Hagen/Schleiden. Für das Sauerland wird ein neuer Nationalpark sehr kontrovers diskutiert. In der Eifel ist er ein Erfolgsmodell. Die Gründe.
Der Eifler an und für sich lässt sich ungerne etwas sagen, schon gar nicht von mutmaßlichen Ökos aus der Landeshauptstadt. Deshalb zerriss es die Bevölkerung zwischen Misstrauen und Hoffnung, als vor 22 Jahren in Düsseldorf die ersten Pläne für einen Nationalpark in der Region aufkamen. Das Irritierende: Die Treiber saßen auch im staatlichen Forstamt in der Eifelkommune Schleiden, und praktisch das Wichtigste, was sie richtig machten, war die Fortbildung von Waldarbeitern zu Rangern, noch bevor der Plan überhaupt genehmigt wurde. Heute ist der Nationalpark Eifel ein internationales Vorzeigeprojekt. Über 100 Ehrenamtliche engagieren sich neben den rund 90 Hauptamtlichen als Waldführer. Mit Blick auf die strittig diskutierten Nationalparke im Arnsberger Wald und in Siegen-Wittgenstein lohnt sich eine Analyse der Bedingungen zwischen Nideggen und Höfen. Sind sie vergleichbar?
Ein Befürworter der ersten Stunde ist Forstdirektor Michael Lammertz (59). Er leitet den Nationalpark kommissarisch mit dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der die Zahlen auf seiner Seite hat. „2003 waren wir wochenlang fast jeden Abend in Ratssälen, Vereinshäusern oder Kneipen unterwegs, haben Vorträge gehalten und uns Diskussionen gestellt. Es war ja ein ganz neues Thema. In NRW gab es noch keinen Nationalpark.“ Die Ranger wurden zu den ersten Eiflern, deren Wahrnehmung sich durch den Nationalpark verbesserte. Sie sind bis heute Botschafter dafür, dass Naturschutz nicht mit wirtschaftlichem Verlust verbunden sein muss.
Lammertz zählt gerne auf, was der Nationalpark der Eifel alles gebracht hat, aber im Vordergrund steht, was der Nationalpark der Natur alles bringt: „Das Hauptziel ist es, Natur Natur sein zu lassen, den ungestörten Ablauf der Naturvorgänge zu ermöglichen. Nebenziele sind Forschung, Bildung und Tourismus“, sagt er. Und ergänzt: „Wir können nicht in Afrika oder Amazonien mehr Schutz der Wälder einfordern und uns in Deutschland damit zufriedengeben, dass nur 0,6 Prozent der Landfläche unter dem strengen Schutz von Nationalparken stehen.“
Die Akzeptanz des Nationalparks in der Bevölkerung wird regelmäßig wissenschaftlich evaluiert, unter anderem mit Forschungsprojekten der Universitäten Bonn und Cambridge. Selbst in den Ortschaften, die in oder unmittelbar am Nationalpark liegen, hat sich die Zustimmung zum Schutzgebiet von 62,5 Prozent in 2006 auf rund 80 Prozent heute gesteigert. Das liegt möglicherweise daran, dass die Eifler Landwirte verstanden haben, dass ein Nationalpark keinen Umgebungsschutz hat, dass sie bis zur Grenze des Gebiets ackern dürfen, und dass die umliegenden Waldbesitzer gelernt haben, dass vom Nationalpark Eifel keine Gefahr für ihre Forstwirtschaftsbetriebe ausgeht. Windräder dürfen bis 75 Meter an die Grenze rücken, das birgt allerdings Streitpotenzial mit den Ornithologen.
Diskussion von Arnsberg bis Siegen
Die NRW-Landesregierung möchte neben dem Nationalpark Eifel einen zweiten Nationalpark in NRW auf Flächen von Staats- bzw. Landeswald etablieren. Vorschläge gibt es für mehrere Gebiete, die sich bewerben können, darunter der Arnsberger Wald, der bereits als Naturpark ausgewiesen ist, der Naturpark Ebbegebirge im Märkischen Kreis/Kreis Olpe und ein Areal am Rothaarkamm im Kreis Siegen-Wittgenstein; dieses Gebiet steht bereits als Flora-Fauna-Habitat (FFH) unter besonderem Schutz. Politisch sind die Flächen im Arnsberger Wald und in Siegen-Wittgenstein umstritten. Der Märkische Kreis will sich bewerben, derzeit läuft das Meinungsbildungsverfahren in den märkischen Kommunen.
Der HSK-Kreistag hat auf eine Bürgerbeteiligung verzichtet und gegen eine Bewerbung gestimmt, unter anderem mit der Begründung, es gäbe Akzeptanzprobleme. Im Kreis-Siegen-Wittgenstein will der Kreistag weitere Informationsmöglichkeiten zur Bürgerbeteiligung anbieten. In Soest hat der Kreistag mit Nein gestimmt. Alle Abstimmungen zeigen knappe Ergebnisse. Waldbauern-Verbände und Landwirte fürchten in Siegen-Wittgenstein unter anderem, dass auch private Flächen einbezogen werden sollen und die Errichtung von Windkraftanlagen beschränkt werden könnte.
Delegationen aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein sowie aus Soest/Arnsberg werden sich demnächst im Nationalpark Eifel informieren.
Ein kreisübergreifendes Bündnis aus Naturschutzvereinen und Sauerländischem Gebirgsverein will weiter für einen Nationalpark Arnsberger Wald werben und die bisher nicht erfolgte Information und Beteiligung der Bevölkerung ermöglichen.
Studien haben ergeben, dass neben den Ängsten vor wirtschaftlichen Nachteilen die meisten Akzeptanzprobleme gegenüber Nationalparken kultureller Natur sind. Dorfgemeinschaften, deren Überleben über Generationen davon abhing, die Natur mit harter Arbeit in bewirtschaftetes Kulturland zu verwandeln, tun sich schwer damit, eine Zone zu akzeptieren, in der das Totholz liegen bleibt. „Eine Buche wird über 350 Jahre alt. Im Wirtschaftswald wird sie nach 120 bis 140 Jahren gefällt. Viele seltene Arten sind aber auf das alte und abgestorbene Holz angewiesen. Die Bäume können bei uns ihre natürliche Lebenserwartung erreichen. Wir sind stille Beobachter eines spannenden Prozesses zurück zur Wildnis, das ist faszinierend“, beschreibt Lammertz den Prozess.
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Der Nationalpark Eifel erstreckt sich über 11.000 Hektar von der Stadt Nideggen im Nordosten bis zur belgischen Grenze im Südwesten. Die Städteregion Aachen sowie die Kreise Düren und Euskirchen sind beteiligt, die Fläche berührt neun Gemeinden, drei Dörfer sind komplett beziehungsweise weitgehend vom Nationalpark umgeben. Drei Bundesstraßen durchschneiden das Gebiet, dessen Kernstück der frühere Truppenübungsplatz Vogelsang ist. 1946 richteten ihn die Engländer ein, und ab 1950 übernahmen die Belgier das Gelände und die von den Nationalsozialisten 1934 erbaute sogenannte „Ordensburg“ Vogelsang als Kaserne. Das Areal ist überwiegend im Bundes- und Landeseigentum. Darüber hinaus liegen nur Stauseeflächen des Wasserverbandes Eifel-Rur und einige Wiesentäler der NRW-Stiftung im Nationalpark Eifel.
Region wird attraktiver
Vor 20 Jahren fürchtete man sich in vielen Eifeldörfern vor der Zukunft. Die jungen Leute zogen in die Stadt, weil es keine Arbeit gab und das Homeoffice noch nicht erfunden war. Frei werdende Häuser galten als unverkäuflich. Heute ist die Eifel ein Zuzugsgebiet. An dieser neuen Attraktivität scheint der Naturschutz nicht unbeteiligt. „Die Einrichtung des Nationalparks hat viel Gutes ausgelöst. Die Bekanntheit und die Sympathiewerte der Region sind enorm gestiegen. Sie erfährt seither viel mehr politische, gesellschaftliche und mediale Aufmerksamkeit“, bilanziert Lammertz.
Touristisch geht das Konzept auf. Der Nationalpark Eifel verzeichnet rund eine Million Besucher jährlich, das Einzugsgebiet reicht von Antwerpen bis Siegen und darüber hinaus. Etwa 700 Stellen wurden im Tourismus dadurch geschaffen. Der Drahtseilakt zwischen Naturschutz und Tourismus funktioniert laut Lammertz, weil die Angebote mit dem umgebenden deutsch-belgischen Naturpark Nordeifel gut vernetzt werden, denn im Nationalpark selbst gibt es Regeln, etwa zum Zelten. „Die touristische Erschließung und der Naturschutzgedanke stehen im Widerspruch. Das ist eine Gratwanderung, die gute Konzepte braucht“, sagt Lammertz.
Mitunter machen aber auch Konflikte Schlagzeilen. Es gibt noch größere ältere Fichtenbestände, unter denen die Nationalparkverwaltung heimische Buchen gepflanzt hat. Weil sie Licht zum Wachsen benötigen, müssen immer wieder Fichten gefällt werden. Außerdem entnimmt die Nationalparkverwaltung im Süden des Parks vom Borkenkäfer befallene Fichten sofort aus dem Wald, um in den angrenzenden Forstbetrieben wirtschaftliche Schäden zu vermeiden. Dieses Holz wird vermarktet. Die Schläge und Holztransporte rufen manchmal Naturschützer auf den Plan.
Kirchtürme überwinden
Das Schutzgebiet ist noch keine vollständige Wildnis, sondern ein sogenannter Entwicklungs-Nationalpark. Lammertz ist aber zuversichtlich, dass der Nationalpark Eifel die internationale Vorgabe erreicht und 30 Jahre nach Gründung, also 2034, auf mindestens 75 Prozent der Fläche nicht mehr durch den Menschen eingegriffen werden muss.
In 20 Jahren Nationalpark mussten viele Kirchtürme überwunden werden, was ungeahnte Vorteile mit sich bringt. Lammertz: „Auch die Einheimischen profitieren, zum Beispiel von neuen Buslinien, Nationalparkhäusern mit Ausstellungen, Bildungsprogrammen und Naturerlebnisangeboten für Menschen mit und ohne Behinderung, das wird manchmal übersehen.“
Wer die inzwischen internationale Forschungsliteratur sichtet, kann durchaus zu der Schlussfolgerung kommen: Der Nationalpark Eifel ist zum Zukunftslabor einer strukturschwachen Region geworden. Die totgesagten Dörfer haben wieder eine Perspektive.
Nationalpark und Naturpark: Was ist was?
Nationalpark, Naturschutzgebiet, Naturpark: Die Begriffe können verwirren. Wir erläutern, wo die Unterschiede liegen.
Ein Nationalpark hat die höchste Schutzstufe. Hier gilt das Ziel, die Natur auf großer Fläche sich selbst zu überlassen. Dafür werden bestimmte Regeln eingerichtet und überwacht. So dürfen im Nationalpark Eifel zum Beispiel die Wege nicht verlassen werden, Hunde müssen an die Leine. Der Nationalpark Eifel ist bisher der einzige Nationalpark in NRW. In Deutschland gibt es 16 Stück.
Ein Naturschutzgebiet dient der Erhaltung, Wiederherstellung und auch Entwicklung von Biotopen und Lebensräumen bestimmter Tiere und Pflanzen. Naturschutzgebiete gehören mit den Nationalparks und den Naturmonumenten zu den am strengsten geschützten Gebieten, ebenfalls mit klaren gesetzlichen Vorgaben.
Ein Naturmonument umfasst in der Regel einen kleineren Lebensraum, der einen besonderen Stellenwert für die gesamte Nation aufweist. Die Ivenacker Eichen in Mecklenburg-Vorpommern sind zum Beispiel ein Naturmonument. Es handelt sich um einen historischen Urwald mit fünf knapp 1000 Jahre alten Eichen.
Naturparks sind im Gegensatz zu Nationalparks bewirtschaftete Landschaftsräume. Die Arten- und Biotopenvielfalt wird durch Nutzung angestrebt.