Foxborough/Massachusetts. Das DFB-Team ist während seiner USA-Reise in Foxborough zu Gast. Ein Besuch in einer Hochburg des Nationalsports Football. Eine Reportage.
Eine der Hochburgen des American Football liegt im Niemandsland. Drei Interstates, vergleichbar mit deutschen Autobahnen, führen heraus aus der Metropole Boston. Nimmt man den mittleren, die Nummer 95, wird es schnell grün, zu dieser Jahreszeit auch schon gold-rot.
Rund 40 Minuten dauert die Fahrt durch die Wälder Massachusetts, auf halber Strecke biegt man auf einen Highway ab. Irgendwann erreicht man eine Betonwüste in Foxborough. Hier, ganz weit ab vom Schuss, aber im Dunstkreis der riesigen City, steht das Gilette Stadium, wo viele Jahre Quarterback-Superstar Tom Brady im Trikot der New England Patriots Touchdowns geworfen hat. Es wird eingekreist von Parkplätzen, die so eine gewaltige Fläche umfassen, dass man auf ihr noch weitere Stadien errichten könnte. Wie, außer mit dem Auto (und die sind hierzulande groß), sollte man auch sonst hier rauskommen?
Ein Mann, der gerne über Football redet, aber noch lieber über seine bald anstehende Rente, hat am Dienstagmorgen sein Kameraequipment vor die Arena geschleppt. Er dreht Werbefilme für die Patriots. An seinen Terminen in dieser Woche fand er zunächst etwas irritierend. „Ich wusste gar nicht, dass Deutschland eine Football-Nationalmannschaft hat“, sagt er. Die gibt’s tatsächlich seit 1981, hat aber keinen Anlass gerade in die USA zu reisen. „Als die Spieler aus dem Bus ausgestiegen sind, habe ich gemerkt, dass es gar nicht um Football, sondern Fußball geht. Die Spieler sind ja viel zu klein. Wo sind ihre Offensive-Line-Men?“ Dann lacht er.
DFB in den USA - die Belastung ist hoch
Die Amerikaner und Soccer, so nennen sie ja Fußball, um die ständigen Verwechslungen mit ihrem Nationalsport American Football zu vermeiden – es bleibt eine komplizierte Annäherung. Irgendwann einmal soll sich das ändern, weshalb schon seit Jahren europäische Fußballmannschaften über den Atlantik fliegen, um ihren Sport auf dem wachsenden Markt populärer zu machen.
Am Montag landete die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Boston. Die Reise war lange geplant und ist aufgrund der Belastung mitten in der Saison höchstumstritten. Weil in Person von Julian Nagelsmann ein neuer Bundestrainer seine Premiere gibt, bekam die Tour in die Staaten mit zwei Testspielen plötzlich einen sportlichen Reiz. Aber muss das alles sein?
Ja, befand der Verband. Im Juli beschloss er eine Kooperation mit den New England Patriots. Der Werbewert der NFL-Franchise ist enorm und zumindest ein Faktor, um sich auf dem US-Markt einen Namen zu machen. Andererseits profitieren die Patriots im November von den Fußballern. Vor dem Liga-Spiel in Frankfurt gegen die Indianapolis Colts werden sie auf dem DFB-Campus trainieren.
Robin Gosens: "Es trifft, es berührt"
Die Kamera des Mannes läuft inzwischen. Raekwon McMillan, 27, ist da. Er spielt auf der Position des Linebackers bei den Patriots. 110 Kilogramm, ein Erscheinungsbild. Neben ihm steht Robin Gosens, 29, drahtiger Linksverteidiger von Union Berlin. Das ungleiche Duo soll auf dem Vorplatz des Stadions heute Pakete für Obdachlose zusammenstellen. Schwarze Wollmützen mit Patriots-Logo, Schokoriegel, Wasserflaschen. Der Winter naht, gerade in den USA ist Wohnungsnot ein großes Thema. „Ich bin sehr dankbar, dass wir ein bisschen Input bekommen haben, in welcher privilegierten Lage wir uns befinden“, sagt Gosens. „Allein schon, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, ist alles andere als selbstverständlich. Da müssen wir gar nicht so weit wegschauen. Es trifft, es berührt. Bei mir wächst die Verantwortung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“ Gosens, eloquent und bodenständig, ist der richtige Mann für solche Auftritte.
Der Emmericher läuft zurück zum Hotel. Mittagspause. Am Nachmittag wird Nagelsmann seine erste Einheit leiten. Zeit, um sich mal bei den Patriots umzuschauen.
Das Symbol New Englands, der Sammelbegriff für die sechs Staaten im Nordosten der USA, sind Leuchttürme. Unzählige stehen an der rauen Atlantikküste. Einen haben sie auch ans Stadion gebaut. Wasser ist weit und breit nicht zu sehen, wenn man oben aus dem Aufzug steigt. Dafür viele bunte Baumkronen. Bostons Skyline schimmert am Horizont.
Frank arbeitet heute hier, wie an zwei anderen Tagen in der Woche. Er war früher Postbote. Nun soll der Mann, der seit Jahrzehnten eine Dauerkarte besitzt, Touristen, die von der Leuchtturm-Spitze ins Stadion schauen wollen, unterhalten.
„Seid ihr aus Deutschland?“ Ja. „Wir haben jeden Tag Leute aus Deutschland hier.“ Klar, die Patriots sind auch bei uns eine große Nummer. „Die Seattle Seahawks auch. Und alle springen auf den Zug mit den Kansas City Chiefs auf.“ Ja, die sind gut. „Seid ihr zum Arbeiten hier? Deutsche Ingenieure? Die besten der Welt!“. Nein, Journalisten, die Nationalmannschaft ist doch hier.
Hm, keine Begeisterung.
Dafür beim Mittagessen. Die Kellnerin mag den Akzent. Sänk ju!
DFB in den USA - die Massen kommen nicht, hier spielt eben kein Messi
Zum Tagesabschluss das erste Training unter Nagelsmann. Ein paar Mitarbeiter des Profiklubs New England Revolution sind aus ihren Büros zum Trainingsplatz gelaufen. Auch ein, zwei Fans mit deutschen Wurzeln wollten mal die Nationalelf vor Ort sehen. Massen kommen nicht, hier spielt eben kein Messi.
Nach dem Training verschenken einige Patriots-Spieler und Ex-Profi Markus Kuhn personalisierte blau-weiß-rote Trikots an die deutschen Fußballer. „Ich finde es cool, mal ein wenig in diese Welt einzutauchen“, sagt Bayer Leverkusens Jonas Hofmann. Die Amerikaner hingegen kratzen noch an der Oberfläche.