Frankfurt/Main. Der Leverkusener musste sich lange gedulden, um im DFB-Team seine Rolle zu finden. Die ersten EM-Auftritte waren gleich exzellent.

Uli Hoeneß hat mal wieder geschimpft. Ein paar Monate ist dies zwar schon her, doch hinter seinen Äußerungen dürfte er noch immer stehen. Bayern Münchens Ehrenpräsident berichtete in der Süddeutschen Zeitung davon, dass er einen Lauf-Wettbewerb bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im Fernsehen verfolgt habe. Ein deutscher Sportler sei im Finale etwa 150 Meter nach dem Sieger ins Ziel gekommen, doch der Moderator habe ihn im Anschluss für eine persönliche Bestzeit gelobt.

Man müsse, so Hoeneß, nicht immer vorne landen, „aber man braucht sich ja auch nicht riesig darüber zu freuen, wenn man unter ferner liefen mehr als 100 Meter hinter dem Sieger ins Ziel kommt“. Dann zog er den Vergleich zur Nationalmannschaft. „Einige scheinen heute zu schnell zufrieden zu sein und ich mache das den Spielern noch nicht mal zum Vorwurf“. In deren Umfeld werde einfach zu viel „schöngeredet“.

Ach ja, die Jugend.

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Sie sei „von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul“, dieser Satz stand schon etwa 1000 Jahre vor Christus auf einer Babylonischen Tontafel. Nach wie vor ist die Kritik an den Jungen in Mode, gerne richtet sie sich gegen die Generation der sogenannten Millenials, die in den 1990er-Jahren geboren sind.

DFB-Team: Viel wird über den Jahrgang 1995/96 gesprochen

Auch im Fußball. Hoeneß sprach in zitiertem Interview nämlich über den Jahrgang 1995/96, einen der talentiertesten des Deutschen Fußball-Bundes jemals. Vor zehn Jahren triumphierte er bei der U19-Europameisterschaft, drei Jahre später stellte er den Kern der Mannschaft beim Confed-Cup-Sieg. Dazwischen gab es Olympisches Silber in Rio de Janeiro. Die vergangenen drei Turniere mit der A-Nationalmannschaft indes wurden zur Enttäuschung.

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Jonathan Tah im zweiten EM-Gruppenspiel gegen Ungarn. © Getty Images | MATTHIAS HANGST

Die 95/96er, das sind Joshua Kimmich und Leon Goretzka, Leroy Sané und Serge Gnabry, Niklas Süle, Julian Brandt und Timo Werner. Eigentlich sollte die Heim-Europameisterschaft ihr Turnier werden. Nun allerdings sind nur Sané und Kimmich nominiert aber nicht in den erwarteten Rollen. An Offensivspieler Sané haben sich die Küken Jamal Musiala und Florian Wirtz vorbei gedribbelt. Der designierte Kapitän Kimmich hat keine Binde mehr über den Oberarm gespannt und kann der deutschen Mannschaft mehr auf der rechten Verteidiger-Seite helfen als auf seiner Paradeposition im defensiven Mittelfeld. Dass er dadurch aus der öffentlichen Wahrnehmung gerutscht sei, „tut mir vielleicht wirklich ganz gut“, sagt Kimmich.

DFB-Team: Jonathan Tah erlebt in Leverkusen die Saison seines Lebens

In der Aufzählung fehlt Jonathan Tah, der vielleicht die erstaunlichste Entwicklung von allen hingelegt hat. 28 Jahre ist er alt, hinter ihm liegt die stärkste Saison seines Lebens. Bayer Leverkusen gewann das Double, weil Florian Wirtz Knoten in die Beine seiner Gegenspieler band, weil Granit Xhaka das Mittelfeld ordnete. Und weil Tah dahinter zum Abwehrchef reifte.

„Xabi Alonso hat mich auf ein neues Level gehievt“, sagt Tah, in Hamburg-Altona mit ivorischen Wurzeln aufgewachsen, über seinen Leverkusener Trainer. „Jetzt bin ich noch unangenehmer, weil ich meinen Gegner immer im Blick habe und an ihm dran bin.“

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Leverkusens Trainer Xabi Alonso mit seinem Abwehrchef Jonathan Tah. © DPA Images | Soeren Stache

Von allen Spielern seiner Generation spielt Tah, in der U16 als bester Nachwuchsfußballer in Deutschland ausgezeichnet, nun in der DFB-Elf vermutlich die wichtigste Rolle. „Für mich ist sein Weg überragend“, meint Antonio Rüdiger von Real Madrid, Tahs Partner in der deutschen Innenverteidigung. In der Bundesliga gebe es aktuell „keinen Besseren“ als Tah, der seit einigen Jahren mit einer Psychologin zusammenarbeitet. „Wenn man sich privat oder in seiner Persönlichkeit weiterentwickelt, wirkt sich das automatisch auch auf seinen Beruf aus“, sagt Tah.

DFB-Team: Antonio Rüdiger und Jonathan Tah harmonieren gut

Der Leverkusener belegte diese These in den ersten beiden EM-Gruppenspiel, in denen er mit höchster Dynamik in Zweikämpfen glänzte und insbesondere mit blitzsauberen Pässen auftrumpfte – 98,5 Prozent erfolgreiche Zuspiele, kroosartig.

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Starkes Duo: Jonathan Tah und Antonio Rüdiger. © DPA Images | Tom Weller

Tah musste auf seine Chance in der in den vergangenen Jahren inkonstanten und wackelnden DFB-Elf lange warten. Diese EM ist erst sein zweites Turnier nach 2016. Mats Hummels und Jerome Boateng waren lange gesetzt, auch Rüdiger, Süle oder Matthias Ginter standen in der Innenverteidiger-Hierarchie vor dem mittlerweile von Bayern München umworbenen Tah. Das Duell mit der Schweiz zum Vorrunden-Abschluss an diesem Sonntag (21 Uhr/ARD) wird erst sein 28. Länderspiel sein.

Auch Julian Nagelsmann wurde bei der Suche nach den „Verteidigungsmonstern“ zunächst nicht bei Tah fündig. Weil das Comeback von Hummels scheiterte, legte sich der 36-Jährige erst in diesem Jahr auf Tah und Rüdiger fest. Bisher verbreiten beide bei diesem Turnier Angst und Schrecken bei gegnerischen Stürmern.

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