Dortmund. Julian Ryerson wechselte im Januar von Union Berlin zu Borussia Dortmund. Beim BVB überzeugt er als unauffälliger, aber unermüdlicher Arbeiter.
Der letzte Eindruck vor dem Spiel bei seinem Ex-Verein war miserabel. Und das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil Julian Ryerson, Fußballprofi bei Bundesligist Borussia Dortmund, nur selten überhaupt einen Eindruck hinterlässt. Und wenn, dann muss etwas wirklich Besonderes passieren, wie zum Beispiel der nur mit viel Phantasie zu begründende Fehlpass, den der frühere Unioner vergangenen Samstag am eigenen Strafraum auf den Hoffenheimer Maximilian Beier spielte.
Dass über diese Szene im Anschluss der Bundesligapartie nicht noch ausführlicher gesprochen wurde, lag daran, dass Beier nicht traf – und daran, dass der BVB noch viel mehr solch schlechter Szenen hatte und das Heimspiel gegen die Kraichgauer mit 2:3 verlor.
Fulminanter Solo-Lauf im Hinspiel
Ironischerweise hatte Außenverteidiger Ryerson im Hinspiel in Hoffenheim (3:1) eine Duftmarke der anderen Art gesetzt. Da hatte er den Ball im eigenen Strafraum erobert, war zwei Bewachern enteilt und hatte seinen fulminanten 90-Meter-Sololauf mit einem der wohl spektakulärsten Tore der laufenden Bundesliga-Saison gekrönt.
Die beiden Szenen stehen im krassen Kontrast zueinander, und beide schlagen in Aufmerksamkeits-Extreme aus, in denen sich Ryerson beim BVB normalerweise nicht bewegt. Der Norweger, der am Samstag (15.30 Uhr/Sky) mit dem BVB zu Gast bei seinem Ex-Klub Union Berlin ist, ist ein zurückhaltender, aber kompromissloser Arbeiter. Einen wie ihn schätzen sie beim BVB. Robust und lauffreudig, mit starker Mentalität, dafür aber neben dem Platz unauffällig.
Erinnerungen an Steffen Freund und Lukasz Piszczek
Manche sagen, Ryerson erinnere an Steffen Freund, an Lukasz Piszczek oder Marcel Schmelzer – allesamt verdiente, aber wenig schillernde Ex-Borussen, die zudem mit Dortmund Titel holten. Sie machten die Knochenjobs für diejenigen, die glänzen durften. Ryerson sieht sich auch so, das erzählte er im Interview mit Vereinsmedien, woanders steht er ja kaum im Blickpunkt: „Ich bin einer, der viel läuft, kämpft, eine gewisse Mentalität mitbringt. Ich finde es richtig cool, für eine Grätsche gefeiert zu werden.“
In Feierlaune ist der BVB nicht so recht gekommen, in dieser Saison im Allgemeinen, erst recht nicht in den vergangenen Wochen. Die Heimniederlage gegen Hoffenheim war bereits das dritte Spiel in Folge, das die Schwarz-Gelben nicht gewinnen konnten, was vor allem an einer erschreckenden Harmlosigkeit in der Offensive liegt. Auch das lässt sich aus Ryersons Statistik interpretieren.
In 13 Spielen in dieser Saison – davon zehn von Beginn an – hat der Verteidiger drei Tore geschossen und liegt damit gleichauf mit Stürmer Youssoufa Moukoko (14 Einsätze). Der Umstand, dass Ryerson lediglich 22 Bundesliga-Partien benötigte, um drei Tore und damit eins mehr als in 79 Spielen für Union Berlin zu schießen, macht die Lesart des mannschaftsinternen Rankings nicht angenehmer. Aber sie zeigt, wie wichtig der vielseitige Norweger für den BVB gut ein Jahr nach seinem Wechsel von Union geworden ist.
Als er nach sechs Wochen, nachdem er sich im Pokalspiel beim VfB Stuttgart eine Innenbandverletzung zugezogen hatte, zurück ins Team kehrte, setzte Trainer Edin Terzic sofort wieder auf ihn. Das war mit Blick auf einen möglichen Rückfall ein Risiko, denn der BVB hatte Rechtsverteidiger Thomas Meunier an den türkischen Erstligisten Trabzonspor abgegeben und Linksverteidiger Ramy Bensebaini weilte noch beim Afrika Cup. Damit waren zwei potenzielle Lücken zu schließen, für beide Seiten wäre der flexibel einsetzbare Verteidiger infrage gekommen – wie schon vor seiner Verletzung ohne Qualitätsverlust. Wo er dann gespielt hätte, wäre wohl kaum aufgefallen. Wie so vieles, was Julian Ryerson betrifft.