Essen/Paris. ARD-Kommentator Carsten Sostmeier ist ein heimlicher Star des Reitsports. Ab und an aber vergaloppiert er sich. Eine TV-Kritik.
Alle vier Jahre öffnen sich dem TV-Zuschauer Welten, die ihm für den Rest des Jahres verborgen bleiben, es treten Menschen ins Rampenlicht, die man sonst eher weniger wahrnimmt. Man sieht Dreispringer, Badmintonspieler, Sportschützen, Dressurreiter. Und man hört Carsten Sostmeier. Der 64-Jährige kommentiert seit 1991 Reitsport für die ARD, Paris sind seine achten Olympischen Spiele, man kann ihm mit Fug und Recht als Kommentatorenlegende bezeichnen. Er ist längst ein gar nicht einmal so heimlicher Star des Reitsports, weil niemand sonst Springreiten und Dressur auch nur annähernd so kommentiert, wie er es tut.
Weil seine Stimme und Sprachmelodie einmalig sind. Weil er mehr von seinem Sport versteht als viele, viele andere und weil er diesen Sport nicht einfach mit Fakten unterfüttert, nicht einfach dem Zuschauer erklärt, sondern weil er dichtet, mit seinen Sätzen Bilder malt. Beispiele gefällig? „Reit’, du hast ihn vor dir, den Arc de Triomphe der goldenen Emotionen. Holt euch die Krone der Reiterei!“ Oder: „Es wirkt so tänzerisch leicht wie das Lichtspiel einer Kerze, welches sich in einer sanften Brise elegant hin- und herbewegt – so das Erscheinungsbild, das Antlitz dieser zauberhaften Stute.“
Sostmeier wird gefeiert für derlei Sätze, er ist ein Sprachkünstler, hat Fernseh- und Grimmepreise gewonnen. Zunehmend allerdings beschleicht den Zuschauer das Gefühl, dass Sostmeier sehr genau weiß, dass ihn die Menschen ziemlich gut finden und dass er deswegen immer weiter überdreht mit seinen Sprachpirouetten, dass ihm bisweilen die Pferde durchgehen: „Das war eine hippologische Fontäne, wo ein jeder Wassertropfen auf der Gänsehaut eines Betrachters wie eine Perle hinuntergleitet“, juchzt er, als Isabell Werth ihren Ritt beendet hat. Solche Sprüche, hat er mal gesagt, legt er sich nicht zurecht.
Carsten Sostmeier sorgte auch schon für Eklats im TV
Er hat sich auch schon regelrecht vergaloppiert, als er sich 2016 despektierlich bis sexistisch über eine deutsche Vielseitigkeitsreiterin äußerte, sodass sich die ARD zu einer Entschuldigung genötigt sah. Und noch schlimmer, als er die deutsche Vielseitigkeitséquipe mal derart ungerecht behandelt sah, dass er am Mikrofon fabulierte: „Seit 2008 wird zurückgeritten“, was unangenehm auffällig einem berühmten Satz Adolf Hitlers ähnelte.
Da wird klar, dass Sostmeier nicht nur Journalist, sondern auch Fan durch und durch ist. Als Vielseitigkeitsreiter Michael Jung zu Gold fliegt, überschlägt sich die Stimme vor Begeisterung, als Jessica von Bredow-Werndl und Werth in der Dressur Gold und Silber holen, bricht die Stimme, so überwältigt ist der Reporter: „Bella, Bella, Isabell Werth“, bringt er noch hervor, dann muss er seinen Ton erst einmal abschalten.
Seine Sprüche legt sich Reit-Kommentator Carsten Sostmeier nicht zurecht
Seine Sprüche, hat Sostmeier mal gesagt, legt er sich nicht zurecht und den Dressursport will er dem TV-Zuschauer so vermitteln, als säße er auf dem Sofa neben ihm und würde sich mit ihm unterhalten. Interessante Vorstellung, wie wohl die Reaktion auf dem durchschnittlichen deutschen Sofa ausfällt, wenn da plötzlich einer von hippologischen Fontänen spricht oder eine Stute auch mal als Grande Dame bezeichnet.
Man kann Sostmeier mögen oder auch nicht, man kann ihn verstehen oder nicht, aber man kann sicher sein, dass andere Sportarten auch sehr, sehr gerne einen Kult-Kommentator wie Sostmeier hätten – denn mit seiner ungewöhnlichen Art des Kommentierens sorgt er für reichlich Aufmerksamkeit.