Paris. Michelle Kroppen und Florian Unruh setzen die Tradition der Bogenschützen fort. Ihr zweiter Platz ist die dritte Olympiamedaille in Folge.

Die Flaggen über den Tribünen am Invalidendom wehten spielerisch im Wind. Die Brise fächelte den Zuschauern etwas Luft zu an diesem heißen Tag. Für die Bogenschützen brachte der Wind jedoch einige Schwierigkeiten mit sich. Den Flug der Pfeile zu koordinieren, ist dann weniger vorhersehbar.

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Mit den Bedingungen aber konnten sich Michelle Kroppen und Florian Unruh bestens arrangieren. Sie ließen sich von zwischenzeitlichen Problemen nicht aufhalten und jubelten schließlich über Silber. „Das ist sehr, sehr schön, mehr kann ich gar nicht sagen“, so Unruh. Gegen die Favoriten aus Südkorea unterlagen die beiden Berliner im Mixed im Finale nach drei Sätzen 0:6.

Erstmals deutsches Mixed-Duo mit Olympiamedaille

Eine große Rolle schien das nicht zu spielen, mit Tränen in den Augen schluchzte Kroppen, als ihr die Medaille umgehängt wurde. „Für mich war es sehr emotional. Hier zu sein, ist schon mega. Aber dann wirklich da oben zu stehen, da ist man sprachlos und lässt seinen Gefühlen freien Lauf“, erzählte Kroppen.

Erstmals gewann ein deutsches Duo eine Medaille im Mixed-Wettbewerb. Damit erweist sich die Bogenabteilung des Deutschen Schützenbundes (DSB) mittlerweile als sehr verlässlich für die deutsche Bilanz. Bei den dritten Olympischen Spielen in Folge kann der DSB dort etwas beitragen nach Silber 2016 und Bronze 2021. „Das ist einfach großartig“, sagte Bundestrainer Oliver Haidn.

Unruh eifert seiner Frau nach, die schon zwei Medaillen hat

Für Unruh ist es nicht weniger als die Fortsetzung einer Familientradition. Die Frau des 31-Jährigen, Lisa, hatte in Rio mit ihrer Einzelmedaille für Aufsehen gesorgt. In Tokio belegte sie gemeinsam mit Kroppen im Team der Frauen Platz drei. „Es ist ein glücklicher Zufall, dass ich eine Frau habe, die zwei Medaillen hat. Sie wird sich fast wie über ihre eigene gefreut haben“, sagte Unruh, dessen Frau in Berlin ist und direkt nach dem Sieg per Videoanruf mit ihm sprach.

Die Erwartungen der Bogenschützen waren hoch in Paris. Bei der WM im Vorjahr in Berlin hatten das Frauen-Team als Weltmeister und das Mixed-Duo als Zweiter bereits große Auftritte. Dennoch lief der Start nun nicht nach Plan. Das Frauen-Team schied schon im Viertelfinale gegen Mexiko aus.

„So eine Randsportart wie uns hier zu platzieren, ist natürlich was ganz Besonderes. Es ist schön zu sehen, dass es einen gewissen Stellenwert hat.“

Michelle Kroppen
Silbermedaillen-Gewinnerin

Als Problem stellte sich dabei der Wind heraus, der immer wieder durch die temporär errichtete und an allen Seiten offene Anlage hindurchzieht. „Deshalb ist es wichtig, dass man schnell in die Matches reinfindet“, so Haidn. Wer den Wind gut liest, hat bessere Chancen.

Kroppen hakte das frühe Ausscheiden schnell für sich ab. „Ich habe viele Gespräche mit meinem Mentaltrainer geführt“, erzählte sie. Innere Ruhe ist wichtig bei diesem Sport, bei dem die Ergebnisse so sehr von der Konzentration abhängen. Der mentale Stress ist enorm, bevor der Pfeil sich auf die 70 Meter lange Reise zum Ziel macht.

Tränen der Freude nach dem Finale bei Michelle Kroppen (r.), Florian Unruh und Bundestrainer Oliver Haidn (M.) sind gelassen.
Tränen der Freude nach dem Finale bei Michelle Kroppen (r.), Florian Unruh und Bundestrainer Oliver Haidn (M.) sind gelassen. © DPA Images | Sina Schuldt

Grund für Beschwerden sah Kroppen nicht angesichts des Windes. „Wir sind hier an einem super bekannten Ort von Paris. So eine Randsportart wie uns hier zu platzieren, ist natürlich was ganz Besonderes. Es ist schön zu sehen, dass es einen gewissen Stellenwert hat“, sagt die 28-Jährige über die malerische Kulisse zwischen Invalidendom und Pont Alexandre III.

Sie zeigte im Viertelfinale mit vier Treffern der Zehn bei sechs Schüssen große Konstanz, die Vize-Weltmeister bezwangen Mexiko nach drei Sätzen 5:1. Im Halbfinale trafen Kroppen und Unruh auf die USA, Kroppen hatte dort einige Schwierigkeiten mit dem Wind. Doch Unruh zeigte starke Nerven und traf sechs Mal ins Zentrum bei seinen acht Versuchen. In vier Sätzen schlugen sie die Amerikaner 5:3.

Südkorea nutzt die Fehler der Berliner gnadenlos aus

Gegen die Südkoreaner, die die Bogen-Wettbewerbe traditionell dominieren, hatten beide nichts zu verlieren. Kroppen und Unruh gingen entspannt in das Finale, strahlten schon bei der Vorstellung. Sie fanden dann nicht in ihren Rhythmus bei schwieriger werdenden Bedingungen. „Die Koreaner haben unsere Fehler leider genutzt, da war es schnell vorbei. Aber wichtiger war, dass wir die Matches davor gewonnen haben“, so Unruh.

Für das Team geht der Kampf um die Medaillen nun einzeln weiter. Die Frauen sind am Sonnabend an der Reihe, Kroppen trifft im Achtelfinale zunächst auf die Inderin Deepika Kumari. Am Sonntag bestreiten die Männer den Abschluss der Bogenwettkämpfe. Unruh war als Dritter der Qualifikation stark unterwegs, hat es im Achtelfinale mit dem Briten Tom Hall zu tun. Kroppen will versuchen, „das Positive mitzunehmen“. Unruh geht mit viel Vertrauen in den Wettkampf: „Ich habe den Wind oft sehr gut gelesen, das hilft mir, weil ich weiß, was ich tue.“