Marbella. In Dortmund geht eine Ära zu Ende. Hans-Joachim Watzke hat angekündigt, seinen im Herbst 2025 auslaufenden Vertrag beim BVB nicht zu verlängern.
Hans-Joachim Watzke hat eine Ideal-Vorstellung davon, wie sich ein Bundesliga-Spieltag mal für ihn anfühlen wird. „Irgendwann kommt der Tag, an dem ich normaler Fan von Borussia Dortmund sein werde“, sagte er am Montag. „Man weiß nicht, was das Leben für Überraschungen bereithält: Auf diesen Tag aber freue ich mich schon am meisten.“ Einfach auf ein Spiel freuen, wie früher „und vorher keine Magenschmerzen haben, wie jetzt.“
Ein wenig gelöster wirkte er da nun schon in seinem blau-grauen Jackett, der 64 Jahre alte Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Der erste Druck war ganz offensichtlich abgefallen, das erste Ringen mit den eigenen Emotionen hatte er gewonnen. Seine Worte wogen nicht mehr so schwer wie noch vor einigen Minuten, als er in einem Besprechungszimmer des noblen Hotels Don Pepe Gran Meliá in Marbella eine folgenschwere Nachricht verkündete. Eine, die der Anfang vom Ende seiner eigenen Ära beim BVB ist.
BVB: Watzke gibt nach 20 Jahren sein Amt ab
Watzke erklärte im Wintertrainingslager seines Klubs, dass er seinen Vertrag als Vorsitzender der Dortmunder Geschäftsführung nicht verlängern werde. Im Herbst 2025 scheidet er aus, nach dann 20 Jahren im Amt. „Mir war es immer wichtig und ich bin sehr glücklich, dass mir vergönnt ist, einen selbstbestimmten Abgang zu hinzulegen“, sagte Watzke, der zuvor seit 2001 als Schatzmeister tätig war, und betonte: „Ich werde bis zum letzten Tag Vorsitzender der Geschäftsführung sein, und wer mich kennt, weiß, dass ich das bis zum letzten Tag voller Energie und Elan ausführen werde.“ Es sei ein „Privileg, immer das Vertrauen gespürt zu haben“.
Die sportliche Gesamtverantwortung wolle er bis 30. Juni 2024 abgeben und anschließend eine Übergangsphase moderieren. Ihm sei es wichtig gewesen. In den kommenden Wochen und Monate werde er auf Wunsch des Präsidialausschusses „Gespräche führen, Ideen entwickeln und ein Konzept erstellen“. Aus seinen Positionen beim Deutschen Fußball-Bund, wo er Vizepräsident ist, als Aufsichtsrats-Chef der Deutschen Fußball-Liga und als Exekutivkomitees-Mitglied der bei der Europäischen Fußball-Union werde er bald ebenso ausscheiden. „Wenn ich kein Amt beim BVB mehr habe, erledigen sich anderen Ämter sukzessive auch, die sind ja miteinander gekoppelt“, erklärte Watzke.
BVB: Watzke überzeugt Gläubiger vom Sanierungsplan
Der Unternehmer aus dem Sauerland, der letzte echte Bundesliga-Boss, wird in etwas mehr als anderthalb Jahren seinem Nachfolger einen wirtschaftlich kerngesunden Klub übergeben. Im März 2005 hätten dies nicht mal die kühnsten Optimisten für möglich gehalten. In einer Veranstaltungshalle am Düsseldorfer Flughafen überzeugte Watzke damals die Gläubiger des Stadionfonds Molsiris davon, einem Sanierungsplan für den hoch verschuldeten Klub zuzustimmen und bewahrte den gefallenen Riesen aus dem Ruhrgebiet, acht Jahre zuvor noch Champions-League-Sieger, vor der Beinahe-Insolvenz. „Das war unfassbar, ich werde es niemals vergessen“, sagte Watzke. 19 Monate stand der BVB anschließend unter Gläubigerverwaltung.
In den folgenden Jahren hielten Thomas Dolls Rumpelfußballer die Bundesliga, große Investitionen in den Kader waren nicht möglich. 2008 landete Watzke seinen größten Coup: Jürgen Klopp. Gemeinsam mit Sportdirektor Michael Zorc bildeten Trainer und Klubboss ein erfolgreiches, eine Ära prägendes Trio, das den BVB zu zwei Meisterschaften und dem Sieg im DFB-Pokal führte. Die Mannschaft spielte rasanten Fußball und schwang sich zum Bayern-Rivalen auf. Der medial ausgeschlachtete Klassiker, der längst nicht mehr auf Augenhöhe stattfindet, war geboren. In der Champions League stürmte die Mannschaft bis ins Finale, sie wirkte Wunder gegen Malaga, spielte Real Madrid an die Gelbe Wand.
Es sollte nie wieder so schön werden.
BVB: Die letzten Jahre waren schwierig
Unter Klopp feierte man Weihnachten 2014 auf einem Abstiegsplatz. Thomas Tuchel kam und ging mit dem Pokal, hinterließ aber auch verbrannte Erde. Bayern München zog davon, andere kamen nach oben. Der Bombenanschlag 2017 veränderte den gesamten Verein. Lucien Favre, Peter Bosz, Marco Rose. Kein Trainer blieb lang, Watzke wählte mit die Falschen aus. Von Edin Terzic wünscht er sich nun, dass er der Richtige ist.
Ein letzter Traum? „Einer davon ist am 27. Mai zerplatzt. Wenn wir dieses verfluchte Spiel gewonnen hätten, dann hätten wir heute andere Themen“, sagte er über die dramatisch verspielte Meisterschaft gegen Mainz. Einen Titel würde er zwar noch gerne mitnehmen, dass der BVB allerdings kontinuierlich oben mitspiele, wirtschaftlich im ruhigen Fahrwasser schwimmen, sei ihm wichtiger. Der Angriff auf die Bayern? Watzke ist realistisch. „Natürlich war Harry Kane ein genialer Transfer“, sagt er. „Auch wir hätten uns das vorstellen können, aber dafür hätten wir vorher sämtliche Bankfilialen des Ruhrgebietes ausrauben müssen.“
BVB: Watzke hat schon länger Rückzugspläne
Watzke sah sich vor fast 19 Jahren in Düsseldorf als Retter in der Not, nie als jemand, der langfristig dem Klub vorstehen wollte. Über die Weihnachtstage habe er final den Entschluss gefasst, dass es nun genug sei. Schon 2018 kamen ihm erste Gedanken in diese Richtung.
Eigentlich wollte er 2022 gehen. Dann jedoch machte ihm Corona-Pandemie einen Strich durch die Planung. Watzke stellte sich ein letztes Mal der Verantwortung. „Keiner kann sich so wirklich vorstellen, welchen Druck man vor dem Hintergrund der ganzen Verantwortung aushalten muss. Daher bin ich froh, dass es weniger wird“, sagte Watzke. Ob er noch mal einen offiziellen Posten beim BVB übernehmen wird, ließ er offen.
Bald aber ist er erst mal wieder nur Fan. „Wenn wir verlieren“, sagte Watzke in Marbella, „schimpfe ich einfach auf die Verantwortlichen: Alle blind, die haben alle keine Ahnung.“ Er lachte dabei herzhaft.