Frankfurt. Die Nationalmannschaft testet in den nächsten Tagen gegen die Türkei und Österreich. Julian Nagelsmann muss die Abwehr stabilisieren.

Wie schnell sich doch die Rolle eines prominenten deutschen Sportlers ändern kann. Am Sonntag noch war Mats Hummels bloß eine Randfigur, als sich der Weltmeister beim NFL-Gastspiel im Beisein von Leon Goretzka auf den Rasen der Frankfurter Arena und später in die Katakomben begab. Die Fußballer wirkten im Schatten der Footballer beinahe verloren. Doch am Montag war der 34-Jährige dann doch wieder gefragt, als er beim Treffpunkt der deutschen Nationalmannschaft im Hotel nahe der Frankfurter Messe einige Autogramme gab. Die Nachfrage nach seinem Rücken erbrachte dieselbe Kunde, die Hummels schon zuvor über seine Sozialen Medien verbreitet hatte. „Zwei, drei Tage“ werde er brauchen, dann sollte der Körper wieder funktionieren.

Andere hätten vielleicht die Länderspiele der deutschen Fußball-Nationalspieler gegen die Türkei in Berlin (Samstag, 20.45 Uhr/RTL) und gegen Österreich in Wien (21. November/20.45 Uhr/ZDF) abgesagt, aber dem Abwehrspieler ist der Dienst für die DFB-Auswahl neuerdings wieder ganz wichtig, da ihn Julian Nagelsmann als zentrale Figur behandelt. Ohnehin hat der Bundestrainer auf den Lehrplan geschrieben: „Unsere Baustelle ist stabiles Verteidigen, das wollen wir jetzt hinkriegen.“

Nagelsmanns DFB-Kader: viel Routine, aber wenig Standfestigkeit

Sein Kader vereint bei einem Durchschnittsalter von deutlich mehr als 28 Jahren zwar viel Routine, aber fällt noch nicht durch Standfestigkeit auf – das ist eine Erkenntnis der USA-Reise. Für ein erfolgreiches Abschneiden beim EM-Heimturnier muss die Defensive besser arbeiten, findet Nagelsmann. Seine Jungs müssen ja nicht gleich so zupacken wie die kräftigen Kerle aus den NFL-Klubs, aber robusteres Abwehrverhalten kann nicht schaden. Ganz abgesehen ist der 36-Jährige ganz begeistert, wie viele Spielvarianten diese muskelbepackten Vollathleten aus einem proppevollen Playbook in petto haben.

Julian Nagelsmann (r.) spricht mit BVB-Star Mats Hummels. Der Routinier nimmt unter dem neuen Bundestrainer eine wichtige Rolle ein.
Julian Nagelsmann (r.) spricht mit BVB-Star Mats Hummels. Der Routinier nimmt unter dem neuen Bundestrainer eine wichtige Rolle ein. © DPA Images | Federico Gambarini

Ins Rampenlicht bringt dies automatisch ein Duo, das bei Borussia Dortmund gerade eine schwierige Zeit durchlebt. Niklas Süle und ebenjener Football-Fan Mats Hummels. Sie und der gar nicht für den DFB-Trip nominierte Nico Schlotterbeck wurden in der Bundesliga zuletzt vom FC Bayern und vom VfB Stuttgart hergespielt. Als etatmäßigen Innenverteidiger hat Nagelsmann noch Antonio Rüdiger (Real Madrid) nominiert.

Auf die verletzungsbedingte Absage von Felix Nmecha (Hüftprobleme) reagierte Bundestrainer Nagelsmann am Montag mit der erstmaligen Berufung von Grischa Prömel („Ein Traum geht in Erfüllung“) - beide kennen sich ja aus der gemeinsamen Zeit bei der TSG Hoffenheim. Und mit 28 hat auch dieser Debütant das optimale Nagelsmann-Alter. Zuvor hatten Robin Gosens (Union Berlin) und Malick Thiaw (AC Mailand) abgesagt, weil sich Nachwuchs ankündigt. Am Montag meldete sich auch noch Chris Führich (VfB Stuttgart) wegen eines Infekts ab.

Füllkrug und Ducksch beim DFB wieder vereint

Zu Beginn einer Länderspielmaßnahme sind Veränderungen im Kader normal – erst recht in der hochbelasteten Phase im Herbst – aber das Gerüst will Nagelsmann auf dem DFB-Campus jetzt zusammenbauen, wenn am Dienstagvormittag erstmals gemeinsam trainiert wird. Die Duelle gegen die Türkei und Österreich in einem emotionalen Rahmen sollen das Gerüst festigen. Es könne passieren, dass so mancher Akteur gar nicht eingesetzt wird, hat der Trainer angedeutet. Man habe Spieler auf die Gefahr hin eingeladen, „dass der ein oder andere ein Spiel vielleicht gar nicht machen wird“. So sehr beispielsweise Marvin Ducksch (Werder Bremen) sich über eine Nominierung und das Wiedersehen mit Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund) freut: dass die beiden „hässlichen Vögel“ gleich im Duett im DFB-Dress loslegen, ist nicht so wahrscheinlich.

Viel spannender scheint ja ohnehin die Frage, was mit Joshua Kimmich passiert. Die Dauerbaustelle rechts hinten kann zwar auch Jonathan Tah schließen – erst recht mit seinem Formhoch bei Bayer Leverkusen – aber der Allrounder vom FC Bayern wäre die spielstärkere Lösung. Kimmich hat im Dauerregen am futuristischen Wolkenkratzer-Hochhaus zwischen Festhalle und Senckenberg-Museum nichts sagen wollen. Bei wirklich gruseligem Wetter standen ja am Montag auch noch Termine an: Beim sogenannten Marketing-Tag wurden bereits die meisten Spots für den nächsten Sommer abgedreht. Dass Manuel Neuer nicht dabei war, sollte niemand fehlinterpretieren. Dafür hat ihn der DFB-Ausrüster eingespannt, am Mittwoch am Berliner Olympiastadion den EM-Spielball zu präsentieren. Der 37-Jährige hält also als Erster das Objekt der Begierde aller Torleute in seinen Händen. Ob diese Hauptrolle für die EM 2024 etwas zu besagen hat?