Essen. Profi-Basketballerin Sonja Greinacher will zu den Spielen nach Paris – und sie könnte gleich zwei Qualifikationen schaffen.
Sonja Greinacher (31) lacht gerne. Kein Wunder, dass ihr Spitzname Sunny ist. Was sie sagt, klingt durchdacht. Auch das wundert nicht, ist sie doch in ihrem Geschäft ein alter Hase. Ihr Geschäft, ihr Beruf und ihre Leidenschaft, das sind der Basketball. Mit 16 Jahren stand sie das erste Mal in der Bundesliga auf dem Feld, verbrachte eine Zeit in den USA, sorgte dort beim College-Basketball für Aufsehen, mischte im Anschluss in den europäischen Topligen mit und wurde in der Nationalmannschaft zu einer festen Größe. Was diese Karriere krönen würde? Die Olympischen Spiele. Für die gebürtige Essenerin könnte sich der Traum erfüllen. In welcher Sportart? Klar, im Basketball. In welcher Disziplin? Das weiß sie noch nicht.
„Ich habe mein ganzes Leben 5-gegen-5 gespielt und super viele und coole Erfahrungen sammeln können“, sagt Greinacher, ergänzt aber: „Ich war an einem Punkt, an dem es alltäglich wurde und die Passion etwas verloren ging.“ Es war der Zeitpunkt als sie sich, erst als zweites Standbein, später ausschließlich, einer neuen Passion zuwandte: 3x3-Basketball, seit 2021 im olympischen Programm. 2019 spielte sie in Minsk das erste Turnier mit dem gerade erst aufgebauten Team Deutschland, das von den Bundestrainern im Vorfeld gescoutet wurde. „Beim 3x3 geht man zurück zu den Basics von Basketball. Es ist nicht so verkopft. Und die Events an sich haben auch einen besonderen Reiz“, findet Greinacher.
3x3-Basketball: Der Ursprung liegt beim Streetball
Beim 3x3-Basketball stehen pro Team drei Spieler auf dem Feld, die nur auf einen Korb spielen. Der Ursprung der verkleinerten Spielform ist der Streetball, die Spielzeit liegt bei höchstens zehn Minuten. Pro Angriff haben die Mannschaften jeweils zwölf Sekunden Zeit.
Was jedoch nicht bedeutet, dass der Wechsel ganz so einfach verlief, wie sich beim ersten Turnier zeigte: „Man denkt ja, dass das beides Basketball ist. Aber es ist schon eine andere Disziplin: Es ist viel schneller, der Ball ist anders und Kontakt zum Trainer gibt es während der Partien nicht. Man darf auch keinen Blickkontakt aufbauen - was wir ständig taten“, erzählt Greinacher vom holprigen Beginn beim ersten Spiel. Am Ende des Turniers hatte das deutsche Team einige Verwarnungen gesammelt – und den Hinweis eines Offiziellen, „dass wir zwar ein gutes Team seien, aber das Spiel noch nicht ganz verstanden hätten.“
Sonja Greinacher träumt weiter von einer Olympia-Teilnahme
Der Ehrgeiz war geweckt – und der Erfolg ließ auch nicht lange auf sich warten. Immer mit dabei: der Gedanke an Olympia. Der Gedanke, einmal dabei zu sein, einmal die Atmosphäre mitzuerleben, war es, der den 3x3-Basketball für die 31-Jährige noch attraktiver machte. „Mit dem 5-gegen-5-Team waren wir in den vergangenen Jahren zu weit von der Qualifikation entfernt, das war da kein Thema zu dem Zeitpunkt“, sagt Greinacher.
Ein weiterer Anreiz beim 3x3-Basketball: Die Reisen um die gesamte Welt. Für die Turniere sind Greinacher und ihre Mitspielerinnen viel unterwegs und reisen auch mal in 13 Tagen um die Welt: Vom Flughafen Frankfurt zum Turnier in Kanada, von dort aus weiter nach China und nach nicht einmal zwei Wochen wieder die Ankunft in Frankfurt – die Woman Series macht es möglich und nötig. Bei dieser werden Punkte gesammelt, aus denen sich die Weltrangliste bildet. Die ersten drei Teams qualifizieren sich für Olympia. Das deutsche Team verpasste diese Qualifikation als Vierter denkbar knapp. Im Mai, bei zwei Qualifikationsturnieren in Japan und Dänemark, haben sie die Chance, doch noch ein Ticket für Paris zu holen.
Nach dem Abschluss ihres Masterstudiums der Psychologie folgte für Greinacher vor zwei Jahren die komplette Fokussierung auf den Sport. Trainiert wird jeden Tag, regelmäßig auch zweimal täglich. Möglich ist das, weil die 31-Jährige bei der Bundeswehr als Spitzensportlerin angestellt ist. Um sich voll auf den 3x3-Basketball konzentrieren zu können, verlagerte Greinacher ihren Lebensmittelpunkt nach Hannover, zum Bundesstützpunkt. Mit ihrer Entscheidung, dem 3x3-Basketball den Vorrang zu geben, verabschiedete sie sich aus der Nationalmannschaft – dachte sie. Auf ihre Erfahrung wollten die Trainer aber nicht verzichten. Und so steht sie weiter zur Verfügung und feierte mit dem Team den sechsten Platz bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr – ohne wöchentliches Training im 5-gegen-5. Ein Sonderfall.
Profi-Basketballerin Greinacher denkt an ihr Karriereende
Das kommende Jahr könnte die letzte Profi-Saison der 1,88 Meter großen Flügelspielerin werden. „Es ist ein großer Teil der Identität, wenn man es so lange macht“, sagt Greinacher, die mit 16 Jahren für die New Baskets Oberhausen ihr Bundesliga-Debüt feierte: „Man hat sich viel darum aufgebaut, ist immer dahingezogen, wo Vereine und Verträge sind.“ Dass es noch mehr gibt als nur den Basketball, das wurde ihr vor allem dann bewusst, wenn sie durch Verletzungen zum Zuschauen verdammt war. Die Sprunggelenke und Knie leiden unter der jahrelangen Belastung. Eine intensivere Vor- und Nachbereitung der Trainingseinheiten und Spiele ist nötig. Gedanken an ein Karriereende kommen auf.
Noch ist der Weg nicht vorbei. Das große Ziel wartet schon im Sommer: Olympia. „Das bedeutet sehr viel. Es ist ein langer Weg, für den aktuell alles andere hintenangestellt wird.“ Denn das größte Ziel soll am Ende der Karriere noch erreicht werden. Für Sonja Greinacher könnte sich der große Traum von Olympia im kommenden Jahr erfüllen. Und der ist auch mit dem 5-gegen-5-Team nicht mehr so weit entfernt wie gedacht: Durch den überraschenden sechsten Platz bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr darf das deutsche Team am Qualifikationsturnier in Brasilien teilnehmen. „Wir sind super heiß“, sagt Greinacher.
Zwei mögliche Olympia-Qualifikationen für Sonja Greinacher. Und dann?
Doch was passiert, wenn sowohl die 5-gegen-5-Basketballerinnen als auch das 3x3-Nationalteam die Qualifikation schaffen? Für welche Mannschaft wird die Essenerin dann aufs Feld gehen? „Das kann ich so noch gar nicht beantworten, da gibt es mehrere Stimmen zu. Der Verband wird da mitentscheiden wollen und auch die Trainer wollen da eine Stimme abgeben. Da muss dann geguckt werden, wenn es so weit sein sollte“, erklärt die Basketballerin: „Ich habe mein ganzes Leben 5-gegen-5 gespielt und seit Jahren versucht, mich für ein großes Turnier zu qualifizieren. Allerdings verdiene ich meinen Lebensunterhalt auch gerade mit 3x3-Basketball. Es ist ein Luxusproblem.“ Bis die finale Entscheidung ansteht, liegt aber noch ein weiter Qualifikationsweg vor Greinacher und ihren Mitspielerinnen. Immer mit dem großen Ziel Olympia vor Augen.