Meschede. Das Perlhuhn köchelt, der Wein wird dekantiert. Und dann fehlen erst die Gläser. Im Kampf um Azubis setzt die Gastro-Branche auf einen Wettkampf.
Streng genommen hatte die Prüfung schon begonnen, ganz streng genommen wären sie möglicherweise alle zu Beginn durchgefallen, denn streng genommen serviert man Wein im Restaurant im Glas (auch den Flaschenkindern). Die Gläser aber hatten sie vergessen, ohne es zu merken. Also fragte die Jurorin: „Seid Ihr sicher, dass Ihr alles habt?“ Nein, hatten sie nicht. Fiel dann auch den sechs jungen Prüflingen auf, die schnell sechs Weingläser aus dem Schrank holten. Dann fiel der Startschuss. Die Aufgabe: Wein dekantieren. Zeitvorgabe: fünf Minuten.
Montagmittag, Berufskolleg Meschede, zweiter Tag der NRW-Jugendmeisterschaften in den gastgewerblichen Ausbildungsberufen. Es ist der Tag der praktischen Prüfung für angehende Köche, Hotel- und Restaurantfachleute. Während in Raum 155 unter dem Blick der Juroren Wein gereicht wird, köchelt nebenan in der Lehrküche ein Perlhuhn im Topf. Auf seinem Arbeitstisch zerlegt Lukas Schultes, einer von sechs Koch-Prüflingen, für sein Vier-Gänge-Menü eine Forelle. V-Schnitt, Gräten entfernen. Juror Martin Friedrich ist zufrieden, er anerkennt: „Das ist richtig gutes Handwerk.“
Das gute Handwerk hat allerdings zu kämpfen. Die Situation in der Gastro-Branche ist angespannt. Auch deshalb richtet der Branchenverband Dehoga NRW die Jugendmeisterschaften aus.
Menü zubereiten, Tisch decken, Zimmer vorbereiten
13 Uhr, in der Küche ertönt ein Gong. Mittagspause. Lukas Schultes wirkt entspannt. „Läuft alles. Ich bin in der Zeit“, sagt der angehende Koch.
Am Sonntag ging die theoretische Prüfung über die Bühne. Seit 9:30 Uhr am Montagvormittag müssen sich Schultes und 20 weitere Prüflinge aus den drei Regionalbezirken (Westfalen, Ostwestfalen, Nordrhein) des Dehoga NRW in der Praxis beweisen.
Der Menü-Plan von Lukas Schultes:
– Bachforellenmosaik, gebrannte Frühlingszwiebel, Paprikagremolata, marinierter Pumpernickel;
– Grünkern-Dal mit Naan-Brot;
– Zweierlei vom Perlhuhn, geschmort – kurz gebraten, Mokkabohnejus, grüner Spargel, Gnocchi;
– Himbeertiramisu, Zitronen-Schmand-Eis, karamellisierte Pistazien.
Derweil planen die Hotelfachleute eine Abendveranstaltung für 80 Gäste inklusive Verkaufsgespräch, gehen außerdem auf Fehlersuche in einem präparierten Hotelzimmer. Für die Restaurantfachleute steht auf dem Prüfungsplan: Vorbereitung von Fingerfood und einem Aperitif für einen Empfang, fachgerechtes Eindecken eines festlichen Tisches. Zu einem Tisch-Arrangement ein Urteil von Juror Thomas Keilbar: „Ich würde die Gläser etwas anders aufstellen, aber das ist Geschmackssache. Fachlich ist das hier richtig.“
Heute ist der Gastro-Nachwuchs mal König
Die drei Sieger der Wettbewerbe, die coronabedingt in den vergangenen drei Jahren nicht stattfanden, vertreten im Herbst bei den Bundesmeisterschaften auf dem Petersberg in Königswinter das Land NRW.
Wozu aber das Ganze? Einerseits soll es für die angehenden Gastro-Kräfte eine Chance sein, sich auszuzeichnen. „Es ist durchaus etwas, das man zu einem Bewerbungszeugnis legen kann“, sagt Carsten Placht, Schulleiter des Berufskollegs in Meschede. Zum anderen will die Gastro-Branche einen Anreiz für Nachwuchskräfte schaffen. So, wie sie ihren Gästen gutes Essen, guten Service und einen guten Aufenthalt verspricht, so will sie mit den Jugendmeisterschaften auch den eigenen Leuten mal etwas Gutes tun. Heute sind die mal König.
„Wir wollen Werbung für unsere Branche machen. Wir müssen unseren jungen Mitarbeitern ein Erlebnis bieten“, sagt Hans-Dietmar Wosberg, einer von drei Präsidenten des Dehoga NRW.
Gastro-Branche biete „Aufstiegschancen ohne Ende“
Während in der Lehrküche auf einem der Kochfelder ein Gemüsefond mit Zwiebeln, Möhren oder Sellerie vor sich hin köchelt, rührt der 67-Jährige im Gespräch leidenschaftlich die Werbetrommel für seine Zunft. Er koche seit 52 Jahren. Einer der Vorzüge an der Arbeit in der Gastronomie: Man bekomme Anerkennung für seine Arbeit – und zwar unmittelbar, durch die Rückmeldung der Gäste. Außerdem sei die Bezahlung für die Auszubildende fair; im ersten Lehrjahr seien es 1100 Euro, im zweiten 1200, dann 1300 Euro. Hinzu kommt: „Bei uns gibt es Aufstiegschancen ohne Ende.“ Das hat allerdings auch mit einem großen Problem zu tun.
Viele Betriebe in der Branche klagen seit Monaten – wenn nicht seit Jahren – über Personalmangel. „Uns fehlen Leute, auch wenn sich die Situation nach Corona Schritt für Schritt zum Glück wieder entspannt. Immer weniger wollen am Wochenende arbeiten, viele wollen die Vier-Tage-Woche“, fasst Wosberg zusammen und betont: „Wir brauchen Mitarbeiter, die gut bezahlt werden, die aber auch Herzblut für die Arbeit in der Gastronomie mitbringen.“
Juror: „Es sind die Besten, die wir haben“
15:45 Uhr, Zeit für einen finalen Blick in die Küche. Die Perlhuhn-Keulen werden jetzt geschmort. Noch eine Stunde läuft die insgesamt 360-minütige Zubereitungszeit, dann muss das Menü für die Abendveranstaltung mit Dinner stehen.
Juror Uwe Schüttler und sieben weitere Prüfer bewerten die Arbeit der angehenden Köche. Es geht um Arbeitstechnik, Wirtschaftlichkeit, Optik, Hygiene. „Das Niveau ist gut, es sind die Besten, die wir haben“, sagt Schüttler. Wer der Sieger sein wird, das weiß er allerdings zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Die Entscheidung fällt erst am Abend. Nach dem finalen Geschmackstest.
<<< Update: Die Gewinner der NRW-Jugendmeisterschaften >>>
Hotelfach: Pia Ruschke, Maritim Hotel, Bonn
Restaurantfach: Maja Schweitzer, Excelsior Hotel Ernst, Köln
Koch: Lukas Schultes, Grandhotel Schloss Bensberg, Bergisch-Gladbach