Melbourne. Die deutschen Fußballerinnen legen einen gelungenen WM-Auftakt hin, dennoch findet die Bundestrainerin Voss-Tecklenburg nicht alles „tippitoppi“.
Die Ehrenrunde trug fast ausufernde Züge. Ganz gemächlich schlenderten die deutschen Fußballerinnen über den Rasen des Rectangular Stadium von Melbourne, als weite Teile des australischen Eventpublikums längst den Heimweg aus dem Olympic Park angetreten hatte.
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Die noch geschonte Lena Oberdorf trug demonstrativ fürsorglich das von Klara Bühl gehäkelte Koala-Maskotten „Waru“ im Arm, obwohl es eigentlich keinen Glücksbringer gebraucht hatte, um optimal in diese Frauen-WM zu finden. Mit einem ungefährdeten 6:0 (2:0)-Kantersieg überrollte Deutschland im ersten Gruppenspiel den Debütanten Marokko und erwischte damit im Gegensatz zu anderen Titelanwärtern einen überzeugenden Einstieg in die Mission zum dritten Stern.
Arabisches Team wirkt nicht konkurrenzfähig
Die sichtlich erleichterte Martina Voss-Tecklenburg analysierte ohne jeglichen Überschwang eine Begegnung, in der das erste arabische Team auf dieser Bühne letztlich nicht konkurrenzfähig wirkte. „Wir haben nicht gegen den stärksten Gegner der Gruppe gespielt, aber das gibt uns Rückenwind – und eine gute Basis“, sagte die Bundestrainerin und fügte an: „Es war noch nicht alles tippitoppi. Aber wir sind geduldig und hartnäckig geblieben.“ Der erste Schritt sei gemacht.
Alexandra Popp schnürt einen Doppelpack
Die Verbindung in diese WM stellte einmal mehr die Wort- und Spielführerin her: Alexandra Popp schnürte einen Doppelpack, der die Mitspielerinnen mitriss.
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Erst nickte die 32-Jährige nach Flanke von Kathrin Hendrich und Irrflug der marokkanischen Keeperin Khadika Er-Rmichi ein (11.), um dann artistisch im Rückwärtsfallen den Ball nach Ecke von Klara Bühl mit dem Hinterkopf über die Linie zu bugsieren (39.). „Zu Poppi mit ihren zwei Toren muss man nichts mehr sagen“, erklärte Voss-Tecklenburg, „das ist ihre Qualität, das löst auch was bei den nächsten Gegnern aus.
Wie schon bei der WM 2019 in Frankreich deutete die Bundesliga-Torschützenkönigin jeweils eine Jubelgeste an, um wie E.T. nach Hause zu telefonieren, womit sie jetzt ihrem verstorbenen Vater gedachte, wie sie später in der Pressekonferenz andeutete.
Würdigung durch Mannschaftskollegin Frohms
In der ersten Reaktion beteuerte sie: „Ich bin mega, mega happy, dass wir so ein Auftaktspiel auf den Platz bringen konnten. Das gibt auch mir extrem viel Kraft, so zu starten.“ Eine Würdigung erfuhr Popp durch ihre Wolfsburger Mannschaftskameradin, Torhüterin Merle Frohms: „Wer wäre nicht froh, Poppi in der eigenen Mannschaft zu haben? Sie ist eine brutale Macht da vorne im Sechszehner und eiskalt.“
Popps Volltreffer kaschierten eine nicht vollends überzeugende erste Hälfte. Im Spielaufbau wurde wie in den Testspielen gegen Vietnam (2:1) und Sambia (2:3) teilweise die Präzision vermisst, aber daraus erwuchs kein Grundsatzproblem, weil dem Weltranglisten-72. schlicht die Mittel fehlten. „Das geht im Timing besser“, betonte Voss-Tecklenburg, wollte aber „nicht zu kritisch“ sein.
Unbeholfene Eigentore
Denn schließlich erzielte Klara Bühl nach dem gegnerischen Anstoß zur zweiten Hälfte mit energischem Abschluss das dritte Tor (46.). Und nach doch arg unbeholfenen Eigentoren von Ait El Haj (54.) und Zineb Redouani (79.) war es der eingewechselten Lea Schüller vorbehalten, das halbe Dutzend vollzumachen (90.).
Es sprach für den hohen Anspruch, dass die auf die rechte Verteidigerposition zurückversetzte Ersatzkapitänin Svenja Huth an diesem kühlen Abend noch herausarbeitete: „Wir haben eine ordentliche Leistung geliefert, aber die leichten Ballverluste müssen wir gegen andere Gegner vermeiden.“
Lust auf mehr
Parallelen zum fast berauschenden Auftakt bei der EM in England zog niemand. Vor einem Jahr hatten die DFB-Frauen bereits gegen Dänemark (4:0) technisch, taktisch und läuferisch in Titelform agiert. Diesmal war es ein smarter Start am Yarra River, der Lust auf mehr machte – nicht mehr und nicht weniger.
Die 55 Jahre alte Bundestrainerin wusste, dass der Sechserpack gegen den Novizen aus Nordafrika nicht gleich zum Übermut verführen sollte: „Wir drehen nicht durch – weder in die einen noch die andere Richtung.“ Es wird im zweiten Gruppenspiel gegen Kolumbien in Sydney (Sonntag, 11.30 Uhr deutscher Zeit/ARD) deutlich mehr Widerstand geben.
Ausfälle noch ohne negative Auswirkungen
Dass die Ausfälle der Defensivkräfte Marina Hegering, Lena Oberdorf und auch Sjoeke Nüsken am Montag keine negativen Auswirkungen hatten, macht Hoffnung. Zum einen habe der zweimalige Weltmeister damit noch „etwas in petto“, wie Voss-Tecklenburg erklärte, zum anderen sind frühe Spielzeiten der Ersatzkräfte fürs Zusammenwachsen hilfreich. Sara Doorsoun in der Abwehrmitte oder Melanie Leupolz in der Mittelfeldzentrale lösten ihr Aufgaben solide.
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Dazu sammelte selbst Stimmungskanone und Kabinen-DJ Laura Freigang als Einwechselspielerin bereits im ersten WM-Spiel mehr Einsatzminuten als bei der gesamten EM. „Wir haben ein Signal gesetzt, damit Deutschland mitbekommt, was hier los ist“, flötete die Frohnatur.
Stimmung in der Halbzeitpause
Dass die Stadionbesucher in der Halbzeitpause mit Handylichtern fast eine bessere Stimmung erzeugten als während des Spiels, ist wohl darauf zurückzuführen, dass der kosmopolitische Großraum Melbournes die vielen Sportangebote allein aus dem Blickwinkel der Unterhaltung betrachtet.
Neben Toren sorgten vor allem Hackentricks, Übersteiger und Grätschen für Jubel auf den Rängen. Auch diese Sehnsucht hat das deutsche Team streckenweise erfüllt. Fast leer war die Spielstätte bei der Ehrenrunde dann trotzdem.