München. Nach dem souveränen Einzug ins Viertelfinale der Champions League stellt sich beim FC Bayern neben Erleichterung auch Angriffslust ein.
Dass es hinterher viel um Thomas Tuchels dick geschwollenen und schmerzenden Zeh ging, sprach zwar dafür, dass schon wieder etwas schiefgegangen war beim FC Bayern. Zugleich verriet die fröhliche Tonlage aber den sportlich gelungenen Verlauf des Dienstagabends, an dem die Münchner durch ein 3:0 (2:0) gegen Lazio Rom ins Viertelfinale der Champions League eingezogen waren. Vielleicht hatte dazu vor dem Anpfiff auch des Trainers Tritt gegen die Kabinentür bei seiner Motivationsrede beigetragen, bei der er sich seinen rechten großen Zeh nach eigener Einschätzung gebrochen hatte. „Das Opfer habe ich gerne gebracht“, scherzte Tuchel. Thomas Müller witzelte über die Verletzung: „Ein bisschen Schwund ist immer. Profisport ist immer auf enge Kante genäht. Nur mit Früchtetee machen wir es nicht.“
Wenn die Eindrücke nicht täuschen, hat dieses Achtelfinal-Rückspiel einen Hauch vom alten FC Bayern zurückgebracht, sportlich und atmosphärisch. Nach der konstant konzentrierten Leistung war neben viel Erleichterung und Heiterkeit auch frisches Selbstbewusstsein zu vernehmen. Wie bei Tuchel, der vor der Auslosung am 15. März sagte: „Jedes Team, das im Viertelfinale ist, will ins Finale – wir auch.“ Müller bezeichnete den Erfolg als „enorm wichtig“ für die „Strahlkraft des Vereins“, er sagte: „Wir sind und wollen weiter ein Topklub im europäischen Spitzenfußball sein. Und dafür musst du auf jeden Fall ins Viertelfinale, Richtung Halbfinale kommen.“ Zugleich dachte er an die Minimalchance auf den Bundesliga-Titel. „Wir wollen dem Fußballgott schon noch mal eine Chance geben, dass er die Klischees beibehalten kann“, sagte Müller Richtung Tabellenführer Leverkusen, räumte wegen der zehn Punkte Vorsprung der Werkself aber ein: „Es sieht aktuell nicht nach Vizekusen aus.“ Zumindest vorerst ist die erste titellose Saison seit zwölf Jahren abgewendet.
FC Bayern: Harry Kane trifft doppelt gegen Lazio
Nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel hatten die Münchner nun zwar keinen grandiosen Auftritt hingelegt, aber einen souveränen und deutlich strafferen als zuletzt. Zuvor hatte es ja drei Niederlagen in Serie gesetzt, ehe der 2:1-Last-Minute-Sieg gegen Leipzig und das 2:2 in Freiburg gefolgt waren. Nun hatte Lazio nur in der ersten Halbzeit einigermaßen dagegengehalten und war durch Ciro Immobiles Flugkopfball der Führung nahe gekommen. Doch als Harry Kane (39.) und Müller (45.+2) mit ihren Kopfbällen zum 2:0-Pausenstand trafen, war der Weg ins Viertelfinale geebnet. Kane stellte den Einzug in die Runde der letzten Acht mit seinem 33. Tor im 33. Pflichtspiel für die Bayern per Abstauber sicher (66.). „Das war eine perfekte Nacht für uns“, sagte er, „hoffentlich ist das der Wendepunkt für den Rest der Saison.“
Zu vernehmen war insgesamt ein hoffnungsvoller und ansatzweise auch wieder forscher Zungenschlag, der nach der Krisenstimmung zuletzt sowie der verkündeten vorzeitigen Trennung von Tuchel am Saisonende ein Jahr vor Ablauf des Vertrages nicht unbedingt zu erwarten war. Vorm Spiel war noch über eine sofortige Beurlaubung von Tuchel im Falle eines Ausscheidens spekuliert worden. Nun dürfte sich diese Debatte beruhigen. Herbert Hainer beantwortete die Frage, ob der Trainer garantiert bis Saisonende im Amt bleiben werde, mit „natürlich“. Und auch der Präsident scherzte: „Lieber bricht sich der Thomas Tuchel den Zeh als einer unserer Spieler.“ Sogar Rechtsverteidiger Joshua Kimmich, dessen Verhältnis zum Trainer angespannt ist, bezeichnete Tuchels Engagement ironiefrei als „herausragend“.
Eberl sieht Energie beim FC Bayern
Beim FC Bayern wissen sie aber auch, dass jetzt weder sportlich noch atmosphärisch plötzlich alles gut ist. Zumindest einen Impuls könnte diese gemeinsam überstandene Belastungsprobe aber womöglich geben und sie vielleicht sogar ein wenig zusammenschweißen. „Wir sollten das positive Gefühl auch ein Stück weit genießen“, empfahl Max Eberl und befand: „Wir sind im Moment auf dem Weg der kleinen Schritte.“ Allzu vollmundige Ankündigungen möchte der neue Sportvorstand nicht machen. Das Ziel sei, die kommenden Bundesligaspiele gegen Mainz und in Darmstadt zu gewinnen. Vorsichtig optimistisch sagte Eberl: „Das, was ich spüre, ist ein Stück weit Energie, die da entsteht.“ Müller ergänzte launig, bevor er sich verabschiedete: „Wir sind zufrieden und haben vielleicht im Bettchen ein kleines Lächeln.“ Er hatte es schon längst auf den Lippen.