Hagen. Der Hagener Darsteller spielt Franz Kafka im Film „Die Herrlichkeit des Lebens“. Im Gespräch erzählt er, wie Kafka in die Hosen kommt.

Der Hagener Schauspieler Sabin Tambrea ist ein Spezialist für schwierige Rollen. Er hat Ludwig II. im Film verkörpert, den kunstbesessenen, psychisch labilen Märchenkönig. Und Jesus in „Jesus Cries“. Einen Nazi-Verbrecher in „Nackt unter Wölfen“. Und nun mit Henriette Confurius an seiner Seite den Dichter Franz Kafka in einer tief berührenden Liebesgeschichte, der Verfilmung des Romans „Die Herrlichkeit des Lebens“ über Kafkas letztes Jahr. Im Interview schildern die beiden Hauptdarsteller, wie man eine Liebe spielt, über welche der Tod seine Schatten wirft.

Wer ist Franz Kafka?

Franz Kafka (1883-1924) ist laut Wikipedia der meistgelesene deutsche Schriftsteller. In seinen Werken wie „Der Prozess“ oder „Das Urteil“ schreibt er über Menschen, die in unergründliche, bizarre, skurrile Situationen geraten. Seine Werke gelten als Weltliteratur. Die Situationen seiner Romanhelden haben sogar ein eigenes Adjektiv erhalten: kafkaesk. Das wird heute auch außerhalb des literarischen Kontextes verwendet. Kafka erkrankte an Lungentuberkulose, die damals nicht heilbar war.

Frau Confurius, Sie spielen Dora Diamant, die junge letzte Liebe Kafkas. Dafür haben Sie tanzen gelernt. Warum?

Henriette Confurius: Ich habe tatsächlich ein Jahr lang Tanzunterricht bekommen, bei einer ganz tollen Lehrerin. Für mich war es ein Geschenk, mich so körperlich auf eine Rolle vorzubereiten, beziehungsweise eine andere Form von Ausdruck zu lernen als die Sprache. Ich habe Ausdruckstanz gelernt, was mir schwerfiel, weil ich das Gefühl hatte, man gibt sich dabei sehr stark preis. Der andere Tanz, den ich lernen durfte, war der feministische Befreiungstanz, der Charleston. Ich fand Charleston bis dahin immer eher doof, ich mochte dieses komödiantische, Slapstick-artige nicht, aber unter dem Aspekt, dass es neu war, so befreit tanzen zu dürfen, vor allem als Frau, hat mich Charleston begeistert. Und er hat sehr gut zu Dora und zur Vorbereitung der Rolle gepasst. Im Film selbst ist das Tanzen gar nicht mehr so präsent.

Herr Tambrea, Sie haben Kalligraphie gelernt?

Sabin Tambrea: Wir haben beide nach Ideen gesucht, wie wir Sprache anders erzählen können, was natürlich bei Kafka das maßgebende Merkmal ist. Und bei mir war es die Kalligraphie, wie ich diese Sprache sinnlich übersetzen konnte und auch versucht habe, seine Schrift so weit wie möglich zu kopieren. Für mich ging es dann im letzten Drittel des Films darum, Kafka das zu nehmen, was ihn wirklich ausmacht, nämlich Sprache, indem ja die Sprache weggefallen ist und nur noch durch Mimik alles zu erzählen, was in ihm vorgegangen ist.

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Kafka erkrankt an Tuberkulose, die auch den Kehlkopf befällt. Der große Dichter verstummt. Ist es schwierig, das zu zeigen?

Sabin Tambrea: Ich hatte einen großen Respekt vor dieser Aufgabe, aber es war am Ende eine Befreiung. Das, was zwischen Kafka und Dora passiert ist, war so jenseits von Worten und von einer solchen Wahrhaftigkeit, dass es für mich eher schwer gewesen wäre, das durch Worte zu begrenzen. Und der Wegfall der Sprache hat mir eine große Freiheit gegeben, das alles in den Film zu tragen.

Der Filmtitel „Die Herrlichkeit des Lebens“ bezieht sich auf ein Zitat von Franz Kafka: Der notiert in seinen Tagebüchern: „Am größten ist das Glück, wenn es ganz klein ist. Deshalb würde ich, wenn ich mein Leben aufschreiben müsste, nur Kleinigkeiten notieren. Wie froh es mich macht, zu sehen, wie Du Dein Weinglas hältst.“ Welche Kleinigkeiten in dem Film sind für Sie beide wichtig geworden?

Henriette Confurius: Also für mich war es das Meer, aber das ist keine Kleinigkeit, sondern eine Großigkeit. Dieses Unberechenbare, was dieses baltische Meer mit sich gebracht hat, auch beim Drehen, weil es eine wahnsinnige Lautstärke hat und jeden Tag anders aussieht. Manchmal ist es ganz dunkel, manchmal ist es ganz hell, es verändert sich von Tag zu Tag, von Sekunde zu Sekunde. Es ist keine Kleinigkeit, aber ich glaube, dass es trotzdem etwas ist, was man manchmal übersieht, weil man sich nicht so sehr mit dem beschäftigt, was um einen herum ist.

Sabin Tambrea: Ich habe den Film jetzt öfter gesehen und mir fallen viele Kleinigkeiten auf, die aber sehr viel erzählen. Beispielsweise gibt es eine Szene, wo sie beide nackt auf dem Sofa sind, und er muss sich schnell anziehen und muss aber erst noch die Hosenbeine wieder umstülpen, was erzählt, dass sie sich einfach vorher sehr leidenschaftlich ausgezogen haben. Derart kleine Details fallen mir beim Wiederschauen immer mehr auf, und es macht mir einfach große Freude, wenn Sachen, die einem am Set vielleicht nicht direkt aufgefallen sind, sich dann als Figureneigenschaften erzählen.

Kafka und Dora kommen gegen viele Widerstände zusammen, auch von den Familien. Sie haben nur ein Jahr, dann stirbt Kafka. Der Film ist eine tragische Liebesgeschichte, aber er atmet Heiterkeit und Zauber. Wie erreicht man das?

Henriette Confurius: Von Anfang an steht im Raum, dass wir alle wissen, wie die Geschichte ausgehen wird. Das Geheimnis besteht darin, dann zu erzählen, dass sich zwei Menschen entscheiden, die Zeit, die sie gemeinsam haben, zu erleben und sich auf die Dinge zu konzentrieren, die da sind und die schön sind. Lebe jeden Tag, als könnte es Dein letzter sein. Wenn man das weiß, kann man sich viel mehr dafür entscheiden, zu sagen: Ich mache mir die Zeit so gut wie möglich…

Sabin Tambrea: … was natürlich eine große Herausforderung war beim Spielen. Es gibt traurige Szenen, aber in der Gesamtaussage ist es doch ein sehr positiver und hoffnungsspendender Film.

Sabin Tambrea wuchs in Hagen in einer Musikerfamilie auf und erhielt bereits als Vierjähriger Unterricht auf der Geige. Sein Bühnendebüt gab er mit sechs Jahren als Solist im Kinderchor des Theaters Hagen. An der neugegründeten Jungen Bühne Lutz des Hagener Theaters spielte er unter dem Regisseur Werner Hahn erste große Rollen und offenbarte seine Hochbegabung. Schon als Student in Berlin stand er im Berliner Ensemble auf der Bühne. Die Hauptrolle in „Ludwig II.“ brachte ihm nicht nur den Nachwuchsdarstellerpreis des Bayerischen Filmpreises, sondern auch den Durchbruch als gefragter Film- und TV-Darsteller. Tambrea ist auch als Autor erfolgreich. Sein Buch „Nachtleben“ ist bei Hoffmaqnn & Campe erschienen. Sein neuer Roman wird im Spätsommer erwartet, darin geht es um die Flucht der Familie aus dem kommunistischen Rumänien.