Gelsenkirchen/Deventer. Wie tickt der neue Schalke-Trainer Kees van Wonderen? Sein langjähriger Co-Trainer Paul Simonis stellt ihn vor und spricht über Taktik, Training und gemeinsame Erfolge.
Einige Tage bevor Kees van Wonderen am Sonntag auf Schalke unterschrieben hat, sprach er mit seinem langjährigen Weggefährten Paul Simonis über die Königsblauen. Und schon da war der 55 Jahre alte Niederländer perfekt auf die Gelsenkirchener vorbereitet. „Er hatte schon die Spiele analysiert und eine Präsentation für den Vorstand vorbereitet“, erzählt Simons.
Vier Jahre war der 39 Jahre alte Simonis zuletzt Co-Trainer von Kees van Wonderen – bei den Go Ahead Eagles in Deventer und auch beim SC Heerenveen. Inzwischen ist er selbst Chefcoach bei den Go Ahead Eagles in der Eredivisie. Im WAZ-Interview erzählt er von der gemeinsamen Zeit mit dem neuen Schalke-Trainer, von seiner Spielidee und seiner Taktik. Simonis erklärt zudem was, van Wonderen als Menschen so besonders macht.
Sie waren vier Jahre Co-Trainer von Kees van Wonderen. Was darf Schalke 04 von ihm erwarten?
Paul Simonis: Als Trainer ist Kees sehr leidenschaftlich und ein absoluter Profi, er achtet auch auf die kleinsten Details, ist nie schlampig. Er arbeitet wirklich 24/7. Selbst wenn wir abends Auswärtsspiele hatten, hat er sich noch in der Nacht selbst um die Analyse gekümmert und Clips zusammengeschnitten, sodass er am nächsten Morgen eine Präsentation halten konnte. Besonders macht ihn, dass er einen extrem guten Blick auf den kompletten Verein hat.
Inwiefern?
Simonis: Ob medizinische Abteilung, Sportdirektor oder sonstige Mitarbeiter – Kees versucht, wirklich jeden mitzunehmen, hat stets ein offenes Ohr und will über alles informiert werden. Ich habe immer gesagt: Kees ist wie ein Adler, der über den Klub fliegt, um alles im Blick zu haben. (lacht)
Schalke-Trainer Kees van Woderen: Sabile Defensive als Fundament
Was ist van Wonderen in der täglichen Arbeit besonders wichtig?
Simonis: Eine professionelle Arbeitseinstellung. Wenn man sich die Profi-Karriere von Kees anschaut, wird man merken: Er war nie der talentierteste Spieler, war relativ klein und schmal für einen Innenverteidiger, wurde auch erst im Alter von 22 Jahren Profi. Trotzdem war er acht Jahre lang ein wichtiger Spieler bei Feyenoord und hat den Uefa-Cup gewonnen. Geschafft hat er es nur, weil er eine grandiose Arbeitseinstellung hat. Genau das erwartet er auch von seinen Spielern, seine Standards sind sehr hoch.
Für welchen Fußball steht Kees van Wonderen?
Simonis: Das Fundament seines Spiels ist eine stabile Defensivordnung. Kompaktheit ist ihm sehr wichtig – mit elf Spielern verteidigen und mit elf Spielern angreifen ist sein Credo. Er will eine Einheit auf dem Platz sehen. Generell ist er eher ein Fan von kurzem Aufbau, er mag es das Mittelfeld zu überladen – mit Außenverteidigern oder Flügelstürmern, die nach innen ziehen. Im Mittelpunkt steht bei ihm aber kein strenges taktisches Korsett, sondern der Spieler.
Können Sie das erklären?
Simonis: Die Spieler selbst stehen auf dem Rasen und sie müssen Entscheidungen treffen. Kees‘ Ansatz ist es, ihnen diesen Raum für Entscheidungen zu lassen. Er gibt Spielern Freiheiten auf dem Feld. Nehmen wir Offensivspieler als Beispiel: Natürlich gibt es taktische Leitplanken, an die sich alle halten müssen, doch wichtig ist es, dass Spieler selbst entscheiden, ob sie ins Dribbling gehen oder hinten herumspielen. Sie müssen frei und kreativ agieren. Es ist Spielintelligenz gefragt.
Paul Simonis über Schalke-Trainer Kees van Wonderen: „Er ist mein Mentor“
Bei den Go Ahead Eagles und in Heerenveen hat er seine Mannschaften meist im 4-3-3-System aufgestellt.
Simonis: Richtig, aber es kommt immer auf die vorhandenen Spieler an. Es macht doch keinen Sinn, stur an einer Formation festzuhalten, wenn sie nicht zu den eigenen Spielern oder zum Gegner passt. Bei Heerenveen haben wir zum Beispiel im ersten Halbjahr mit Fünferkette gespielt, dann eineinhalb Jahre mit Viererkette. In Deventer waren wir auch sehr flexibel. Ich erinnere mich noch gut an unseren 2:1-Sieg gegen Ajax im Jahr 2022, damals haben wir erstmals mit Fünferkette gespielt. Wir hatten das kleinste Budget der Liga, Ajax eine Mannschaft voller Top-Stars. Aber wir hatten einen guten Matchplan, gute Pressing-Momente und das nötige Glück – der Sieg war eine kleine Sensation.
Auch der Klassenerhalt mit dem Aufsteiger war damals eine Überraschung.
Simonis: Allein der Aufstieg war eine große Sache. Wir gehörten nicht zum Favoritenkreis, unser Budget lag im Mittelfeld der Liga, trotzdem haben wir es in die Eredivisie geschafft. Im Folgejahr haben wir dann mit dem kleinsten Budget der Liga locker die Klasse gehalten – fast ohne erstligaerfahrene Spieler. Das war zu großen Teilen der Verdienst von Kees. Danach die zwei Jahre in Heerenveen waren schwieriger – es hat nie so richtig gepasst zwischen ihm und dem Verein. Deshalb hat Kees nicht verlängert.
Sie sind seit Saisonbeginn Cheftrainer bei den Go Ahead Eagles und gut in die Eredivisie-Saison gestartet. Was haben Sie von Kees van Wonderen gelernt?
Simonis: Viel! Kees ist mein Mentor. Es ist mein erstes Jahr als Cheftrainer in der Eredivisie. Noch ist das alles für mich ein großes Abenteuer, wie eine Achterbahnfahrt. In meinen ersten Wochen habe ich Kees fast jeden Tag angerufen und mich mit ihm ausgetauscht. Er nimmt sich immer viel Zeit, hat mir wertvolle Ratschläge gegeben.
„Ab sofort bin ich Schalke-Fan“
Wie tickt Kees van Wonderen menschlich?
Simonis: Ganz ehrlich: Kees ist einer der tollsten Menschen, die ich kenne. In den vier Jahren, die wir in Heerenveen und Deventer zusammengearbeitet haben, sind wir gute Freunde geworden. Ich bin vor kurzem Vater geworden und meine Frau und ich sind umgezogen – es war sehr stressig. Und selbst in dieser Phase war Kees für uns da. In den vergangenen Monaten war er der Babysitter für unsere Tochter. Obwohl er eine tolle Karriere als Spieler hingelegt hat, Nationalspieler war, ist er komplett am Boden geblieben und sich nicht zu schade, zu helfen. Ein toller Typ.
Die Wege von Ihnen und Kees van Wonderen trennen sich durch den Schalke-Job. Wären Sie ihm gern nach Deutschland gefolgt?
Simonis: (lacht) Ich bin wirklich sehr glücklich bei den Go Ahead Eagles, bin stolz, Cheftrainer in der Eredivisie zu sein und freue mich, dass der Saisonstart geglückt ist. Es war nie eine Option, aber natürlich habe ich zuletzt auch gedacht: Ich hätte jetzt auch Co-Trainer auf Schalke sein können. Schalke ist ein anderes Level – die Geschichte, das Stadion. Es ist ein Top-Klub in Deutschland, auch in der 2. Bundesliga.
Hat er Sie schon zu einem Spiel in die Arena eingeladen?
Simonis: Ich werde ihn auf jeden Fall besuchen, das ist fest eingeplant. Ab sofort bin ich Schalke-Fan, werde den Klub intensiv verfolgen. Ich habe sogar schon Push-Nachrichten für Schalke-Spiele in der Flashscore-App eingestellt. (lacht) Ich drücke Schalke und Kees die Daumen und bin sicher, dass er als Trainer länger durchhält als seine Vorgänger. Vielleicht kann er sie ja wieder in die Bundesliga führen…
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