Gelsenkirchen. Vor gut zwei Monaten musste Karel Geraerts seinen Trainerposten bei Schalke 04 räumen. Jetzt spricht er über die Zeit bei den Knappen.
Es war zuletzt ruhig um Karel Geraerts. Zwei Monate sind vergangen, seit der belgische Trainer den FC Schalke 04 verlassen musste. Seine Freistellung verarbeitete der 42-Jährige beim Familienurlaub in Marokko und in Vietnam. Nun äußerte Geraerts sich erstmals öffentlich zu seiner knapp einjährigen Amtszeit beim Fußball-Zweitligisten und traf Aussagen, die sich durchaus als Nachtreten interpretieren lassen.
„Ich habe in einem Jahr bei Schalke mehr erlebt als in meiner gesamten Karriere“, sagte Geraerts der belgischen Zeitung Het Laatste Nieuws. Auf Schalke gebe es viele Tendenzen. „Jeder hat seine eigene Agenda und macht sein eigenes Ding.“
Geraerts beklagt Indiskretionen auf Schalke
Indiskretionen seien an der Tagesordnung gewesen, berichtet Geraerts. „Irgendwann hatte ich ein Gespräch mit jemandem aus dem Kader. Das Gespräch war beendet, unsere Wege trennten sich und nicht einmal eine Viertelstunde später stand der gesamte Inhalt online.“
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Vorwürfe richtet Geraerts vor allem an Kaderplaner Ben Manga, der im Sommer nach Gelsenkirchen kam. Geraerts betrachtet die Phase nach der Einstellung von Marc Wilmots als Sportdirektor Anfang des Jahres als seine „beste Zeit“ auf Schalke. Anders als von Geraerts dargestellt, gewann S04 aber nicht acht von zwölf Spielen, sondern startete vor allem auswärts schlecht (1:4 in Kaiserslautern, 0:3 in Magdeburg).
Harte Kritik an Kaderplaner Ben Manga
Dass Differenzen zwischen Manga und Geraerts bestehen, zeigte sich einige Wochen vor dem Aus des Trainers. In einer Medienrunde kurz nach dem Saisonbeginn ließ der Manager aufhorchen, als er Geraerts‘ Personalentscheidungen öffentlich anzweifelte.
Konkret ging es um die Rolle der jungen Neuzugänge Martin Wasinski und Felipe Sanchez. Manga hatte die beiden Verteidiger im Sommer verpflichtet, Geraerts gab ihnen nach Auffassung von Manga nicht genügend Einsatzzeiten. Mangas Aussagen schlugen in der Sportwelt hohe Wellen - Geraerts bezeichnete es nun gar als „Bombe. Nach diesem Interview stand der Laden in Flammen und ich wusste von nichts.“
Konflikte mit Baumgartl, Drexler und Ouwejan
Für ständige Nebengeräusche während Geraerts‘ Zeit im Ruhrgebiet sorgten zudem die Suspendierungen von Timo Baumgartl und Dominick Drexler. Beide durften seit dem Frühjahr nicht mehr mit der Profimannschaft trainieren. „Baumgartl hatte für mich einen sehr schlechten Einfluss auf die Gruppe“, erklärte Geraerts rückblickend. „Ich war lange genug in den Umkleidekabinen, um zu wissen, wann jemand negative Stimmung verbreitet.“ Baumgartl selbst reagierte auf Anfrage dieser Zeitung mit einem Lächeln auf die Vorwürfe. An Lügen würde er sich nicht beteiligen und von Nachtreten nichts halten, sagte der Abwehrspieler, der im Januar in die USA wechselt. Die Trennung von Schalke sei sauber gelaufen.
Bei Drexler hieß es, dass der Wurf eines Schokoladen-Shakes in der Kabine nach dem 1:1 bei Hannover 96 in der vergangenen Rückrunde zum Rauswurf geführt habe. Laut Geraerts sei es aber „nicht nur diese Schokoladenmilch“ gewesen. Weiter ins Detail ging der frühere Mittelfeldspieler nicht. Dass Geraerts in seiner Anfangszeit auf Schalke auch Thomas Ouwejan zwischenzeitlich suspendierte, sei hingegen ein Fehler gewesen, räumte er nun ein.
Inzwischen ist Geraerts wieder bereit für eine neue Aufgabe. Zuletzt war er beim belgischen Erstligisten OH Leuven im Gespräch. Sein Vertrag bei S04 läuft noch bis zum Ende dieser Saison. Nach vier Punkten aus den ersten sechs Spielen der Saison musste Geraerts gemeinsam mit Sportdirektor Wilmots gehen.
Geraerts sicher: Rauswurf war „ungerechtfertigt“
Ausschlaggebend war letztlich die 3:5-Heimniederlage gegen Darmstadt 98, bei der Schalke eine 3:0-Führung verspielte. Nach diesem Spiel, das Geraerts im Interview mit Het Laatste Nieuws als das „verrückteste Match“ seines Lebens bezeichnete, sei ihm bereits klar gewesen, dass er im Verein keine Zukunft mehr habe. Dafür sei der Druck nach dem Manga-Interview zu hoch gewesen.
Der Ablauf seiner Freistellung sei ziemlich unschön gewesen, so Geraerts, der die Entscheidung der Verantwortlichen ohnehin als „ungerechtfertigt“ ansieht. Nach der soliden Rückrunde startete Schalke zwar schwach in die neue Saison. Dennoch habe er das Gefühl gehabt, Schalke stabilisieren zu können. „Trotz fehlender Mittel waren alle Werkzeuge dafür vorhanden. Das Team wuchs zusammen, aber nicht jeder im Verein zog am selben Strang. Für einen Trainer und einen Verein ist es dann unmöglich, erfolgreich zu sein.“
Geraerts‘ Vertrag bei S04 läuft bis Juni 2025 – anders als Ex-Torwart Ralf Fährmann muss Geraerts für das Interview wohl keine Abmahnung befürchten.