Dortmund. . Niclas Füllkrug trifft mit dem BVB auf seinen ehemaligen Verein Bremen. Sein Weg nach oben steckt voller Dramen. Thomas Schaaf erinnert sich.

Die kleine Lücke, der Mut zum Makel, fällt natürlich sofort auf, gerade in Zeiten, in denen Fußballprofis in der Kabine Bleaching-Wettbewerbe durchführen könnten. Im oberen Gebiss von Niclas Füllkrug fehlt ein Zahn, das sieht man, wenn der gebürtige Hannoveraner lacht – und er lacht gerne, oft etwas schelmisch, wenn er Fragen mit einem gewissen Trotz provokant beantwortet.

In Füllkrugs Jugend wurde einmal Platz für ein Implantat im Gebiss geschaffen, darauf dann aber verzichtet. Marko Arnautovic, ein begnadeter Fußballer mit einem komplizierten Charakter, hat ihn deswegen in der gemeinsamen Bremer Zeit „Lücke“ getauft. Ein Spitzname, der geblieben ist. Auch bei Borussia Dortmund, hier spielt der Angreifer seit dem vergangenen Sommer. An diesem Freitag trifft er auf seinen Ex-Klub Werder Bremen (20.30 Uhr/DAZN).

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Niclas Füllkrug beim BVB - erst mit 30 ganz oben

Auffällig ist nicht nur die Zahnstellung, sondern genauso der holprige Weg nach oben. Erst im Alter von 30 Jahren hat es Füllkrug zu einem Champions-League-Klub geschafft, erst im vergangenen Winter bei der Weltmeisterschaft in Katar wurde er für die deutsche Nationalmannschaft nominiert. Neun Tore in elf Länderspielen später gilt er als „Lücke der Nation“ und soll Deutschland bei der Heim-Europameisterschaft 2024 zu einem Sommermärchen verhelfen.

Es gibt viele Bilder, auf denen der 1,89 Meter große Fußballer verzweifelt am Boden liegt. Drei Knorpelschäden im Knie und ein Kreuzbandriss brachten seine Karriere ins Wanken, aufgehört hat er nicht. Wie ist ihm das gelungen?

Eine Spurensuche.

Sie beginnt bei Thomas Schaaf, 62, der Trainer, unter dem Werder Bremen Anfang des neuen Jahrtausends in der Bundesliga begeisterte. Einige Jahre später, Anfang 2012, klopfte dann ein gewisser Niclas Füllkrug, bis dahin Jugendspieler, vor dem Rückrundenstart bei den Profis an. „Wenn so ein Talent hochkommt, dann sieht man seine Fähigkeiten. Aber dann ist immer die Frage, wie schnell schafft er es auch, sich so einzubringen, dass er einen Schritt weiterkommt“, berichtet Schaaf dieser Redaktion.

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Der aufgehende Stern Niclas Füllkrug blieb erst mal hängen

Elfmal wurde Füllkrug in der Rückrunde eingesetzt, einmal traf er per Weitschuss beim 1:1 gegen Augsburg. Die Aufnahmen von damals zeigen, wie der junge Angreifer die Arme hochreißt, dabei fast umkippt, und natürlich blitzt sie dabei auf, seine Zahnlücke. Ein Stern schien damals aufzugehen, doch der Stern blieb erst mal hängen.

Fokussiert: Niclas Füllkrug beim Training der deutschen Nationalmannschaft.
Fokussiert: Niclas Füllkrug beim Training der deutschen Nationalmannschaft. © firo

Ein Jahr später zog sich Füllkrug seinen ersten Knorpelschaden zu, fiel 158 Tage aus. Weitere Dramen folgten, der Stürmer wechselte nach Nürnberg, nach Hannover, kehrte schließlich 2019 an die Weser zurück. Und blieb ein Versprechen, dass er vielleicht noch einmal richtig durchstarten würde können.

Niclas sei geprägt durch seine Fokussierung, sagt Schaaf. „Er ist ehrgeizig. Er will das Tor machen. Er ist ein gradliniger Spieler. Er macht nicht so viele Umwege.“

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Manchmal wirkt Füllkrug deswegen im Kabinett der Dortmunder Feingeister ein wenig aus der Zeit gefallen, erinnert an die Neuner vergangener Tage. Wenn er ganz vorne wie ein Flutlichtmast steht, ihm mal ein technischer Fehler unterläuft, er aber dann, wenn alles nichts mehr hilft, den Ball einfach über die gegnerische Torlinie knallt.

„Er ist auf dem Platz so geradeaus, wie er als Mensch ist“, meint Schaaf. In Interviews schaut Füllkrug sein Gegenüber gerne herausfordernd an, bemerkt, wenn er eine Frage falsch findet, widerspricht, kritisiert. Diese offenen Worte mögen die Fans. Man müsse trotzdem immer berücksichtigen, dass nicht jeder damit umgehen könne, erklärt Thomas Schaaf. „Es ist immer die Frage, ob ich jemanden verletze, wenn ich etwas rausknalle.“

Freunde, die auch mal heftig streiten: Niclas Füllkrug (links) und Marvin Ducksch.
Freunde, die auch mal heftig streiten: Niclas Füllkrug (links) und Marvin Ducksch. © firo

Niclas Füllkrug sorgte schon für Ärger in der Kabine

Füllkrug ist in Bremen schon einmal mit seinem damaligen Sturmpartner Marvin Ducksch aneinandergeraten, drohte ihm sogar, ihm „eine Schelle“ zu verpassen. Genauso kam es mit Bremens Lizenzbereichsleiter Clemens Fritz fast zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Gut möglich, dass bald auch die Wände in der Dortmunder Kabine wackeln.

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Beim Vizemeister hat Niclas Füllkrug einen Vertrag bis 2026, er verdient um die sechs Millionen Euro und hat vorerst seine Sturmkonkurrenten Sebastien Haller und Youssoufa Moukoko, der gegen Bremen aufgrund einer Zerrung fehlt, verdrängt. Das Dortmunder Spiel mit den vielen Offensivaktionen komme dem bulligen Neuner entgegen, sagt Schaaf. „Er fühlt sich im Sechzehnmeterraum wohl. Er weiß, sich dort durchzusetzen.“

Der ehemalige Trainer übernahm Werder Bremen nach seinem Abschied 2013 acht Jahre später noch einmal. Im letzten Bundesligaspiel sollte die Legende den Abstieg verhindern, doch sein Herzensverein verlor 2:4 gegen Borussia Mönchengladbach. Schaaf ließ Niclas Füllkrug damals beim Anpfiff auf der Bank. „Er war zuvor verletzt, hatte damals keinen Rhythmus.“

Niclas Füllkrug köpfte sich zur Nationalmannschaft und zum BVB

Bremen weinte, Füllkrug aber blieb, kämpfte sich wie so oft aus einem Tief heraus, stieg mit dem Klub wieder auf, köpfte sich zur Nationalmannschaft und zum BVB. Wegbegleiter berichten davon, wie er nach Trainingseinheiten zusätzlich an seinem Abschluss gearbeitet habe, wie er mit der Hilfe einer App immer mehr Liegestütze gemacht habe. „Er ist sich immer treu geblieben“, meint Schaaf. „Er hat immer versucht, den nächsten Schritt zu gehen.“ In Dortmund ist Füllkrug nun oben angekommen.