Malé. Wo die Natur an Grenzen stößt, hilft die Reisebranche nach: Weltweit entstehen künstliche Inseln, die Urlaubsträume wahr machen sollen.
Auf den Malediven ist die schöne neue Inselwelt längst Realität. Zu den fast 1200 natürlichen Inseln kommen immer mehr künstliche hinzu. Das jüngste und größte Projekt sind die Fari Islands im Nord-Malé-Atoll.
Wo vor wenigen Jahren nur kleine Sandbänke aus dem Indischen Ozean ragten, sind innerhalb von fünf Jahren mit Hilfe von Pumpen, Baggern und Wellenbrechern drei große Inseln entstanden. Die größte beherbergt ein Touristen-Resort.
Auf den ersten Blick sieht es aus wie viele andere Resorts: In der Lagune schimmert das stets rund 28 Grad warme Wasser in Blau und Türkis. Palmen säumen weiße Sandstrände, an denen sich Beachvillen und auf Stelzen in die Lagune gebaute Wasservillen aufreihen. Bei genauerem Hinschauen aber zeigt sich: Im „Patina Maldives Resort“ ist alles ist zu perfekt, um natürlich zu sein.
Das Resort vereint ideal geformte Badebuchten mit monumentalen Kunstwerken, mit einem Jachthafen und mit zwölf Bars und Restaurants. „Wir haben sogar drei für die Malediven einmalige Food-Trucks“, sagt Küchenchef John Baker. Kulinarisch bietet der Kanadier so einiges – von der Burger-Bude bis zum japanischen Gourmet-Restaurant.
Die künstlichen Inseln sind umstritten
„Alles ist möglich“, scheint das Motto auf dem 2,6 Kilometer langen Urlaubsparadies aus der Retorte zu sein. Ob alles auch nötig ist, bezweifeln Puristen, die Robinson Crusoe-Flair suchen. Künstliche Inseln sind umstritten.
Der Mitgründer der für Nachhaltigkeit bekannten Soneva-Resorts, Sonu Shivdasani, lehnt sie kategorisch ab. „Durch die Gewinnung von Sand und den Bau von Inseln wird das Riff um die Lagunen herum stark beschädigt.“ Patinas Resortmanager Guillaume Verdier widerspricht. Auf die Korallenriffe sei Rücksicht genommen worden.
Weil nicht mehr genügend geeignete Inseln zur Verfügung stünden, setzten immer mehr Resortbetreiber auf künstliche. „Deren Baukosten sind nicht viel höher als die Erschließungskosten für natürliche Inseln“, sagt Verdier. Zudem könnten die Planer ihrer Kreativität freien Lauf lassen. „Viele Gäste sagen, dass sie auf der Insel gar nicht merken, dass diese von Menschenhand geschaffen wurde“, behauptet der Franzose.
Damit die Vegetation anfangs nicht zu karg ist, hat das Patina-Resort zwei Jahre vor der Eröffnung 350 000 Pflanzen und Hunderte Palmen angepflanzt. Jetzt ist der Bewuchs recht dicht und der Rest nur eine Frage der Zeit, wie das Beispiel des 2005 eröffneten „One & Only Reethi Rah“ beweist.
Das Resort war eines der ersten künstlichen Inselprojekte der Malediven. Inzwischen ist es ein tropisches Paradies und eines der gefragtesten Luxusresorts weltweit, von denen viele inzwischen auf künstlichen Inseln entstehen.
Diese gab es übrigens schon in der Steinzeit, als vor dem heutigen Irland aus Baumstämmen, Sand und Steinen sogenannte Crannógs geschaffen wurden. Sechs weitere aktuelle Beispiele:
Trendsetter: The Palm Jumeirah Dubai
Das bislang wohl spektakulärste künstliche Inselprojekt liegt vor der Küste Dubais: The Palm Jumeirah wurde nach rund sieben Jahren Bauzeit 2008 eröffnet. Der „Stamm“ des Prestigeprojekts in Palmenform ragt 600 Meter breit und vier Kilometer lang in den Persischen Golf. Zum Schutz vor Sturmfluten ist die Palme von einem Wellenbrecher in Form einer Sichel umgeben.
Über einen Unterseetunnel gelangt man auf den zwölf Kilometer langen Außenring mit dem 1500-Zimmer-Resort „Atlantis“, einem großen Aquarium sowie weiteren Hotels. Auf dem Stamm der Insel wurden noch mehr Hotels gebaut, die 16 „Palmwedel“ säumen Villen und Ferienhäuser.
Die geschätzten Gesamtkosten von rund zehn Milliarden Euro für The Palm sind genauso gigantisch wie der bauliche Aufwand. Schätzungsweise 200 Millionen Kubikmeter Sand und Gestein wurden vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate aufgeschüttet und mit riesigen Maschinen gerüttelt, um einen festen Baugrund zu ermöglichen. Umweltschützer kritisierten den massiven Eingriff in die Natur.
Für Kreuzfahrer: künstliches Karibik-Eiland
Kreuzfahrtunternehmen locken nicht mehr nur mit immer größeren Schiffen, sondern nun auch mit Privatinseln für ihre Passagiere. So nutzt MSC Cruises eine künstliche Insel in der Karibik als Zwischenstopp auf Kreuzfahrten. Mit dem „Ocean Cay Marine Reserve“ möchte man sich von der Konkurrenz absetzen.
Rund 80 000 Palmen, Sträucher und andere Pflanzen wurden auf die Insel gebracht. Dort warten auf die Gäste acht Strände, ein Restaurant und einige Bars.
Flevoland in den Niederlanden: „Größte künstliche Insel der Welt“
Die Niederländer haben keine Insel weit in die Nordsee gebaut, dafür dem Meer aber durch Deiche viel Fläche abgenommen. Flevoland ist bis heute im Osten und Süden durch Seen und Kanäle vom Festland getrennt und wird manchmal als größte künstliche Insel der Welt bezeichnet.
Die 1969 geschaffene Provinz beherbergt auf Poldern von rund 1400 Quadratkilometern Acker- und Weideland, aber auch Großstädte wie Almere und Touristenorte wie Urk.
Die kleinste und älteste Gemeinde der Provinz, die erstmals 966 erwähnt wurde, lockt Touristen mit einem schönen Fischereihafen und war einst eine eigene Insel. Der weiß getünchte Leuchtturm von Urk ist ein beliebtes Fotomotiv.
Im Meer vor Kōbe: Rokko Island in Japan
Bereits 1972 begannen die Aufschüttungsarbeiten für Rokko Island vor der japanischen Stadt Kōbe. 1992 wurde die Insel fertiggestellt, die in der Präfektur Osaka wegen ihres westlichen Stadtbilds auffällt.
Neben Wohnungen bietet Rokko Island auch Touristenhotels und mit dem in einem futuristischen Bau beheimateten Kōbe Fashion Museum auch ein bekanntes Ausstellungshaus für Mode. Ein Kunstmuseum zeigt Ölgemälde und insgesamt über 2000 Arbeiten des einst in Kōbe geborenen japanischen Malers Ryohei Koiso.
Upgrade für das „Hawaii Chinas“: OceanFlower Island
Ocean Flower Island in der südchinesischen Provinz Hainan soll nach Angaben der Entwickler die größte menschengemachte Insel der Welt werden. Das „Hawaii Chinas“, wie die Provinz auch genannt wird, lockt mit Sandstränden, Tropenwäldern und ganzjährigem Badewetter rund 65 Millionen Chinesen pro Jahr.
Weil für neue Resorts an der natürlichen Küste Platz fehlt, entstehen auf 3,8 Quadratkilometern drei verbundene Kunstinseln mit Hotels, Ferienappartements, Restaurants, Duty-Free-Einkaufszentren und Freizeitparks. Darunter ein Wasserpark mit Pools und Rutschen, der sich um einen mit künstlichem Schnee bedeckten Berg gruppiert. Ocean Flower Island soll dann auch mehr Ausländer anziehen.
The Pearl Katar: Riviera-Flair am Golf
Bei der Fußball-WM 2022 flimmerte The Pearl weltweit über die Fernsehbildschirme. „The Riviera Arabia“ nennen die Katarer die rund 300 Meter vor Doha ins Meer gepflanzte Insel.
Rund um einen gigantischen Jachthafen gruppieren sich Villen, Wolkenkratzer und Palazzi, die wie die Brücken an Vorbilder aus Venedig erinnern. Die seit 2006 entstandene Insel ist Ausflugsziel für Einheimische, Touristenhochburg und Wohnort für betuchte Katarer und Ausländer. (dpa)