Budapest. . Diskuswerferin Kristin Pudenz ist bei der WM eine der wenigen verbliebenen Medaillenkandidatinnen. Sonntag startet sie in der Qualifikation.
. Am Freitag, einen Tag bevor die 19. Leichtathletik-Weltmeisterschaft eröffnet wurde, hatte sich Kristin Pudenz schon einmal umgesehen. Noch waren die Ränge des nigelnagelneuen Stadion Nemzeti Atletikai Központ zwar leer, doch bei schwülwarmem Wetter fühlte die deutsche Diskuswerferin schonmal vor, genoss den Blick aus dem Ring ins Rund.
In Ungarns Hauptstadt will die 30-Jährige endlich ihren WM-Fluch brechen. Nach zwei elften Plätzen 2019 und 2022 soll es endlich mit einer Medaille klappen. An diesem Sonntag will sie dafür den Grundstein mit einer erfolgreichen Qualifikation legen – am Dienstag (20.20 Uhr/ZDF) steigt das Finale.
Silber bei den Olympischen Spielen
Wie man auf großer Bühne Medaillen gewinnt, weiß Kristin Pudenz: Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio holte sie Silber, ein Jahr später wurde sie in München Vizeeuropameisterin. Ihre Erfolge gerieten zuweilen etwas in den Hintergrund – überstrahlt von Gold-Gewinnerinnen wie etwa Weitspringerin Malaika Mihambo oder Sprint-Europameisterin Gina Lückenkemper.
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Viele verletzungsbedingte Absagen
Doch nun, da aussichtsreiche Medaillenanwärterinnen wie Mihambo und 5000-Meter-Europameisterin Konstanze Klosterhalfen verletzungsbedingt fehlen, rückt Kristin Pudenz, die als Nummer vier der Welt nach Budapest gereist ist, in den Fokus. Dieser Situation ist sie sich durchaus bewusst. „Klar ist es auch ein Druck“, sagt Pudenz. Die Athletin des SC Potsdam, die im nordrhein-westfälischen Löhne aufgewachsen ist, hat gelernt, damit umzugehen, seit ein paar Jahren arbeitet sie mit einem Mentaltrainer zusammen.
Potenzial nicht voll abrufbar
Bei der WM im vergangenen Jahr in Eugene waren die Erwartungen jedoch zu belastend, sie konnte ihr Potenzial nicht abrufen. Anfang August sagte sie in einem Interview mit dem Leichtathletik-Magazin: „Ich hoffe, dass ich damit dieses Mal besser umgehen kann, denn Druck wird bestimmt wieder da sein. Dass man eben sagt: ,Die deutschen Diskuswerferinnen können es zu dritt ins Finale schaffen, da muss doch dann eine Medaille bei rumkommen!‘ Letztes Jahr hat mich das eher gehindert, aber ich bin zuversichtlich, dass ich auch daraus gelernt habe und damit nun besser umgehen kann.“ Sie will den Druck in Positives, am besten in etwas Glänzendes ummünzen.
Olympiasiegerin hat noch eine Rechnung offen
Vier, fünf Athletinnen „mit Olympiasiegerin Valarie Allman ganz vorne kämpfen um die WM-Medaillen“, sagt Pudenz. Die US-Amerikanerin hat mit der WM noch eine Rechnung offen – in Eugene holte sie nur Bronze. In Shanice Craft (30/Mannheim) und der WM-Fünften Claudine Vita (26/Neubrandenburg) sind zwei weitere deutsche Werferinnen Teil der Weltspitze.
In Marike Steinacker (31/Leverkusen) ist ihnen eine weitere auf den Fersen. „Das gibt auf jeden Fall Selbstbewusstsein“, sagt Pudenz: „Man versucht sich auch im Wettkampf immer noch ein bisschen zu motivieren untereinander. Und das macht auf jeden Fall auch Spaß.“
Vier starke Frauen in der aktuellen Generation
Kristin Pudenz sieht es als Glück, „dass wir in der aktuellen Generation gerade vier starke Frauen sind“. Sie und ihre Kolleginnen konnten anknüpfen an Erfolge von der früheren Vizewelt- und Vizeeuropameisterin Nadine Müller (37) oder der dreimaligen Weltmeisterin Franka Dietzsch (55). Für Pudenz sind sie Vorbilder. „Es ist ein bedeutender Aspekt, dass zwischen den Generationen nie eine wirkliche Leistungslücke entstanden ist“, sagt sie. So hat die Disziplin nie an Attraktivität verloren.“
Bachelorabschluss in Sozialer Arbeit
So konzentriert Kristin Pudenz ihre Aufgabe bei der WM angeht, so sehr schätzt sie auch den Blick über den Rand des Diskusrings hinaus. „Es ist ganz nett, sich mit den Mädels einfach mal so auf einen Kaffee zu treffen und den Sport dann außen vor zu lassen. Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis zueinander“, sagt Pudenz.
Sie hat einen Bachelorabschluss in Sozialer Arbeit, seit Oktober 2020 absolviert sie ein Studium in der Sportfördergruppe der Landespolizei Brandenburg. „Für mich ist das sehr wichtig, dass ich zwischendurch mal etwas für meinen Kopf mache, was nichts mit Sport zu tun hat“, verriet sie dem Leichtathletik-Magazin.
Rückblickend "eine zickige Athletin"
Darin sprach sie auch über ihre persönliche Entwicklung. Die Kristin Pudenz von heute blickt differenziert auf die Kristin Pudenz aus der Anfangszeit ihrer Karriere, sie nennt sich selbst rückblickend „eine zickige Athletin“. Darauf angesprochen sagte sie: „Ich glaube, ich bin über die Jahre einfach ein bisschen erwachsener geworden und habe mich mehr auf das fokussiert, was für den Sport gut ist.“ Sie habe irgendwann gemerkt, dass „mich diese Bockigkeit beim Training, wie ich sie früher mal hatte, nicht wirklich weiter gebracht hat. Irgendwann hat es einfach klick gemacht und seitdem versuche ich, alles so in die Wege zu leiten, dass es mir zum Erfolg verhilft.“
Eine beachtliche Konstanz
Das gelingt ihr bislang gut. Ihre Konstanz ist beachtlich – erst im Juli gewann sie ihre fünfte deutsche Meisterschaft in Folge. Das wiederum macht Hoffnung für ihren WM-Auftritt. „Ich habe in den letzten Jahren gezeigt, dass ich speziell beim Saisonhöhepunktmeine Bestleistung zeigen kann“, sagt sie.
Ihre 67,87 Meter warf sie bei der EM in München. „Natürlich wäre es schön, wenn es in diesem Jahr die 68 oder 68,5 Meter werden.“ Dann ist der Weg zur magischen Marke von 70 Metern nicht mehr weit. „Passt alles zusammen, ist diese Weite in den nächsten ein, zwei Jahren denkbar.“
Das nötige Quäntchen Glück
Doch erstmal die WM. Ob es in einem dicht beieinander liegenden Feld zur Medaille reicht? „Ich denke, es kommt auch auf das nötige Quäntchen Glück an – und wer an diesem Tag bisschen fitter ist als die anderen.“