Meschede/Kreuztal/Brüssel. Zu viel Luft in den Bierkästen, zu viele Etiketten auf den Flaschen. Müssen sie deshalb alle vernichtet werden? Die Hintergründe.
Müssen Milliarden Bierflaschen und hunderttausende Bierkästen vernichtet werden, weil die Europäische Union Änderungen bei den Verpackungsregeln plant? Das zumindest fürchten die Bierbrauer in Deutschland. Denn die Behörde in Brüssel findet: Im Kasten ist zu viel Luft.
Die EU-Kommission will mehr Recycling, den Ausbau der Kreislaufwirtschaft und weniger Müll. Deshalb bringt sie gerade eine Verordnung zur Reduzierung von Verpackungen und Verpackungsmüll auf den Weg. Diese unterläuft und gefährdet aus Sicht des Brauer-Bundes allerdings das erfolgreiche Mehrwegsystem in Deutschland.
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Die EU wolle „allen Mehrwegsystemen in Europa eine einheitliche, zentralistische Verwaltungsbürokratie vorschreiben und eine Vielzahl fragwürdiger Vorschriftenüberstülpen“, kritisiert der Brauer-Bund. Demnach sollen etwa neue Deklarationspflichten zur Folge haben, dass die Brauereien zukünftig nicht mehr abwaschbare Etiketten auf ihre Flaschen kleben dürfen, sondern bestimmte Angaben direkt auf das Glas gravieren müssen. Die jetzt im Umlauf befindlichen vier Milliarden Bierflaschen in Deutschland könnten dann nicht mehr eingesetzt werden, sagen die Brauer voraus.
Veltins-Sprecher: EU-behördliche Fehlleistung
Zudem soll den Wünschen der EU-Kommission zufolge der Leerraumanteil bei Verpackungen reduziert werden; er soll nicht mehr als 40 Prozent betragen. Und das auch bei Bierkisten. Die könnten Krombacher und Co. dann also gleich mit einschmelzen, so die Kritik der Unternehmen.
Betroffen wären von den Plänen übrigens auch die Mineralbrunnen. Sie haben sich dem Protest der Bierbrauer angeschlossen.
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Ulrich Biene, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von Veltins, spricht von einer „EU-behördlichen Fehlleistung, die dringend der Korrektur bedarf“. Das Mehrwegsystem in Deutschland sei über Jahrzehnte mit Unterstützung der Verbraucher erfolgreich aufgebaut worden, sagt er. Bei Veltins liege der Mehrweganteil bei rund 93 Prozent. Eine Umsetzung der EU-Pläne würde „hohe, nicht tragbare Investitionen“ nach sich ziehen. Sie würden zudem dem Verbraucherverhalten nicht gerecht. „Da muss dringend nachjustiert werden“, sagt Biene.
Die Presseabteilungen der Warsteiner und der Krombacher Brauerei wollten sich nicht selbst äußern und verwiesen auf den Deutschen Brauer-Bund. Der findet die Reduzierung von Verpackungsmüll prinzipiell richtig, glaubt aber, dass Brüssel in diesem Fall weit übers Ziel hinausschießt.
Beim Nachjustieren ist Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter aus Meschede, bereits aktiv geworden: Der umweltpolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP Christdemokraten) sprach sich im Parlament gegen eine zu starke Regulierung bei diesem Thema aus und kündigte eigene Vorschläge an. Die 40-Prozent-Regelung hält er bei Mehrwegverpackungen für unsinnig.
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Liese hat daher gemeinsam mit der CDU-Europaabgeordneten Hildegard Bentele einen Änderungsantrag eingebracht, der Ausnahmen für wiederverwertbare Verpackungen vorsieht. „Ich bin optimistisch, dass er auch angenommen wird“, sagt er dieser Zeitung gegenüber. Auch beim Thema Etiketten sieht Liese noch Verbesserungsmöglichkeiten.
Mehrwegsystem seit Jahrzehnten in Deutschland etabliert
Das Mehrwegsystem ist in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten fest verankert. Die Quoten lägen schon jetzt deutlich über den von der Europäischen Union vorgegebenen Zielwerten für das Jahr 2040, argumentiert der Brauer-Bund. „Erfolgreich etablierte und funktionierende Mehrwegsysteme in den Ländern Europas müssen durch einen garantierten unbefristeten Bestandsschutz gesichert werden. Gefährdet die Europäische Union durch eine unbedachte Umweltpolitik ausgerechnet die Zukunft von Mehrweg, macht sie sich unglaubwürdig“, schreibt der Branchenverband in einer Pressemitteilung.
Peter Liese ist seit fast 30 Jahren Mitglied im EU-Parlament – und überzeugter Europäer. Die Kommission lege allerdings derzeit viel zu viele Gesetzesvorschläge vor, kritisierte der Sauerländer. Liese: „Unter der Menge leidet auch die Qualität.“