Herzogenaurach. Macht der 34-Jährige ausgerechnet gegen seine Wahlheimat sein letztes Länderspiel? Drei spanische Reporter schreiben über den DFB-Star.

Am Montag ging eine Ära zu Ende. Der Abschied von Toni Kroos bei Real Madrid liegt zwar schon ein paar Wochen zurück, doch seit dem 1. Juli ist der deutsche Nationalspieler nun auch offiziell kein Spieler des spanischen Rekordmeisters mehr. Am Freitag könnte nun auch eine zweite Ära enden: Die des Nationalspielers Toni Kroos. Das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien (18 Uhr/ARD und Magenta TV) wäre das letzte Spiel in der Karriere des 34-Jährigen, sollte die DFB-Auswahl in Stuttgart verlieren. Und das ausgerechnet gegen seine Wahlheimat Spanien. Oder sorgt Kroos dafür, dass er im Halbfinale noch einmal in seiner alten Heimat München um den Einzug ins EM-Finale spielt?

Es sind viele Gedanken, die derzeit im Kopf von Kroos kreisen. „Ich würde lügen, wenn es mich nicht beschäftigt“, sagte Kroos schon vor dem Achtelfinale gegen Dänemark über das möglicherweise letzte Spiel seiner Karriere. Klar ist ist schon jetzt: Kroos wird auch nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn in Spanien leben. Seit zehn Jahren wohnt der Weltmeister von 2014 am Rande von Madrid. Lange Zeit lebte er dort Hecke an Hecke mit seinem ehemaligen Mitspieler Cristiano Ronaldo. Kroos spricht fließend Spanisch, er liebt das Land. Wie aber denken die Spanier über ihn? Diese Redaktion hat mit drei spanischen Reportern gesprochen, die Kroos zehn Jahre lang in Madrid beobachtet haben.

José Carlos Menzel López, „AS“-Korrespondent:

„Ich hätte beinahe selbst mit Toni Kroos zusammengespielt. Als er in die U19 bei Bayern München kam, bin ich gerade nach Unterhaching gewechselt. Als Reporter für die „As“ habe ich Kroos dann viele Jahre beobachtet. Der Toni, den ich selbst noch in München interviewt habe, hat nichts mehr zu tun mit dem Kroos von heute. Früher war er sehr schüchtern, heute ist er ein Leader. Der Schritt zu Real Madrid hat ihn zu dem Menschen und Spieler gemacht, der er heute ist. Bei Bayern hatte er nicht den Stellenwert, den er bei Madrid bekommen hat, obwohl Pep Guardiola ihn in München unbedingt halten wollte. Ich kann mich noch gut an seine erste Pressekonferenz in Madrid erinnern. Er hat gesagt: „Ich bin der Richtige, um Titel zu gewinnen“. Kroos hat Wort gehalten.

José Carlos Menzel López schreibt für die „AS“
José Carlos Menzel López schreibt für die „AS“ © privat | privat

Das Publikum in Madrid hat gleich gesehen, dass er ein Spieler ist, der die Zukunft prägen kann. Alle haben sich gefragt, wie Bayern so einen Spieler gehen lassen konnte. Kroos hat in Spanien von Anfang an die Zuneigung der Fans und der Medien gespürt. Sein Abschied bei Real hat gezeigt, welchen Stellenwert er dort hatte. Als Deutsch-Spanier schlagen am Freitag zwei Herzen in meiner Brust. Es ist das vorweggenommene Finale. Deutschland ist mit Kroos eine bessere Mannschaft. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es sein Spiel wird. Es wird auch darum gehen, gegen den Ball zu arbeiten. Das ist nicht seine größte Stärke. Für den entscheidenden Pass kann Kroos aber wieder wichtig sein.“

17. Juli 2014: Toni Kroos bei der Präsentation als Neuzugang von Real Madrid mit Präsident Florentino Perez.
17. Juli 2014: Toni Kroos bei der Präsentation als Neuzugang von Real Madrid mit Präsident Florentino Perez. © picture alliance | firo Sportphoto/Alfaqui

David Álvarez, „El País“:

„Ich habe die Bedeutung von Toni Kroos für Real Madrid bei einem Spiel in der Corona-Zeit gegen Athletic Bilbao erkannt. Real hat im Estadio Alfredo Di Stéfano gespielt. Man konnte jedes Wort der Spieler, Trainer und Schiedsrichter hören. Bilbaos Trainer Gaizka Garitano hat Raúl García beauftragt, all seine Energie in die Manndeckung von Kroos zu stecken. Nach 13 Minuten hat García Gelb-Rot gesehen. Später übertrug er Iñaki Williams die gleiche Aufgabe. „Lass ihn nicht denken“, schrie der Trainer ihn an. Oder: „Ruhe jetzt mit Kroos!“ Wenn Williams mal verschnaufen wollte, konnte er das nur tun, wenn Toni es auch tat.

David Álvarez berichtet für „El Pais“.
David Álvarez berichtet für „El Pais“. © privat | privat

Auch die Fans haben ein bisschen Zeit gebraucht, um die Bedeutung von Kroos für das Spiel von Real zu verstehen. Dabei hat er sich in den zehn Jahren als Spieler kaum verändert. Die Fans haben sich mehr verändert als er. Am Anfang haben sie diesen eleganten Mann, der wie Roger Federer nie ins Schwitzen zu kommen scheint, nicht richtig verstanden. Mit jedem Spiel wurde ihnen mehr und mehr klar, wie wertvoll Kroos ist, obwohl er sich für sein Spiel kaum von der Stelle bewegen musste. Er hat es mit seiner Art geschafft, alle anderen Spieler beider Mannschaften zu bewegen. So haben sich die Zuschauer in Kroos verliebt. Und er hat sich in sie verliebt. Und das auf seine eigene, zurückhaltende und doch wilde Art.

Ich hoffe einerseits als Spanier, dass es das letzte Spiel von Toni Kroos sein wird (lacht). Und trotzdem hoffe ich gleichzeitig auch, dass es nicht sein letztes Spiel ist.“

Sein bislang letztes Spiel gegen Spanien: Im November 2020 verlor Toni Kroos gegen Koke und Co. mit 0:6.
Sein bislang letztes Spiel gegen Spanien: Im November 2020 verlor Toni Kroos gegen Koke und Co. mit 0:6. © picture alliance | Angel Martinez

Tomás Roncero, Real-Madrid-Reporter der „As“:

„Toni war immer ein sehr höflicher Mensch, ein Gentleman. Es war immer eine Freude, sich mit ihm zu unterhalten. Er hatte ein gutes Verständnis für die Arbeit der Medien. Ich habe wahrscheinlich hundert Artikel über ihn geschrieben und alle waren positiv. Er hat mir nur ganz wenige Chancen gegeben, etwas Negatives über ihn zu schreiben. Die Madrilenen haben ihn immer bewundert für seine Eleganz, auf und außerhalb des Platzes. Er spielt sehr intelligent, wie ein Dirigent. Sein Abschied ist mir in besonderer Erinnerung. Das war einer der besten Momente, die ich als Journalist erlebt habe. Es war perfekt. So einen Abschied hätten sich Legenden wie Raul, Sergio Ramos oder Cristiano Ronaldo sicher auch gewünscht.

Tomás Roncero berichtet für die „As“ über Real Madrid.
Tomás Roncero berichtet für die „As“ über Real Madrid. © privat | privat

Der Heimvorteil kann am Freitag entscheidend sein. Spanien hat noch nie bei einem Turnier gegen den Gastgeber gewonnen. Das ist ein Fluch. Aber das aktuelle Team macht großen Spaß mit der Flügelzange Nico Williams und Lamine Yamal. Toni Kroos kennt die Spieler aus Spanien sehr gut. Er wird dafür sorgen, dass Spanien nicht so oft den Ball hat. Mit Kroos wird es kompliziert für uns.“

Toni Kroos spielte zehn Jahre lang für Real Madrid.
Toni Kroos spielte zehn Jahre lang für Real Madrid. © picture alliance | Federico Titone