Düsseldorf. Die erst 16-jährige Darja Varfolomeev dominiert die Deutsche Meisterschaft der Rhythmischen Sportgymnastik mit fünfmal Gold.
Sie lächelte. Immer. Bei den Siegerehrungen, was verständlich war. Doch Darja Varfolomeev lächelte auch auf der Wettkampffläche. Egal, ob sie auf der cremefarbenen Matte gerade Keulen durch die Luft schleuderte. Egal, ob sie einen Ball hoch in die Luft warf und nach einer Abfolge komplizierter tänzerischer und gymnastischer Bewegungen wieder fing. Egal, ob sie ihren Körper durch einen Reifen gleiten ließ oder Sprünge und Drehungen mit dem Band in den Händen vollzog. Das Lächeln gehörte dazu, egal wie anstrengend die gezeigten Bewegungsabläufe auch sein mochten. Und die von Darja Varfolomeev hatten meist höchste Schwierigkeitsstufen. So hörte die 16-Jährige auch gar nicht mehr auf mit dem Lächeln, wenn sie auf dem Siegerpodest stand. Was sie während der Deutschen Meisterschaft der Rhythmischen Sportgymnastik häufig tat, die im Rahmen der Finals 2023 in Düsseldorf ausgetragen wurde. Darja Varfolomeev gewann am Freitag den Mehrkampf und ließ am Samstag Triumphe in den vier Gerätefinals folgen. Fünfmal Gold - mehr ging nicht.
Darja Varfolomeev, die alle nur „Dascha“ nennen, ist vieles. Sie ist jetzt schon ein Star ihres Sports. Sie ist das größte deutsche Talent seit Jahrzehnten in der Rhythmischen Sportgymnastik. Sie ist für den Deutschen Turner-Bund die wohl größte Hoffnungsträgerin auf eine medaillenreiche Zukunft. Und sie ist so nervenstark, dass sie dem immensen Druck standhält. Wie am Freitag und Samstag in Düsseldorf. „Das bedeutet mit sehr viel“, sagte die Starterin des TSV Schmiden aus dem baden-württembergischen Fellbach. „Das zeigt, dass ich nicht stehen geblieben bin, sondern mich weiterentwickelt habe.“ Das ist sie also auch: unheimlich ehrgeizig. Und doch vergisst man trotz all der Professionalität und Erfolge manchmal glatt, dass Darja Varfolomeev ein erst 16-jähriges Mädchen ist. Eines, dass 35 Stunden pro Woche für ihre sportlichen Ziele trainiert und nebenher den Schulalltag bewältigt, nach den Ferien geht es in die zehnte Klasse des Gymnasiums.
Als Zwölfjährige nach Deutschland
Weltmeisterin mit den Keulen, Europameisterin mit dem Band und nun auch Deutsche Meisterin in allen Disziplinen – da muss Darja Varfolomeev manchmal selbst ungläubig den Kopf schütteln. „Ich hätte nie an so eine Entwicklung gedacht“, sagte sie. Obwohl sie natürlich alles dafür tat, eine der Größten ihres Sports zu werden. Schon als kleines Kind trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter, deren eigene Gymnastik-Karriere als 18-Jährige wegen Knieproblemen abrupt endete. Im sibirischen Barnaul, 200 Kilometer südlich von Nowosibirsk, erlernte sie dann die ersten Bewegungsabläufe. Die Konkurrenz in Russland aber schien zu groß – so kam „Dascha“ als Zwölfjährige nach Deutschland, ins Heimatland ihres Großvaters. Seitdem steht sie täglich sechs Stunden in der Halle („Ich wusste nicht, dass man so viel Muskelkater bekommen kann“). Immer wieder wiederholt sie die schweren Jonglagen mit den Handgeräten. Immer wieder trainiert sie die weit gespreizten Sprünge. Und so lässt sie im Wettkampf auch die vielfachen Drehungen und die akrobatischen Elemente so unglaublich leicht und ihren Köper so unfassbar biegsam erscheinen.
Das alles vereint sie dann in atemberaubenden Küren. Mit dem Reifen gibt sie sich als Rockstar, mit dem Ball wirkt sie betont weiblich, bei den Keulen geht es einfach nur zu wie auf einer wilden Party und mit dem Band wird es im Einklang mit der Musik emotional. Vielfalt ist Trumpf. Und doch musste sie auch auf die Zähne beißen. Ihr linker Fuß war noch bandagiert, die Folge einer Operation im Dezember, eineinhalb Monate konnte sie danach nicht springen. Mit dem Reifen und dem Ball überzeugte sie, mit der Keule leistete sie sich nur einen kleinen Geräteverlust kurz vor Ende und zum Abschluss legte sie mit dem Band eine sehr gute und nahezu fehlerfreie Übung vor. Mit 32,800 Zählern übertraf sie dort als einzige die 30-Punkte-Marke.
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Und nun? Ihre Darbietung im Mehrkampf mit überragenden 35,200 Punkten war ein Ausrufezeichen Richtung der Weltelite. Im August steht die WM in Valencia an, und im kommenden Sommer kann wohl nur eine Verletzung den Olympiastart der 16-Jährigen in Paris verhindern. „Olympia ist bei mir jeden Tag im Kopf“, sagte Darja Varfolomeev. „Diese fünf DM-Titel sind eine gute Motivation weiter hart zu arbeiten.“ Und dabei stets zu lächeln.