Leverkusen. Vor dem Pokalduell gegen den 1. FC Köln richtet sich die Aufmerksamkeit auf Leverkusens Victor Boniface und seinen geplatzten Winterwechsel.

Erstaunlich verhalten jubelte Victor Boniface, als er am Sonntagabend eigentlich einen Moment der Befreiung hätte zelebrieren können. Erstmals seit seiner im November erlittenen Oberschenkelverletzung durfte er wieder in einem Pflichtspiel für Bayer Leverkusen antreten und auch die Unsicherheit über den angedachten Winterwechsel nach Saudi-Arabien war aus der Welt. Obwohl der andere Torjäger Patrik Schick zuletzt brillant in Form war, wurde er von Xabi Alonso für die Startelf nominiert. Und gleich nach einer Viertelstunde gelang ihm beim am Ende mit 3:1 gewonnenen Spiel gegen Hoffenheim das 1:0; es war ein Comeback, das kaum gelungener hätte ausfallen können. Doch Boniface empfand seinen Treffer offenbar nicht als Wendepunkt zum Guten.

Es war gut sichtbar, dass es arbeitet in dem 24 Jahre alten Nigerianer, der am Mittwochabend mit der Werkself im Viertelfinale des DFB-Pokals auf den 1. FC Köln trifft, dass er erfüllt war von verschiedenen Emotionen. „Die Situation in den letzten Wochen war ein bisschen unangenehm“, erklärte Xabi Alonso später, die Empathie dieses Trainers mit seinen Spielern gehört zu den weniger beachteten Erfolgsfaktoren bei Bayer 04. Alonso hatte Boniface nicht aufgrund irgendwelcher sportlicher Überlegungen aufgestellt, sondern damit der Torjäger „sich wieder wichtig fühlt“. Es sei „gut für den Kopf, wieder das Leben des Stadions und der Fans zu fühlen“, sagte der Spanier.

Victor Boniface und Bayer-Trainer Xabi Alonso.
Victor Boniface und Bayer-Trainer Xabi Alonso. © Getty Images | Christof Koepsel

Bayer Leverkusen: das stärkste Sturmduo der Liga

So macht ein schlauer Trainer einen aufgewühlten und vielleicht auch etwas verunsicherten Spieler stark. Mit dem während der gesamten Vorsaison irgendwie gehemmten Patrik Schick hat Alonso ja gerade etwas Ähnliches hinbekommen, der Tscheche hat zuletzt in zehn Bundesligapartien sagenhafte 14 Tore geschossen. Boniface kommt auf sieben Bundesligatreffer in elf Partien. Was Effizienz betrifft, hat Bayer Leverkusen derzeit das stärkste Sturmduo der Liga. Wobei unklar ist, welche Rolle Boniface in den kommenden Wochen spielen wird.

Denn er muss nicht nur die Leistungsexplosion des Kollegen und den Verlust des Status‘ als Torjäger Nummer Eins verkraften. Vor allem gilt es, das Hin und Her der vergangenen Wochen zu verarbeiten, das mit Träumen zu tun hatte und sehr grundlegende Lebensplanungsfragen berührt. Öffentlich gesprochen hat Victor Boniface noch nicht, nachdem er in der Winterpause den Entschluss gefasst hatte, nach Saudi-Arabien zu wechseln. Er hatte sich schon innerlich aus Leverkusen verabschiedet, um sich im Januar dem Klub Al-Nassr anzuschließen. Wohl weniger, weil er dort gemeinsam mit Cristiano Ronaldo hätte spielen können, sondern wegen des Geldes, was „vollkommen legitim“ sei, wie Torhüter Lukas Hracecky sagte. Doch der saudische Klub entschied sich im letzten Moment für die Verpflichtung von Jhon Duran von Aston Villa.

Victor Boniface: viele Verletzungen bremsten ihn aus

Mancher Traditionalist mag Boniface für seine Bereitschaft verachten, in die Saudi-Pro-League zu wechseln, bei Bayer Leverkusen hingegen haben sie nicht nur Verständnis, sondern auch viel Mitgefühl. Zwar darf der Angreifer „bei einer der besten Mannschaften in Europa“ bleiben, sagte Hradecky, aber auf die Frage, ob der Kollege unter dem Scheitern des Vorhabens gelitten habe, erwiderte der Finne: „ökonomisch teilweise ja“. Denn „es ging um großes Geld, er hatte schon viele Verletzungen und noch nicht so viel Geld verdient in seiner Karriere“.

In den Ohren von Normalverdienern mag das seltsam klingen, aber Boniface hat bisher bei F.K. Bodø/Glimt in Norwegen gespielt und dann beim belgischen Klub Union Saint Gilloise, wo keine Millionengehälter gezahlt werden. Bereits zwei Mal ist ihm ein Kreuzband gerissen. Als er sich vor eineinhalb Jahren Bayer Leverkusen anschloss, wurde er auch nicht zum Topverdiener, im Kreis seiner Kollegen gehört er mutmaßlich zu den weniger Reichen. Zwar muss niemand Boniface für seine aktuelle ökonomische Situation bemitleiden, aber ausgesorgt hat er wahrscheinlich nicht, zumal gerade afrikanische Spieler oftmals ganze Familienclans mitfinanzieren müssen.

Patrik Schick (links) setzt sich nicht nur gegen Hoffenheims Hennes Behrens durch. Auch intern ist der Leverkusener Stürmer aktuell kaum zu stoppen.
Patrik Schick (links) setzt sich nicht nur gegen Hoffenheims Hennes Behrens durch. Auch intern ist der Leverkusener Stürmer aktuell kaum zu stoppen. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Boniface gegen Schick: Interner Kampf um die Startelf

Die 15 Millionen Euro netto, die Boniface offenbar pro Jahr auf der Arabischen Halbinsel verdienen sollte, hätten seine Lebenssituation und seinen Blick in die Zukunft grundlegend verändert. Nun muss er sich der Konkurrenz zu Patrik Schick stellen, der während der verletzungsbedingten Abwesenheit von Boniface den nächsten Entwicklungsschritt machen konnte. Laut „Opta“ trifft Schick alle 59 Minuten, in den fünf großen europäischen Ligen ist kein anderer Spieler mit mehr als zehn Saisontreffern effizienter. Wichtig sei der Stürmer aber nicht nur aufgrund seiner Treffer, sondern auch „wegen seiner Defensivarbeit“, sagt Alonso. „Die Intensität der Stürmer, gut zu pressen, ist sehr wichtig für unsere Stabilität. Er weiß, wie wichtig es ist, auch diesen positiven Einfluss auf unser Defensivspiel zu haben.“ Boniface wird es nicht leicht haben und vielleicht nicht mehr so häufig spielen, aber wer weiß das schon. Klar ist jedoch: Der 1. FC Köln wird es mit dem besten Mittelstürmerduo der Liga zu tun bekommen.