London. Tennis-Star Novak Djokovic verpflichtet mit Andy Murray seinen ehemaligen Rivalen und Weggefährten als neuen Trainer.
Der offizielle Wimbledon-Kanal im Internet brachte den erstaunlichen Coup kurz und knapp auf den Punkt: „Hände hoch, wer das hat kommen sehen.“ Mit Sicherheit niemand, und einer ganz besonders wird sich ins Fäustchen gelacht haben über die von ihm ausgelöste Sensation des Tennisjahres, die ganz zum Schluß der Wettkämpfe und Turniere kam – Novak Djokovic (37) nämlich. Mit ein paar warmen Worten hatte der Grand Slam-Rekordchampion gerade Matador Rafael Nadal zu seiner auslaufenden Karriere beglückwünscht, mancher dachte, dass auch Djokovic sich nun allmählich aus der Tretmühle der Tour verabschieden würde, schließlich geht der Belgrader auch auf die Vierzig zu.
Doch dann platzte am Samstag die Nachricht herein: Die Tatsache, dass Djokovic seinen ewigen Rivalen, Weggefährten und Tennis-Seelenverwandten Andy Murray (37) als neuen Coach verpflichten könnte und würde, war auf keiner Rechnung und zugleich eine Kampfansage an die Konkurrenz. „Ich werde richtig Vollgas geben in der Saisonvorbereitung – mit Andy“, erklärte der 24-malige Majorsieger, „ich dachte eigentlich, unsere lange gemeinsame Geschichte wäre zu Ende. Nun aber gibt es ein letztes Kapitel.“ Erst einmal bis zu den Australian Open ist die Allianz datiert, dürfte sich auch danach auf ein Zusammenwirken bei den Saisonhighlights konzentrieren.
Bei den Olympischen Spielen im Sommer in Paris hatten sich die Wege von Djokovic und Murray zum letzten Mal gekreuzt und eigentlich auch getrennt. Murray trat, verletzungsgeplagt, noch einmal im Doppel an, kam allerdings nicht in Reichweite einer Medaille. Ganz anders Djokovic: In einer schwierigen Saison mit zahlreichen Enttäuschungen erfüllte er sich seinen letzten wichtigen Karrieretraum, holte Gold im Duell mit Spaniens Himmelsstürmer Carlos Alcaraz. Zuletzt war es ruhig geworden um ihn, nach den US Open hatte er im Wanderzirkus nur noch einen Auftritt in Schanghai.
Novak Djokovic und Andy Murray: viele Gemeinsamkeiten
Mit kaum einem anderen Kollegen verbinden Djokovic so lange und ähnliche Lebenslinien im Tennis wie mit Murray. Beide wurden innerhalb einer Woche im Mai 1987 geboren, schon 2001 standen sie sich zum ersten Mal als Junioren bei einem Turnier (Die kleinen Asse) gegenüber. Djokovic gewann 6:0 und 6:1. Denkwürdige Spiele im großen Tennis folgten, Djokovic schlug Murray allein in vier Australian Open-Finals. Aber der schottische Braveheart hatte in der defizitären 11:25-Bilanz auch seine magischen Momente, als er den Djoker 2012 auf dem Weg zum eigenen Londoner Olympia-Gold im Halbfinale schlug. Noch größer der Triumph dann 2013: Da beendete Murray die 77-jährige britannische Titeldürre in Wimbledon gegen Finalrivale Djokovic. „Er war immer einer meiner härtesten Gegner, einer der schlauesten Taktiker. Es ist wunderbar, ihn an meiner Seite zu haben“, sagt Djokovic.
Mastermind Murray hatte einst selbst eine Ära der neuen Supercoaches eingeleitet, als er sensationell Ivan Lendl in sein Camp holte. Viele Asse zogen damals nach: Roger Federer reiste mit Stefan Edberg um die Welt, Goran Ivanisevic heuerte bei Marin Cilic an. Und Djokovic verpflichtete selbst einen gewissen Boris Becker als Chefanweiser, erlebte eine Titel-Renaissance. Mit Murray hat Djokovic jetzt schon den dritten ehemaligen Wimbledon-Champion engagiert, neben Becker war ja auch schon Ivanisevic in seinen Diensten.
Bevor er sich in seinen kurzen Ruhestand verabschiedet hatte, war Murray Anfang August einmal mehr als Meister des trockenen Humors in Erscheinung getreten. „Tennis habe ich sowieso nie gemocht“, ließ der Schotte seine Fans in den Sozialen Medien wissen, der Post wurde 46 Millionen mal gesehen. Nun kam die schelmische Replik des neuen Arbeitgebers Djokovic in Richtung Murray: „Du hast den Ruhestand nie gemocht.“