Düsseldorf. Wie wirken sich die technologischen Fortschritte auf den Sport aus? Bei einer Messe in Düsseldorf suchen Experten nach Antworten.
Und plötzlich legt die Zukunft eine Bruchlandung hin: Die Drohne, die gerade in der Düsseldorfer Fußball-Arena demonstrieren soll, welch tolle TV-Bilder sie liefern kann, fliegt zu rasant und zu tief, knallt auf den Rasen. Sie hat eben ihre Tücken, die schöne neue Technikwelt, die hier in Düsseldorf präsentiert wird, bei der Messe Sportsinnovation, die die Deutsche Fußball-Liga mit zwei Partnern veranstaltet, um einen Blick in die mögliche Zukunft des Sports, des Zuschauererlebnisses im Stadion und die TV-Übertragung zu wagen.
In die Zukunft zu schauen, das ist eben selten ohne Risiko. Wer regelmäßig auf Innovationsmessen unterwegs ist, erkennt einerseits immer wieder Dinge, die schon vor zwei, drei, fünf Jahren als die Zukunft vorgestellt wurden, aber immer noch nicht zur Gegenwart geworden sind. Und andere Themen verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind: Vor zwei Jahren flogen in Düsseldorf die Schlagwörter NFT, Blockchain, Metaverse nur so durch die Gegend. Im Jahr 2024 spricht niemand mehr darüber.
KI kann Daten in eine vernünftige Ordnung bringen
Stattdessen sind die beherrschenden Themen nun Künstliche Intelligenz (KI) und der Umgang mit den gewaltigen Datenmengen, die im Sport anfallen – und beides hat eine ganze Menge miteinander zu tun. Durch KI erst können die vielen, vielen Daten erst in eine vernünftige Ordnung gebracht und nutzbar werden. Einfaches Beispiel: Mit KI kann die DFL ihr viele tausend Stunden umfassendes Filmarchiv neu verschlagworten lassen, kann automatisiert nach Aufnahmen einzelner Spieler oder Klubs suchen, ohne dass sich ein Mensch durch die vielen Filme quälen muss.
In der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA werden längst Highlight-Videos automatisch zusammengeschnitten und auch vertont, der Computer kann aus den wenigen Tonaufnahmen eines Menschen einen akustischen Fingerabdruck der Stimme bilden und diesen Menschen dann in unterschiedlichsten Stilen und auch Sprachen sprechen lassen. Auch automatische Übersetzungen von Interviews beherrscht die Technik.
Düsseldorfer Arena ist vollgestopft mit Technik
Die Sportsinnovation ist eine gewaltige Leistungsschau von allerlei Dingen, die bereits theoretisch möglich sind oder bald möglich sein könnten. Dazu ist die Düsseldorfer Arena vollgestopft mit Technik, mit Drohnen und den unterschiedlichsten Kameras. Dazu VR-Brillen, mit denen die Ereignisse auf dem Platz durch Daten und Animationen ergänzt werden.
Auch abseits des TV-Bildes tut sich was: Der Mobilfunkanbieter Vodafone etwa nutzt seine gewaltige Menge an Verbindungsdaten, um gemeinsam mit Bundesligisten zu erkennen, mit welchem Verkehrsmittel die Fans zum Stadion kommen und wie groß demzufolge der CO2-Fußabdruck eines Fußballspiels ist. Und dann ist da jene Kamera, die im Zusammenspiel mit Software erkennt, wo der Rasen von Pilz befallen ist oder wo ihm Nährstoffe fehlen, bevor das menschliche Auge das jemals könnte.
Ex-Schalke-Trainer Baum findet neue Technik spannend
Und auch das Spiel selbst lässt sich ganz neu vermessen: Limb-tracking heißt eine Technologie, bei der jede einzelne Bewegung der Spieler erfasst und eine 3D-Nachstellung des gesamten Spiels fast in Echtzeit stattfindet. Eine nette Spielerei – oder doch ein bisschen mehr? Manuel Baum, einst Trainer des FC Schalke 04 und nun Leiter der Nachwuchsabteilung bei RB Leipzig, findet die neue Technik höchst spannend. „Alles im Fußball unterteilt sich in drei Phasen: Wahrnehmung, Entscheidung und Ausführung“, erklärt er. „Meist haben wir aber nur Daten zur ballorientierten Ausführung und damit nur einen Bruchteil von dem, was auf dem Platz passiert. Mit Limb-tracking können wir im Scouting und der Analyse von Spielern sehr viel tiefer gehen und nicht nur die Ausführung bewerten.“ Ein Trainer kann nun sehen, wie oft der eigene Spielmacher die Augen hebt und sich einen Überblick über das Spielgeschehen verschafft. Oder er kann den eigenen Abwehrspieler noch genauer darauf vorbereiten, wie sich der gegnerische Stürmer bewegt, bevor er zum Schuss ansetzt – ohne stundenlanges Videostudium.
Der Fußball wird gläserner, wird datengetriebener – und ist doch noch lange nicht so weit wie andere Sportarten, wie etwa Basketball: „Die guten Spieler sind nicht nur offen für den Umgang mit Daten, sie fordern es sogar ein“, sagt Jens Leutenecker, Co-Trainer der deutschen Basketball-Nationalmannschaft. Dass die bei der Weltmeisterschaft den großen Favoriten USA besiegte und ihm so viele Punkte einschenkte wie noch keine Mannschaft zuvor – das lag auch an dem klugen Umgang mit Zahlen: Dass Trainerteam nämlich hatte unter anderem ausgewertet, wohin Bälle, die den Korb verteilen, statistisch gesehen meist fliegen und hatte seine Spieler angewiesen, aggressiv in diese Räume zu stoßen, statt nach einem Fehlwurf zurück zum eigenen Korb zu laufen. Das Ergebnis: 25 Punkte gegen die USA kamen im zweiten Versuch zustande – und der Blick in die vielen, vielen Zahlen hatte sich bezahlt gemacht.