Dortmund. In der Spätphase ihrer Karrieren geht es für Marco Reus und Mario Götze um eine letzte Herausforderung: einen würdigen Abschied.

„Maaaarco Reus.“ Klatsch, klatsch, klatschklatschklatsch.

„Maaaarco Reus.“ Klatsch, klatsch, klatschklatschklatsch. Jetzt noch lauter.

Der Gerufene stemmte sich gegen den Willen der Südtribüne, er solle doch bitte aus dem jubelnden Pulk von Borussia Dortmunds Profis hervortreten. Sich gebührend von den Fans feiern lassen. Erst als ihn seine Mitspieler liebevoll aus ihrer Mitte nach vorne schubsten, konnte sich der 34-Jährige nicht mehr wehren. Es knisterte noch einmal am späten Mittwochabend im Dortmunder Stadion.

Reus war gerade gemeinsam mit Mats Hummels zum Europapokal-Rekordspieler des BVB geworden, dabei hatte er auch noch zum 2:0 gegen die PSV Eindhoven eingeschoben und den Einzug ins Viertelfinale abgesichert. Aber es hatte eben auch schon etwas von Verabschiedung, man muss seine Helden hochleben lassen, solange sie noch spielen.

BVB: Marco Reus wir im Team hoch geschätzt

Marco Reus‘ Beitrag unter der Woche war symbolisch für seine derzeitige Rolle. Er kann noch immer große Spiele veredeln. „Dass er immer ein Näschen dafür hat, am richtigen Ort zu stehen oder den entscheidenden Pass zu spielen, wissen wir“, sagte Torwart Gregor Kobel. „Ich bin immer froh, wenn Marco dabei ist. Er genießt den Status einer Legende im Team, unter den Fans und natürlich im gesamten Klub.“ Der Hauptprotagonist an solchen Abenden ist der Offensivspieler jedoch schon länger nicht mehr.

Dass er in den kommenden Wochen, angefangen mit dem Bundesliga-Heimspiel am Sonntag gegen Eintracht Frankfurt (17.30 Uhr/DAZN), überhaupt nach zuletzt wenigen Einsatzminuten wieder ein Anwärter auf die Startelf ist, hat in erster Linie damit zu tun, dass der gesperrte Marcel Sabitzer zu ersetzen ist. Aber eben nur einer neben Felix Nmecha oder Salih Özcan, die laut Trainer Edin Terzic alle „unterschiedliche Profile“ mitbringen. Und weil sich das wohl in Zukunft auch nicht mehr ändern wird, deutet viel auf eine Trennung im Sommer hin, wenn Reus‘ Vertrag ausläuft.

BVB: Marco Reus und Mario Götze waren die größten Versprechen im deutschen Fußball

Die kommenden Wochen könnten die der letzten Male sein, auch schon gegen Frankfurt, wenn Reus gemeinsam mit Mario Götze, das einst von Kaiser Franz Beckenbauer als „stärkste Fußball-Paar der Welt“ geadelte, auf dem Rasen stehen. „Bei Barcelona bilden Messi, Xavi und Iniesta ein Dreieck. Aber als klassisches Duo im Mittelfeld sehe ich keine Besseren als den torgefährlichen Reus und den Strategen Götze zusammen.“ Nur, dass sie am Sonntag Gegner sind.

Die große Zeit von Borussia Dortmund: Marco Reus (l.) und Mario Götze in der Champions-League-Saison 2012/13.
Die große Zeit von Borussia Dortmund: Marco Reus (l.) und Mario Götze in der Champions-League-Saison 2012/13. © picture alliance / dpa | Marius Becker

Als Jung-Profis verzückten Reus und Götze in der Saison 2012/13 mit dem BVB ganz Europa. „Marco macht oft die Wege, die ich auch machen würde“, sagte Götze damals. „Das würde ich blindes Verständnis nennen.“ Oft wurde die Geschichte der beiden als die der beiden Kumpels erzählt, die auch mit Stollenschuhen an den Füßen eine perfekte Symbiose bildeten. Als Götze im Maracana Deutschland zum Weltmeister machte, erinnerte er im Moment seines größten Triumphes an den tragischen Reus, der sich kurz vor dem Turnier, bis dahin in herausragender Form, schwer verletzte. Auf dem Siegerfoto posierte Götze mit einem Trikot, auf dem die 21 und der Name Reus abgedruckt war.

BVB: Marco Reus spielt dem Karriereende entgegen

Ihre Wege im Klub hatten sich da schon getrennt. Götze wollte unbedingt zu Pep Guardiola, er aber ihn nicht so recht, weshalb Götze bei Bayern München nicht glücklich wurde. Reus blieb trotz diverser Versuchungen dem BVB treu, auch wenn er deshalb der Meisterschaft noch immer hinterherhechelt. Dafür genießt der gebürtige Dortmunder Legendenstatus, während der Name Götze im Ruhrgebiet inzwischen weder Glücksgefühle noch Wut ob seines unrühmlichen Bayern-Abgangs auslöst, sondern eigentlich gar nichts mehr. Als Reus und Götze ab 2016 für vier Saisons zusammen beim BVB zusammenspielten und sogar den DFB-Pokal gewannen, war von der Magie früherer Jahre nicht mehr viel übrig.

Mario Götze zeigt das nach dem WM-Triumph das Trikot mit dem Namen von Marco Reus.
Mario Götze zeigt das nach dem WM-Triumph das Trikot mit dem Namen von Marco Reus. © picture alliance / GES-Sportfoto | GES-Sportfoto

In den letzten Zügen ihrer Karrieren verbindet sie plötzlich wieder so viel, wie lange nicht mehr. Beide müssen die Herausforderung meistern, an der so schon einige mit übergroßen Egos oder schlechter Beratung gescheitert sind: Talent und Torgefahr helfen nicht einen würdigen, selbstbestimmten Abschied zu finden. Götze hat schon einmal einen traurigen verhindert, indem er 2020 die Bundesliga verlassen hatte und bei Eindhoven sein Glück fand. Dass er nun noch mal bei Eintracht Frankfurt eine tragende Rolle spielt, und „Mario-Götze-Sachen“ macht, wie es Trainer Dino Toppmöller beschreibt, ist zumindest ein Indiz dafür, dass Götze noch etwas weiter vom Abschied entfernt ist als sein drei Jahre älterer Kumpel.

„Maaaarco Reus.“ Klatsch, klatsch, klatschklatschklatsch. Man sollte es sich gut einprägen.

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