Essen. Beim Finale der European League of Football zwischen Rhein Fire und Vienna Vikings geht es auch um den Stellenwert des American Football.
In den Sozialen Medien, mittlerweile ja größter Gradmesser für die wirklich wichtigen Fragen des Lebens, waren viele US-Amerikaner vor zwei Jahren schwer überrascht. Die Profi-Liga NFL hatte mal wieder ein Ligaspiel nach Deutschland, genauer gesagt nach München vergeben – und die Zuschauer feierten in der Allianz Arena eine gigantische Party. Die Stimmung beim Spiel der Tampa Bay Buccaneers gegen die Seattle Seahawks beeindruckte. Auch jenseits des Teichs.
Die NFL als Happening
Immer wieder wird nach solchen Events ein American-Football-Boom in Deutschland ausgerufen. Die NFL als Fernsehsportart, als Happening funktioniert. Der Super Bowl als eines der weltweit größten Einzelsportereignisse zieht magnetisch an. Das schauen sich dann auch in der Nacht Millionen Menschen in Deutschland an. Zur Vermarktung gehört natürlich dazu, alles sensationell zu finden, einen Trend zu auszurufen.
Und im Land selber? Da wird am Wochenende in Gelsenkirchen das Finale der European League of Football (ELF) gespielt: vor vermutlich 45.000 Zuschauern. Boomt der American Football also auch als Sport in Deutschland?
Überschaubarer Zuschauscherschnitt in der ELF
Ein paar Zahlen. Im Schnitt haben sich in dieser Saison – das Finale nicht mit eingerechnet – in der ELF, in der 17 Teams aus neun Ländern spielen, rund 3990 Zuschauer im Schnitt. Bei einem Stadionsport wohlgemerkt. Im Fernsehen haben sich das - wieder im Schnitt - rund 90.000 Menschen angeschaut. Auch das klingt eher überschaubar.
Die einfache Interpretation der Zahlen wäre, dass American Football in Deutschland nicht funktioniert, die Menschen eher auf Tradition, auf klassischen Vereinssport setzen. Laut Statistischem Bundesamt gibt es rund 73.000 aktive American Football-Spieler und – zum Vergleich über 700.000 aktive Handballer und Handballerinnen Deutschland. In Sportarten jenseits des Fußballs bilden diejenigen, die den Sport selbst betreiben, die Basis für einen guten Zuschauerschnitt.
Ein Blick auf die Zahlen sagt aber eben auch, dass die Zahl der Mitglieder im American Football Verband sich seit 2010 in etw verdoppelt haben, während die Mitgliederzahlen bei den traditionellen Ballsportarten jenseits des Fußballs eher stagnieren oder rückläufig sind.
Rhein Fire zieht Zuschauer an
Die durchschnittlichen Besucherzahlen bei Spielen der ELF wiederum geben nicht wieder, dass die Zahlen in Deutschland deutlich höher liegen. Die Spiele vom Düsseldorfer Finalisten Rhein Fire haben sich im Schnitt knapp 11.000 Menschen angeschaut. Auch in Hamburg, Köln und Frankfurt waren die Zuschauerzahlen überdurchschnittlich. „Wir haben in dieser Saison den Weg in die großen Stadien gewagt und das war ein richtiger Weg, wir schaffen dadurch mehr Aufmerksamkeit - sei es in Hamburg, sei es Stuttgart, in Sinsheim, seien es die Vikings in der Generali-Arena“, sagt Zeljko Karajica, CEO der EFL.
Sportwissenschaftler Anton Behrens, der über die Internationalisierung des Sports forscht, sagte bereits 2023 zur Vereinsbindung: „Es sind nicht mehr die Lebensumstände, dass sich die jungen Menschen an einen Klub binden, je nach Lebensphase können das fünf, sechs oder sieben Klubs werden.“ Das mache die wurzellosen Franchises, wie die Unternehmen genannt werden, die Spieler beschäftigen und Mannschaften an Standorten mit guten Marktchancen organisieren. Fremdsprachenkenntnisse oder die Sozialen Medien seien Faktoren, die die Hinneigung zu Sportarten, den Medienkonsum in diesem Zusammenhang verändere.
Ist es nun ein Trend oder ein Hype, der bald wieder vorbei ist? Vorhersagen sind ja oft mit dem Risiko der Ungewissheit belastet. Klar ist, dass die European League of Football bereits drei Mitglieder wieder verloren hat – und eines aktuell in Schwierigkeiten steckt. Auch die NFL hatte nach mehreren Anläufen und Umstrukturierungen den Ableger NFL Europe Anfang des Jahrtausends nach kurzer Zeit sang- und klanglos wieder eingestellt.
Realistische Ziele
Patrick Esume, deutsches American-Football-Urgestein, Erfinder und Commissioner der ELF bemüht sich daher um Realismus: „Wir sind erst dreieinhalb Jahre alt. Natürlich wären wir gerne drei Schritte weiter, aber man muss auch sehen, woher wir kommen.“ In der NFL hätten sie neun unterschiedliche Länder mit sehr unterschiedlichen Leistungsniveaus. Auch sei die NFL kein Maßstab, deren Erfolg aber, der helfe weiter. „Das gibt Abstrahleffekte. Dass unser Wachstum nicht überall gleich linear vonstattengeht, war uns klar.“
Noch wird die Liga semiprofessionell betrieben, jedes Team darf nur eine sehr beschränkte Zahl von Profis beschäftigen, das Gros der Spieler sind Amateure, die lediglich eine Aufwandsentschädigung erhalten. Auch sportlich besteht also noch Aufholbedarf. Den sieht auch Esume: „Wir müssen in jede Franchise Leute reinpacken, die in Lage sind, ein Spiel nicht nur vor 3000, sondern 30000 zu organisieren. Da müssen uns schnell entwickeln.“ Aber auch das muss erstmal finanziert werden.
American Football in Deutschland, kein Hype also, sondern doch ein Trend? Das ist wohl auch eine Frage der Länge des Atems.