Philadelphia. Schon nach den ersten Einheiten kristallisiert sich eine Achse im neuen DFB-Team heraus. Dabei spielen auch zwei BVB-Profis eine Rolle.

Es ist davon auszugehen, dass die deutschen Fußball-Nationalspieler in diesen Tagen einen geruhsamen Schlaf finden. Was nicht nur daran liegt, dass sie nach Stationen in Foxborough und Hartford in Philadelphia die nächste noble Herberge gefunden haben. Seit Samstagabend residiert das Team im The Inn at Penn, einem Hotel auf dem Campus der University of Pennsylvania, um sich auf das Spiel im Financial Field gegen Mexiko vorzubereiten, das in der Nacht zu Mittwoch (2 Uhr, ARD) angepfiffen wird.

Es dürfte auch damit zusammenhängen, dass die DFB-Elf in den USA eine Woche erlebt, die „intensiv und anspruchsvoll“, ist wie Niclas Füllkrug versicherte, womit er nicht nur die Einheiten auf dem Platz meinte, sondern auch das, was „im Kopf“ passierte. Da fällt man am Abend erschöpft, aber wohl zufrieden in die Federn – besonders ob der Gewissheit, dass sich nach der ansehnlichen Premiere von Bundestrainer Julian Nagelsmann gegen die USA (3:1) die Dinge zum Besseren zu wenden scheinen.

+++ Warum das Stadion-Erlebnis in den USA auch albern sein kann +++

Wer dennoch aus welchen Gründen auch immer hadert, kann sich morgens an Füllkrug wenden. „Er ist ein sehr, sehr cooler Typ, hat immer ein Lächeln im Gesicht", sagte Nagelsmann über den Stürmer von Borussia Dortmund. Der 30-Jährige sei „wichtig für die Gruppe. Wenn du zum Frühstück kommst und ihn lächeln siehst, ist es egal, ob deine Nacht scheiße war".

Füllkrug nimmt neue Rolle im DFB-Team ein

Füllkrug gibt auch in den USA den Strahlemann, wobei der Angreifer nach dem inspirierten Auftritt in Hartford gar nicht mehr die einzige gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Einen Job, den der Sympathieträger mit der markanten Zahnlücke nach der enttäuschenden Weltmeisterschaft viele Wochen als Soloaufgabe erledigte. Die Stimmung rund um die Nationalmannschaft wird wieder besser.

BVB-Stürmer Niclas Füllkrug (r.) traf gegen die USA und bereitete ein weiteres Tor vor.
BVB-Stürmer Niclas Füllkrug (r.) traf gegen die USA und bereitete ein weiteres Tor vor. © AFP

Der Dortmunder ist eines der Gesichter des Teams, als Mittelstürmer auch die Spitze einer EM-Achse, die sich unter Nagelsmann schon nach ein paar Trainingstagen und einem Spiel herauskristallisiert.

Um im System mit den vielen Hochbegabten zu bestehen, muss Füllkrug allerdings eine neue Rolle bekleiden. Die Zeiten, in denen er als Neuner im Strafraum lauert, sind vorbei. „Es ist wichtig, dass wir einen Mittelstürmer haben, der den Ball in den Fuß gespielt haben möchte und ihn ins Mittelfeld prallen lässt", erklärte Nagelsmann, „dann können wir tiefe Pässe spielen auf unsere schnellen Flügelstürmer."

Wirtz und Musiala profitieren von Füllkrug als Mitspieler

Füllkrug, der sich oft an der Außenlinie bewegte, hatte zunächst jedoch noch seine Schwierigkeiten. „Es war viel Neues für ihn, das kannte er so nicht. Damit hatte er am Anfang im Kopf zu kämpfen", sagte sein neuer Chef, „aber er hat weitergemacht." Nach ein, zwei unpräzisen Abschlüssen im Sechzehner platzte der Knoten schließlich. Ein Tor schoss er selbst, eines bereitete er vor – und war spätestens in der zweiten Halbzeit besser ins Spiel integriert. „Ich habe schon sehr viel flexibler gespielt als sonst“, befand Füllkrug. „Man hat mich auch mal in anderen Räumen gefunden, damit wir die gegnerische Kette tief halten.“

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Von den geöffneten Räumen profitieren Florian Wirtz und Jamal Musiala als zweiter Teil von Nagelsmanns Achse. Beide sind noch jung, 20 Jahre alt, und die Hoffnungsträger des deutschen Fußballs. „Ich liebe es, mit Flo zu spielen", sagte Bayern-Profi Musiala: „Wir haben eine gute Beziehung, wir suchen uns. Mit Flo fühle ich mich immer wohl." Dass es Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick nicht geschafft hat, eine Formation zu finden, in der beide gleichzeitig ihre Stärken ausspielen können, war ein Manko der Arbeit des 58-Jährigen. Für den Neuen im Job sei es „sofort eine gute Idee“ gewesen, sowohl Musiala als auch Wirtz aufzustellen.

Beide zeichne das „extreme Talent, den Ball in die Halbräume vor die Kette zu kriegen, mit Tempo aufs Tor zu dribbeln und andere Spieler einzusetzen", lobte Nagelsmann, besonders aber der Münchener hat es ihm angetan: „Die Hoffnungen, die Deutschland in ihn setzt, sollen ihn nicht erdrücken, sondern stolz machen. Er soll sich nicht verkopfen, sondern der Straßenkicker bleiben, der er ist."

Gündogan und BVB-Verteidiger Hummels übernehmen tragende Rolle

Das Spiel zwischen den Welten, der Offensive und der Verteidigung, verbindet Ilkay Gündogan, der dritte Teil der Achse. Die hintere, der vierte, aber ist Nagelsmanns Herzstück. Genau deshalb holte er den schon aussortieren Mats Hummels zurück, den als Innenverteidiger getarnten Spielmacher von Borussia Dortmund. „Am Ende bin ich ein großer Verfechter davon, dass die Kette eine Riesenschlüssel ist, das Spiel offensiv zu entscheiden. Wenn wir das gut machen, sind wir schwer zu verteidigen“, meinte Nagelsmann und führte weiter aus: „Es geht um Räume, um Zahlenverhältnisse. Wenn man als Innenverteidiger mit 20 Metern Abstand den Ball ins Mittelfeld spielt, ändert sich erstmal nicht. Das Zahlenverhältnis bleibt das gleiche. Wenn du das aus drei Metern machst, hast du Anschluss und bist eigentlich schon in der nächsten Ebene - und schon ändert sich was auf dem Feld.“ Die Aktivität der Kette sei „ein Schlüssel, um weniger konteranfällig zu sein, aber auch um Torchancen zu initiieren“.

Dass ein Bundestrainer seinen Plan so präzise erklären kann, ist auch eine Erkenntnis der noch jungen Amtszeit von Julian Nagelsmann, der gegen Mexiko seine Achse wohl leicht anpassen wird. Dem 36-Jährigen sei es wichtig, betonte er, alle mit in die USA genommenen Profis vorspielen zu lassen. „Im November“, sagte Nagelsmann, „kann das schon anders aussehen.“