Trainerteam natürlich noch die Möglichkeit, das Pärchen Oberdorf/de Wijs im Training noch besser aufeinander einzustellen.

Abstimmung im Mittelfeld - Fortuna ist seit 13 Spielen ungeschlagen. Die Mannschaft hat diese Serie auch in Kiel fortgesetzt. So kann auch die Kritik an den Mittelfeldspielern nicht allzu groß ausfallen. Dennoch wünscht sich der Trainer ein noch besseres Teamwork und eine homogenere Abstimmung seiner Mittelfeldspieler gerade bei Ballbesitz. In Kiel kochte so jeder sein eigenes Süppchen, wobei Yannik Engelhardt, Ao Tanaka und Shinta Appelkamp auch sehr bemüht waren, ihre Defensivaufgaben als Priorität anzusehen. Das Zusammenspiel bei eigenen Angriffen hat darunter allerdings gelitten. Zu selten kamen vor allem Appelkamp und Tanaka zudem in Abschluss-Situationen. Vielleicht ist es tatsächlich sinnvoll, durch die Hereinnahme von Routinier Marcel Sobottka gerade gegen einen Bundesligisten das Mittelfeld noch weiter zu verstärken. Die Erfahrung Sobottkas könnte da sicherlich helfen, auch wenn dadurch ein Offensiv-Akteur der Fortuna auf die Bank müsste.

Teamwork im Angriff - Vincent Vermeij hatte nicht wirklich viele gute Szenen. Seine Reaktion in der Anfangsphase, als er einen schlecht von den Kielern abgewehrten Ball ins Tor köpfen wollte, war die einzige große Chance für den Niederländer. Leider wurde sie durch das Handspiel von Patrick Erras vereitelt, der dafür bekanntlich und überraschenderweise nicht die Rote Karte gesehen hatte. Ansonsten war Vermeij nicht in der Lage, größere Torgefahr zu entwickeln. Nach dem frühen verletzungsbedingten Ausfall von Felix Klaus mussten dafür der eingewechselte Jona Niemiec und natürlich Christos Tzolis sorgen. Aber auch im Angriff ergänzten sich Fortunas Offensivspieler nicht so wie gewünscht. Nur Einzelaktionen sorgten für Gefahr. Bei Niemiec war das zu selten zu sehen, dass er seine Geschwindigkeits-Vorteile auch entsprechend nutzt. Nur vor dem Elfmeter setzte er diese Fähigkeit gewinnbringend ein.

Dass Christos Tzolis immer für eine Überraschung und eine torgefährliche Aktion gut ist, bewies er in einigen Situationen. Doch nur der Elfmeter und sein schöner Schlenzer brachten die Kieler wirklich in Gefahr. Noch denkt der Grieche zu sehr daran, ein Spiel allein entscheiden zu müssen. Mit einem besseren Blick für die Mitspieler würde er in seiner Entwicklung einen weiteren Schritt nach vorne machen. Und trotzdem war er für die Kieler der einzige ständige Gefahrenherd auf Düsseldorfer Seite. Er ist und bleibt auch eine Hoffnung für die Relegationsspiele - denn ganz auszuschalten, ist er nicht.

Standardsituationen und Flanken - Fortuna verzeichnete in Kiel 13 (!) Ecken und versuchte es immer wieder mit hohen Bällen. Da wünscht sich der Trainer mehr Kreativität und sprach das auch hinterher an. Gegen eine Mannschaft, die mit vielen Spielern gesegnet ist, die mit einer überdurchschnittlichen Körpergröße ausgestattet sind, waren die hohen Flanken, die immer wieder in Richtung Kieler Tor segelten, wie ein Geschenk. Die Gastgeber konnten sich schnell darauf einstellen, dass von der Fortuna nur hohe Bälle in den Strafraum geschlagen wurden. So muss in der Vorbereitung gegen einen Bundesligisten in der Relegation auch in diesem Bereich nachgearbeitet werden. Es kann nicht sein, dass nur eine einzige Ecke zu Torgefahr geführt hat. Fortuna hat eigentlich genügend intelligente Spieler, um andere Lösungen finden zu können.

Fazit - Fortuna Düsseldorf muss sich in einigen Bereichen deutlich steigern, um in der Relegation eine Chance zu haben. Es geht nicht nur um Spielglück und Tagesform. Auch die Taktik und überraschende Ideen müssen eine Rolle spielen, um einen Bundesligisten in zwei Spielen gefährden zu können. Dabei würde eine sattelfeste Abwehr mit idealem Verständnis untereinander genauso helfen, wie Teamwork im Mittelfeld und gefährliche Kombinationen in der Offensive.