Münster. Beim Bauerntag in Münster spricht die Branche über ihre Probleme. Es sind eine Menge. Die Politik wird aufgefordert, „endlich zu handeln“.
Zwei Wörter spielen in Münster gerade eine besondere Rolle: Perspektive und Zuverlässigkeit. Denn in der Westfalenmetropole diskutieren an diesem Mittwoch und Donnerstag die Landwirte beim Deutschen Bauerntag über ihre Zukunft. Schwarzseher behaupten, sie hätten gar keine. So schlimm sind die Aussichten nicht. Aber viele Zahlen sprechen tatsächlich eine deutliche Sprache: Die Herausforderungen an die Branche nehmen zu. „Wir brauchen Orientierung, wir brauchen Sicherheit“, sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied.
Die Bundesregierung müsse jetzt endlich den Diskussionsmodus verlassen und in den Handlungsmodus einsteigen, forderte der 61-Jährige bei einer Pressekonferenz. Auf scharfe Attacken gegen Berlin verzichtete er. Das kennt man von Vorgängern anders. Die Landwirtschaft ist mehrheitlich konservativ eingestellt, der aktuelle Bauernpräsident gehört der CDU an. Aber der Richtungsanzeiger steht auf Kooperation und nicht auf Konfrontation. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir kommt auch nach Münster.
Das sind die größten Baustellen:
Die Probleme bei der Tierhaltunghinterlassen die ersten Spuren. So ist die Zahl der Schweinehalter in Deutschland im Jahresvergleich um elf Prozent zurückgegangen. Mehr als ein Drittel des Schweinefleisches werde bereits importiert, gab Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), zu bedenken. In Deutschland würden derzeit nur noch so viele Schweine gehalten wie vor 60 Jahren. Gleichzeitig, so Beringmeier, nähmen die Auflagen zu. „Ein Umbau meines Stalls wäre nach derzeitigem Recht gar nicht möglich“, kritisierte er.
Bauernpräsident: Mindestlohn kostet Wettbewerbsfähigkeit
Die Kennzeichnungspflicht beim Fleisch wird von den Landwirten grundsätzlich begrüßt. Sie müsse aber auch für Produkte aus dem Ausland gelten. Sonst gebe es unfaire Bedingungen im EU-Markt.
Das gelte auch für den Mindestlohn. Die vorgesehene Erhöhung auf 12,41 Euro koste Wettbewerbsfähigkeit und heize den Strukturwandel an, kritisierte Rukwied. Vor allem beim Obst- und Gemüseanbau sei das Plus „nicht tragbar. Unsere Hauptmitbewerber sind Landwirte aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dort beträgt die Lohndifferenz zum Teil sechs Euro pro Stunde.“ Die Folge: „Die Betriebe steigen aus.“
Kritik üben die Bauern auch an der Europäischen Union. Die Kommission treibt derzeit ein Naturwiederherstellungsgesetz voran. Es sieht – grob gesagt – die Wiederherstellung der Natur in der EU auf den Zustand des Jahres 1950 vor. Damit verbunden ist das Ziel, bis zum Jahr 2030 20 Prozent der Land- und Meeresflächen zu renaturieren. Davon wäre auch die Landwirtschaft betroffen; sie geht von einem Flächenverlust von bis zu zehn Prozent aus. „Wir sind heute schon nicht mehr in der Lage, uns selbst zu versorgen“, sagte Rukwied. Sollte der Brüsseler Plan umgesetzt werden, „würde sich die Produktion in Regionen verlagern, die nicht nach unserer Standards für Tierwohl und Umweltschutz wirtschaften“. Und überhaupt: Flächenabbau gehe nur mit einem finanziellen Ausgleich.
Das Gesetz sorgt derzeit in vielen EU-Gremien für hitzige Diskussionen. Der südwestfälische CDU-Europaabgeordnete Peter Liese (Meschede) lehnt es komplett ab: „Da lässt sich nichts verbessern. Es ist grundsätzlich schlecht.“
Landwirte klagen über steigende Zahl der Wölfe
Weniger Erträge hätte auch mehr Pflanzenschutz zur Folge. Man sei bereit, den Einsatz der Mittel einzuschränken, sagten die beiden Bauern-Chefs. Aber eben nicht zu 100 Prozent.
Um 30 Prozent pro Jahr steigt Beringmeier zufolge die Zahl derWölfein Deutschland. Derzeit lebten hierzulande etwa 2000 Tiere. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, sei die Weidetierhaltung in ihrer Existenz gefährdet. „Wir brauchen ein Bestandsmanagement“, forderte er. Auffällige Tiere müssten getötet werden. Darum müsse sich die Politik kümmern.
Beim Wetter können die Entscheider in den Ministerin dagegen kaum helfen. Auch in diesem Jahr hat die Landwirtschaft bereits Schäden durch Trockenheit zu verzeichnen. Kommende Woche will der Bauernverband die Ernteprognose veröffentlichen. Die Folgen des Klimawandels dürften sich darin widerspiegeln. In Münster wird auch über moderne Bewässerungssysteme gesprochen, aber irgendwie klingt die Branche angesichts zunehmender Dürren etwas ratlos.
Das klingt jetzt alles ziemlich negativ, zumal die Aufzählung der Probleme längst nicht komplett ist. Aber beim Bauerntag will die Branche auch zeigen, wie sie die Herausforderungen meistern will und wie sie sich für Klima- und Umweltschutz sowie Biodiversität engagiert. Und ja: Der „Zukunftsbauer“ sei ein toller Beruf.
Das Verhältnis zum grünen Landwirtschaftsminister in Berlin sei im übrigen okay, sagte Rukwied. Man spreche auf guter „sachlicher und persönlicher Ebene“ miteinander. „Wir erwarten jetzt aber, dass die Dinge schneller umgesetzt werden. Die Koalition darf sich nicht weiter gegenseitig neutralisieren.