Stuttgart/Dortmund. Die verdiente 1:2-Niederlage des BVB in Stuttgart wirft Fragen auf: Stimmt gegen Top-Mannschaften der Plan nicht? Oder fehlt Qualität?

Und dann war da plötzlich ein lauter Knall in dem Gewusel, wie es nach einem Bundesligaspiel in den Katakomben eines Stadions herrscht. Christian Schulz, Busfahrer von Borussia Dortmund, hatte gemeinsam mit einem Helfer eine schwere Metallkiste in Richtung Ausgang wuchten wollen – aber dann war der Tragegriff abgerissen und die Kiste mit viel Getöse auf den Boden gefallen.

Das rundete diese Dienstreise des BVB zum VfB Stuttgart angemessen ab, auch in den 90 Minuten auf dem Fußballplatz hatten sich ja reichlich Missgeschicke ereignet. 1:2 (1:1) hatte Dortmund verloren, und das Ergebnis war fast noch das Beste aus BVB-Sicht an diesem Spiel: Auch über ein 0:5 hätte sich niemand beklagen dürfen, so eklatant unterlegen war der Tabellenvierte beim Tabellendritten.

BVB wurde überrannt und auseinanderkombiniert

Das Spiel war schnell erzählt: Von Beginn an wurde der BVB überrannt und auseinanderkombiniert, Stuttgart vergab eine Großchance nach der anderen, darunter ein Elfmeter des Ex-Dortmunders Chris Führich (11. Minute). Aus dem buchstäblichen Nichts dann die BVB-Führung durch Niklas Füllkrug, der eine Hereingabe von Julian Ryerson einschob (36.). Der Spielverlauf war dermaßen grotesk auf den Kopf gestellt, dass es auch Füllkrug selbst peinlich schien – der Stürmer bejubelte seinen Treffer nicht einmal.

Doch Stuttgart blieb deutlich besser, Deniz Undav veredelte eine von vielen schönen Kombinationen zum verdienten Ausgleich (42.). Dann wieder schwäbischer Chancenwucher – bis der eingewechselte Serhou Guirassy einen weiteren Foulelfmeter zum 2:1 verwandelte (83.). Kobel hatte Silas zu Fall gebracht. Dortmunder Aufbäumen? Fehlanzeige.

BVB-Profis enttäuschen durchweg, Trainer Terzic schimpft

Entsprechend bedient war Trainer Edin Terzic: „Es war eine verdiente Niederlage gegen einen sehr starken Gegner und für uns wieder einmal sehr enttäuschend“, schimpfte der BVB-Trainer, der erkennbar Mühe hatte, seine Emotionen im Zaum zu halten. Er wolle seine Mannschaft „hier jetzt nicht zerschreddern“, sagte der 41-Jährige, obwohl man ihm anmerkte, dass er genau das am liebsten getan hätte. Denn viele Spieler seien „auch nicht annähernd an ihr Leistungsniveau“ gekommen. Einzig Torhüter Gregor Kobel erreichte Bundesligaformat, er verhinderte lange mit starken Paraden den Rückstand, verschuldete aber auch zwei Elfmeter. Salih Özcan und Julian Ryerson nahm Terzic noch wegen ihres kämpferischen Einsatzes von der Generalkritik aus – mehr war nicht.

Julian Brandt und Karim Adeyemi? Ohne eine nennenswerte Offensivaktion. Mittelstürmer Füllkrug? Bis auf seinen Treffer komplett vom Nachschub abgeschnitten. Das Mittelfeld mit den Zugängen Marcel Sabitzer und Felix Nmecha? Offensiv ohne Ideen und defensiv ohne Zugriff. Die Abwehrreihe mit den Nationalspielern Mats Hummels (früh mit Rückenproblemen ausgewechselt), Nico Schlotterbeck und Niklas Süle? Konfus und bemerkenswert schlecht abgestimmt.

Zweites Spiel gegen eine Top-Mannschaft, zweite Lehrstunde

So gab es im zweiten Spiel gegen eine Bundesliga-Spitzenmannschaft die zweite Lehrstunde – wie vor Wochenfrist beim 0:4 gegen den FC Bayern. Der Auftritt im Schwabenland war tatsächlich noch schlechter, noch hilfloser, noch alarmierender. „Man merkt einfach, dass wir gegen viele gute Mannschaften teilweise unsere Grenzen aufgezeigt bekommen“, haderte Füllkrug.

Ein alarmierender Befund für eine Mannschaft, die doch mindestens die Nummer zwei in Deutschland sein will und den großen Traum träumt, endlich einmal wieder eine Meisterschaft nach Dortmund zu holen. Den Traum aber müssen sie vorerst wieder begraben beim BVB. „So dürfen wir nicht auftreten“, meinte Sportdirektor Sebastian Kehl. „Und wenn uns das häufiger passiert, brauchen wir über Ziele nicht mehr reden.“

BVB ist gegen Spitzenmannschaften überfordert

Dabei ist es nun ja schon häufiger passiert, gegen Stuttgart, gegen Bayern und auch beim 0:2 gegen Paris Saint-Germain. In allen drei Spielen war Dortmund spielerisch, kämpferisch und taktisch unterlegen, war eklatant überfordert. Das wirft unangenehme Fragen auf beim BVB: Ist gegen Topteams der eigene Plan nicht gut genug, um die vorhandene Qualität auf den Platz zu bringen? Dann würden sich die Fragen an Trainer Terzic richten – etwa die, warum der VfB ein beeindruckendes Pressing und strukturiertes Kurzpassspiel aufziehen konnte, der BVB aber nicht. Oder ist die Qualität im Kader gar nicht mehr groß genug, um den eigenen Ansprüchen zu genügen? Dann stünde die gesamte sportliche Leitung in der Haftung.

Die kaputte Metallkiste übrigens hatte Christian Schulz am Samstagnachmittag doch recht schnell in den Bus bekommen. Der fußballerische Totalschaden vom Samstag dürfte weniger leicht zu reparieren sein.