München. Der Titelgewinn geht wegen der Demission von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic beim FC Bayern fast unter. Ein Nachfolger wird gesucht.

Am Montagmorgen wirkte es beinahe, als habe es das turbulente Meister-Wochenende des FC Bayern gar nicht gegeben. Ruhig und blitzblank aufgeräumt lag der Marienplatz vor dem Münchener Rathaus da, auf dessen Balkon die Bayern-Teams der Frauen und Männer am Vorabend noch gemeinsam ihre deutschen Meistertitel vor rund 15.000 Fans gefeiert hatten.

Auch der mächtig aufgewirbelte Staub nach der am Samstag im Moment des Meistertriumphs der Männer publik gewordenen Trennung von den Vorständen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic hat sich inzwischen weitgehend gelegt, weil sich der entmachtete CEO Kahn nach seinem Furor offenbar emotional gefangen hat. Er kündigte jedenfalls an, in Ruhe über alles sprechen zu wollen. Gemeint waren damit allen voran Präsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer sowie das mächtige Gremiumsmitglied Uli Hoeneß, die ihm das Aus am Donnerstag mitgeteilt hatten. Dieses Gespräch sei „leider nicht so gut gelaufen“ und eine einvernehmliche Trennung von Kahn anders als bei Salihamidzic nicht möglich gewesen, sagte Hainer.

Triple hätte Duo nicht gerettet

Auch der Präsident schlägt nach den Dissonanzen versöhnliche Töne in Richtung des am Freitag vom Aufsichtsrat abberufenen CEOs Kahn an. Dieser will nun offenbar dem Beispiel von Salihamidzic folgen. Der bisherige Sportvorstand hatte darauf verzichtet, auf Konfrontation zu gehen und war mitgereist nach Köln. Dank Jamal Musialas sehenswertem Kunstschuss in der 89. Minute zum 2:1-Sieg und Dortmunds 2:2 gegen Mainz konnte Salihamidzic anschließend den elften deutschen Meistertitel der Bayern in Serie und 33. insgesamt ausgiebig mitfeiern. Salihamidzic wirkte dabei gelöst, fast erlöst, wenngleich er in seinem Job „gerne weitergemacht“ hätte.

Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern München, und Jan-Christian Dreesen, neuer Vorstands-Boss und Nachfolger von Oliver Kahn.
Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern München, und Jan-Christian Dreesen, neuer Vorstands-Boss und Nachfolger von Oliver Kahn. © Getty

Stattdessen vollziehen sie beim FC Bayern eine Rolle rückwärts in die Zukunft. An diesem Dienstag soll Kahns Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge, 67, in den Aufsichtsrat berufen werden. Es gilt als sicher, dass das Gremium dem zustimmt. Der 2021 abgetretene Rummenigge soll mit Hoeneß, 71, und Trainer Thomas Tuchel, 49, die Planungen für die kommende Saison vorantreiben. Tuchel sieht sich dabei in der Verantwortung, es gelte gute Transferentscheidungen zu treffen, sagte er. Der neue Vorstandschef Jan-Christian Dreesen, 55, bisher Finanzvorstand und Stellvertreter des CEOs, will ein besseres Betriebsklima schaffen und verwies auf die sportliche Kompetenz des Trios Tuchel, Hoeneß und Rummenigge. Und ebenso darauf, dass Rummenigge die Kaderplanung bereits erfolgreich geleitet habe, nachdem sich der frühere Sportvorstand Matthias Sammer 2016 verabschiedet hatte und dessen Posten ein Jahr lang unbesetzt geblieben war.

Max Eberl ist ein heißer Kandidat

Im Grunde werden mit Rummenigges Rückkehr jene alten Verhältnisse beim FC Bayern wieder hergestellt, die vor allem durch Hoeneß’ Wirken im Hintergrund ohnehin nie ganz geendet waren. Nun ist das Comeback des Duos nach ihrer gescheiterten Erbfolge nicht mehr zu übersehen, wenngleich Hoeneß und Rummenigge offiziell nicht in erster Reihe agieren. Das ändert aber nichts daran, dass die Fäden bei ihnen zusammenlaufen in den zentralen Fragen, wie sich der FC Bayern für die Zukunft aufstellt, sowohl beim Kader als auch im Vorstand.

Ein Nachfolger für Salihamidzic wird zwar gesucht, aber nicht mit solch einem Hochdruck wie ein hochkarätiger Mittelstürmer, der im Kader der zurückliegenden Saison gefehlt hatte. Eintracht Frankfurts Randal Kolo Muani, 24, gilt nach seinen 15 Ligatoren und 16 Vorlagen als ein Kandidat. Für den Posten des Sportvorstandes soll laut Hainer „ein großes Kaliber“ kommen. Angesprochen auf Leipzigs Max Eberl und Frankfurts Markus Krösche, bezeichnete Hainer beide als „sehr, sehr gute Sportvorstände“.

Karl-Heinz Rummenigge (links) und Uli Hoeneß bekommen beim FC Bayern wieder mehr Macht.
Karl-Heinz Rummenigge (links) und Uli Hoeneß bekommen beim FC Bayern wieder mehr Macht. © getty

Hoeneß wollte Eberl schon 2017 holen. Doch weil das nicht klappte, wurde Salihamidzic damals Sportdirektor. Eberl ist erst seit einem halben Jahr in Leipzig als Geschäftsführer Sport tätig. Zudem fällt auch der Name Michael Reschke, ehemaliger Technischer Direktor des FC Bayern. Bis Weihnachten wolle man einen Nachfolger für Salihamidzic verpflichten. Zu dessen Aus und zu dem von Kahn sagte Hoeneß dem Kicker: „Wir hätten auch bei drei Titeln so gehandelt, die Entscheidung musste so getroffen werden.“ Besonders Kahn, in seiner Karriere 429 Mal für den FC Bayern im Tor, bekam sein Fett weg, dessen Berufung sein ein Fehler gewesen: „Die große Enttäuschung liegt darin, dass ich gedacht habe, er könnte das Amt qua seiner Persönlichkeit allein ausfüllen, doch er hat sich stattdessen mit Beratern umgeben.“

Tuchel hat einen großen Wunsch

Verbunden ist die Rolle rückwärts in die Zukunft auch mit Risiken. Die Münchener laufen Gefahr, ihrem maximalen Anspruch mit Rezepten von früher in der neuen Fußballwelt nicht gerecht werden zu können. Für die Bayern wird es wegen der finanziellen Machtverschiebungen im europäischen Fußball immer schwieriger, ihr Ziel Champions-League-Titel erreichen zu können. Hoeneß und Rummenigge wissen um die Schwere ihrer Aufgabe mit Tuchel, einen Kader zu bauen, der die Bayern nicht nur in Deutschland zu einem wieder souveränen Branchenführer macht, sondern auch den in Europa schon länger nach unten weisenden Trend stoppt und bestenfalls umkehrt. Wichtiger ist erst einmal, die Unruhe dieser Saison, deren Rückrunde Thomas Müller als „brutales Chaos“ bezeichnete, zu stoppen. Auch deshalb hat Julian Nagelsmanns Nachfolger Tuchel einen großen Wunsch für die kommende Saison geäußert nach all den Turbulenzen, die er in seinen gerade einmal zwei Monaten beim FC Bayern schon erlebt hat. Sogar in jenem Moment, als er seinen ersten Bundesliga-Titel gewann. Tuchels Wunsch: „Ruhe.“