Frankfurt. Bundestrainer Christian Wück fehlen die Verteidigerinnen. Bei seinem Debüt am Freitag in Wembley gegen England wird wohl improvisiert.
Es war gar nicht so leicht, das Liedgut von Helene Fischer zu übertönen. Mehrfach hob Christian Wück die Stimme, um seine Anweisungen beim öffentlichen Training der deutschen Fußballerinnen im Stadion am Bretanobad anzubringen, weil die Lautsprecherboxen direkt am Platzrand standen. Am Tag danach auf dem DFB-Campus hängte der Frauen-Bundestrainer gleich noch mal eine halbe Stunde dran. Da hat einer offenbar großen Spaß am neuen Job. Weniger Vergnügen bereitet dem 51-Jährigen vor seinem Einstand gegen England in London (Freitag 20.30 Uhr/ARD) das Abwehrproblem: „Das ist unsere größte Herausforderung.“
Der Umbruch in der Defensive ist deutlich größer als in der Offensive. Vorne fällt zwar Alexandra Popp weg, die gegen Australien in Duisburg (Montag 18.10 Uhr/ZDF) ihr Abschiedsspiel bestreitet, hinten aber reichte Marina Hegering ihren Rücktritt ein, riss sich Bibiane Schulze Solano das Kreuzband, verlangte Kathrin Hendrich nach einer Pause. „Wir müssen ein bisschen was intern verschieben“, sagte Wück und deutete an, dass er wie beim VfL Wolfsburg Janina Minge in der Innenverteidigung spielen lassen könnte. „Das ist für uns auch eine Option.“
50.000 Tickets bereits verkauft
Für die Neuauflage des EM-Finals von 2022 braucht es aber auch Erfahrung. Englands Verband teilte mit, dass bereits mehr als 50.000 Tickets verkauft sind. Jenes in der Verlängerung verlorene Endspiel vor vollem Haus in Wembley hat Sara Doorsoun als „unfassbares Erlebnis“ abgespeichert. Die bereits bei fünf großen Turnieren – WM, EM und Olympia – erprobte 32-Jährige kann nur den Rat geben, auf dem heiligen Rasen „alles aufzusaugen, nicht nervös zu sein“.
Nicht nur wegen ihrer Routine müsste die konstante Verteidigerin von Eintracht Frankfurt gesetzt sein. Aber Ansprüche stellt die gebürtige Kölnerin keine. „Ich habe gelernt, bei mir selbst zu bleiben. Meine Rolle verändert sich nicht.“ Sie bringt so schnell nichts aus der Ruhe – und sie ist noch immer eine der Schnellsten. Aus ihrer Sicht wird alles aber ein bisschen Zeit brauchen: „Es wird in beiden Spielen nicht alles funktionieren. Wir wollen Automatismen entwickeln, aber das wird nicht gleich gehen.“
Kleinherne unter Wück zurück im DFB-Kader
Im Verein versteht sie sich blind mit Sophia Kleinherne, die vor fünf Jahren in einem Freundschaftsspiel gegen England ebenfalls Wembley ein fehlerfreies Debüt als Linksverteidigerin hinlegte, es aber danach nie zur Stammspielerin schaffte. In der Zeit unter Horst Hrubesch verlor sie ganz den Anschluss. Nun hat Wück die 24-Jährige wieder berufen, die stolz erzählte: „Ich genieße es gerade, wieder zu der Spielerin zu reifen, die es sich verdient hat, nominiert zu werden. Ich will den Lehrgang nutzen, um zu zeigen, dass ich hier richtig bin.“
Kleinherne hätte natürlich nichts dagegen, sich mit Doorsoun zur Wück-Premiere zu beweisen: „Sara und ich verstehen uns auf und neben dem Platz einfach gut. Wir profitieren im Verein sehr voneinander – sowohl sie von mir als auch ich von ihr.“ Doch reicht das für internationales Top-Niveau?
Bayern-Verteidigerin Viggosdottir auf Top-Niveau
Beste Abwehrspielerin der Bundesliga ist fraglos die Isländerin Glodis Viggosdottir: Die Kapitänin vom FC Bayern verkörpert auf dieser Position ein Niveau, an das früher die neue Co-Trainerin Saskia Bartusiak an ihren besten Tagen heranreichte. Was Wück ein bisschen erschreckte hat: Im Nachwuchsbereich drängt sich niemand wirklich auf. „Der große Unterschied zwischen den Junioren und den Juniorinnen ist: Die Quantität der Talente ist bei den Männern größer.“
Er erhofft sich von der neu gegründeten U 23, die Lücke vielleicht in einem Jahr schließen zu können. Bei der deutschen U20, die im WM-Viertelfinale gegen die USA so unglücklich scheiterte, bildeten Jella Veit (Eintracht Frankfurt) und Vanessa Diehm (TSG Hoffenheim) den Abwehrblock. Beide müssen sich indes erstmal Stammplätze in ihren Klubs erobern, bevor sie Kandidaten für Wück werden.ENDE