Saint-Quentin-en-Yvelines. Ihre Mission war Gold – das Ergebnis ist Bronze. Dabei fuhr das deutsche Bahnrad-Trio Grabosch, Hinze, Friedrich Weltrekord.
Doch nicht schon wieder. Als bereits zum vierten Mal an diesem Abend „Weltrekord“ auf dem Anzeigenwürfel im Vélodrome aufleuchtete, die Musik lauter wurde und auf die vollbrachte Leistung aufmerksam machte, da ließ Pauline Grabosch den Kopf senken. Ihre Hände, die auf dem Lenker ihres Trainingsrads inmitten des renovierten Holzovals von Saint-Quentin-en-Yvelines gestützt waren, fingen das Kinn auf. Die Enttäuschung war der 26-Jährigen anzusehen, genauso wie Emma Hinze (26) und Lea Sophie Friedrich (24), die weiter vorne auf zwei Rädern die Trittfrequent herunterschraubten. Das Trio war angetreten, um bei den Olympischen Spielen in Paris Gold zu holen – es wurde am Ende Bronze, und alle drei deutschen Bahnradfahrerinnen waren am Ende berechtigt stolz darauf.
Olympia 2024: Fünf Weltrekorde im Vélodrome
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Die Leichtathletik hat den 100-Meter-Lauf, das Schwimmen das 100-Meter-Kraulen, in den Ballsportarten sind Weltstars en masse in Paris am Start – gut möglich, dass die Olympischen Spiele an diesem Montagabend aber bereits ihr größtes Spektakel erlebt haben. Eine wilde Weltrekordjagd. Ein Auf und Ab der Emotionen. Eine großartige Leistung nach der anderen. Die Premiere bei Olympia mit drei statt bisher zwei Fahrerinnen pro Team.
Erst Ende Juni hatte das chinesische Trio Yufang Guo, Shanju Bao und Liying Yuan die schnellste jemals gefahrene Zeit auf 45,478 Sekunden gestellt, zuvor hatten Grabosch, Hinze und Friedrich die Bestmarke inne. Am Ende dieses denkwürdigen Wettbewerbs sind die Britinnen Sophie Capewell, Emma Finucane und Katy Marchant das Maß aller Räder: Mit 45,338 Sekunden hatten sie sich gegen Kanada für das Gold-Rennen qualifiziert, in dem sie dem Überraschungs-Team aus Neuseeland mit Ellesse Andrews, Shaane Fulton und Rebecca Petch die Grenzen aufzeigten und in 45,186 Sekunden noch einmal alles toppten. Drei Rennen, drei Weltrekorde – unglaublich.
Paris 2024: Weltrekord reicht am Ende zu Platz drei
Zu diesem Zeitpunkt waren Pauline Grabosch, Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich gerade von ihren Hightech-Rädern abgestiegen. Unter den verspiegelten Brillen auf ihren aerodynamischen Helmen waren nach dem Rennen und Bronze zunächst keine Regungen ersichtlich. 45,400 Sekunden genügten, um die Niederlande in Schach zu halten. „Wir wollten so schnell fahren wie noch nie, das haben wir geschafft. Dann waren noch zwei schneller“, erklärte Bundestrainer Jan van Eijden. Bei der Siegerehrung war die erste Enttäuschung aber schon wieder verflogen. Nach einer innigen Umarmung sagte Grabosch: „Wir können sehr stolz auf unsere Performance sein. Eine Medaille um den Hals zu haben, entspricht unseren Erwartungen.“ Und Emma Hinzu betonte, „wir haben die beste Zeit hingelegt, die wir jemals zusammengefahren sind.“
Hinze hatte in den Tagen vor dem Teamsprint noch betont, dass sie eine Rechnung zu begleichen habe. Vor drei Jahren ging sie in Tokio mit Lea Sophie Friedrich als Favoritinnen ins Rennen, sie wollten und sollten den ersten Olympiasieg in dieser Disziplin seit Kristina Vogel und Miriam Welte 2012 in London einfahren. Heraus kam Silber hinter den noch rasanteren Chinesinnen. Gegen die und andere Trios galt es nun Revanche zu nehmen. Das Trio, seit 2020 Serien-Weltmeisterinnen, hat sich weiterentwickelt, das Training erweitert, auf die mentale Gesundheit geachtet. Dass sich die Mission Gold in Paris nicht zu einem Selbstläufer entwickeln würde, ahnte Lea Sophie Friedrich bereits vorher: „Das Niveau ist auf jeden Fall größer geworden. Wir fahren so nah beieinander, die Abstände sind nur ein Augenzwinkern“, sagte Friedrich. Emma Hinze war sich sicher: „Hier muss man fast jedes Mal Weltrekord fahren, um wieder vorne zu liegen.“
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Wie richtig sie damit lag. Die starken Britinnen setzten gleich mal ein Zeichen: Bei 45,472 Sekunden blieb die Uhr stehen. Grabosch, Hinze und Friedrich zeigten sich davon unberührt, schlossen die Qualifikation mit einer Zeit von 45,644 Sekunden als Dritte ab. Dass China diesmal nicht richtig in Tritt kam, zeichnete sich früh und erst recht beim Aus in der nächsten Runde an. Hier hagelte es die Weltrekorde. In der Entwicklung: 45,377 Sekunden für Deutschland, 45,348 Sekunden für Neuseeland, 45,338 Sekunden für Großbritannien, am Ende noch der Final-Weltrekord der Britinnen.
„Wir haben alles gegeben. Jeder von uns ist Bestzeit auf seiner Position gefahren“, sagte Lea Sophie Friedrich und ging mit einem guten Gefühl in die Einzelrennen. Vor allem Emma Hinze zählt am 8. August (Finale Keirin) und am 10. August (Finale Sprint) zu den Favoritinnen.