Essen/ Bottrop. Damit ein Kind keine krummen Zehen bekommt, braucht es passende Schuhe. Wie misst man Füße richtig aus? Taugt die Daumen-Probe? Das raten Profis.

Schuhe sollen Kinderfüße vor Schmutz und Scherben schützen. Und dabei am besten noch schmuck aussehen. Doch viel zu oft drücken sie die Zehen zusammen, lassen den Füßen zu wenig Freiraum. Die Folge: Fehlstellungen. Wie kann man das vermeiden? Was ist beim Schuhkauf für die Kleinsten zu beachten? Zwei Expertinnen geben Tipps.

Wann sollte ein Kind seine ersten Schuhe bekommen?

„Wenn es frei laufen kann“, sagt Nina Holtkamp (35), Physiotherapeutin aus Essen mit dem Fachgebiet „Kinderfüße“. „Frei laufen“ heißt nicht, dass es sich am Sofa entlang hangelt, sondern sich wirklich gut durch den Raum bewegt – anhält, sich dreht und weitergeht. „Je sicherer das Kind läuft, umso besser läuft es auch im Schuh.“ Vanessa Erdmann (35), Inhaberin des Schuhladens „Minimauken“ mit Filialen in Essen und Bottrop sagt ebenfalls: „Kinder sollten sechs bis acht Wochen frei laufen können, im Schnitt 100 Meter am Stück – dann ist ein Schuh für sie geeignet.“

Füße richtig ausmessen: Es kommt nicht nur auf die Länge an. Die Breite eines Fußes ist ebenfalls wichtig.
Füße richtig ausmessen: Es kommt nicht nur auf die Länge an. Die Breite eines Fußes ist ebenfalls wichtig. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wie sinnvoll sind Lauflernschuhe?

Der Name „Lauflernschuhe“ sei völlig irreführend, so Nina Holtkamp. „Ein Kind braucht keine Schuhe, um laufen zu lernen.“ Das macht es am besten barfuß. Erdmann hat zwar auch so genannte „Prewalker“ im Sortiment. Aber diese Schuhe mit einer ganz weichen Gummisohle benötige man wirklich nur, um die kleinen Füße vor Nässe und Kälte zu schützen.

Welche Art von Schuhen empfehlen Sie für Kinder?

„Ich bin ein Fan von Barfußschuhen“, sagt Nina Holtkamp. Manche denken dabei an Zehenschuhe, doch das ist nicht dasselbe. Es geht um einen „Minimalschuh“ mit einer sehr flachen, dünnen Sohle, ohne Absatz, bei der Kinder den Untergrund noch spüren können.

Die Kleinen sollten so viel wie möglich barfuß laufen. Und wenn das nicht geht, brauchen sie einen sehr flexiblen Schuh, der sich in verschiedene Richtungen biegen lässt. „Im Idealfall sollte man einen Schuh einrollen können.“

Schuhexpertin Vanessa Erdmann von den „Minimauken“ mit Filialen in Essen und Bottrop.
Schuhexpertin Vanessa Erdmann von den „Minimauken“ mit Filialen in Essen und Bottrop. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Zudem sollte er nicht vorne eng zulaufen, sondern relativ breit sein, „so wie unser Fuß eigentlich von Natur aus ist“. Bei den meisten ist er V-förmig. Die Schuhe sollten daher vorne so weit sein, dass sich die Zehen auffächern können, sagt auch Vanessa Erdmann, die bei den „Minimauken“ ausschließlich Barfußschuhe verkauft – wobei der Begriff nicht geschützt ist. Bei einem herkömmlichen Schuh sitze der Fuß wie in einem Gefängnis. „Der Fuß ist stillgelegt, die Muskulatur verkümmert.“

Warum ist ein guter Kinderschuh so wichtig?

„Der Fuß ist unser Fundament“, sagt Holtkamp und vergleicht den Menschen mit dem schiefen Turm von Pisa: „Wenn das Fundament nicht stimmt, dann geht es auch nach oben nicht gerade weiter.“ So käme es später zu Problemen im Knie, in der Hüfte, am Rücken. Ist die Ferse höher als die Zehen, verändert das die gesamte Körperstatik, so Holtkamp. Und wenn Kinder zu enge Schuhe tragen, kann es zu Druckstellen und Schmerzen kommen und später zu Fußfehlstellungen wie dem Knick-Senk-Spreizfuß. „Der Fuß ist nicht mehr so funktional.“ Gängige Schuhe lassen die Muskulatur im Fußbett schlummern, statt sie zu stärken, so Holtkamp. „98 Prozent der Kinder kommen mit gesunden Füßen zur Welt, aber nur 40 Prozent der Erwachsenen haben gesunde Füße.“

Daumen vorne auf den Schuh gedrückt – die Zehen haben noch Platz! Wie aussagekräftig ist diese alte Messmethode?

Am besten laufen Kinder möglichst viel barfuß, rät Nina Holtkamp, Physiotherapeutin aus Essen mit dem Fachgebiet „Kinderfüße“.
Am besten laufen Kinder möglichst viel barfuß, rät Nina Holtkamp, Physiotherapeutin aus Essen mit dem Fachgebiet „Kinderfüße“. © Nina Holtkamp | Fotostudio Studioline

Die Idee dahinter sei gar nicht schlecht, so Holtkamp. Weil die Daumenbreite ungefähr der Spielraum ist, den Kinder vorne im Schuh benötigen. Aber Kinder, insbesondere Laufanfänger, krallen die Zehen zusammen. „Man drückt auf den Schuh und denkt: Der passt! Aber eigentlich ziehen die Kinder nur die Zehen ein. Als alleiniger Test ist das einfach nicht sonderlich aussagekräftig.“

Das Kind beteuert: „Der Schuh passt!“ Stimmt das?

Füße von kleinen Kindern sind sehr flexibel, da kann man dieser Aussage nicht unbedingt vertrauen, so Nina Holtkamp. „Das spüren Kinder erst mit elf, zwölf Jahren.“ Auch dann muss man sich fragen, ob die blinkenden Lichter oder der Glitzer Kinder zu dieser Aussage verleiten. „Dann quetscht man sich schon mal in den Schuh, der einfach nicht passt, weil er aber schön ist und es ihn vielleicht gerade nicht in der normalen Größe gibt.“

Wie misst man Kinderfüße richtig aus?

Neben der Länge ist auch die Breite der Füße wichtig, sagen die Expertinnen. Das wird beispielsweise bei den Minimauken genau ausgemessen. Dafür stellen die Kleinen ihre Füße auf ein Messgerät. Damit die Zehen vorne nicht anstoßen, plant Erdmann einen Spielraum von 12 bis 17 Millimetern ein. Allerdings 17 Millimeter nur bei schon geübten Läufern, betont Erdmann. In der Breite gibt sie zwei bis drei Millimeter hinzu. Auch die Spannhöhe wird berücksichtigt, wie schmal die Ferse ist, denn auch in diesen Punkten sind die Menschen unterschiedlich. Zudem wird jeder Schuh im Sortiment ausgemessen. So können Erdmann und ihr Team im Rechner nachschauen, welcher Schuh zu welchem Fuß am besten passt. Und dann muss der Schuh noch einen Test bestehen: Wie läuft das Kind damit?

Die Zehen benötigen vorne einen Spielraum von 12 bis 17 Millimetern.
Die Zehen benötigen vorne einen Spielraum von 12 bis 17 Millimetern. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Wie oft sollte man kontrollieren, ob der Schuh noch passt?

„Bei Laufanfängern auf jeden Fall alle vier Wochen“, sagt Holtkamp. Da die Füße anfangs so schnell wachsen. Auch bei älteren Kindern rät sie dazu, alle vier bis sechs Wochen zu überprüfen, ob der Schuh noch passt.

Erdmann empfiehlt zunächst eine Kontrolle nach sechs Wochen und dann alle zwei Wochen, damit man den richtigen Zeitpunkt für einen neuen Schuh nicht verpasst. Die Kontrolle kann auch vor Ort im Fachgeschäft erfolgen.

Die Füße wachsen in Schüben, so Holtkamp. Da könnte es sein, dass der Übergangsschuh noch die gleichen Maße wie der Winterschuh hat – und dann auf einmal wächst der Fuß so stark, dass man im Sommer zweimal Schuhe kaufen muss.

Schuhe online kaufen – ist das eine gute Idee?

„Das ist nicht der Optimalfall“, sagt Holtkamp. Aber es geht eben nicht immer, den Fuß von Profis im Fachgeschäft ausmessen zu lassen, so die Expertin, die auch Kurse zur Fußgesundheit anbietet und in einem kostenlosen eBook erklärt, wie man die Füße selbst ausmessen kann.

Die „Minimauken“ beraten da ebenfalls. Neben den Maßen lassen sie sich auch Fotos von den Füßen schicken. So bekommt Erdmann einen Eindruck, welche Schuhmarke für den Fuß besonders gut geeignet ist. Denn selbst wenn man die Größe weiß, kann der Schuh einer anderen Marke anders ausfallen und zum Beispiel für einen zierlichen Fuß ungeeignet sein.

Auch Sandalen gibt es als Barfußschuh.
Auch Sandalen gibt es als Barfußschuh. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Kinderschuhe sind teuer. Ist der Kauf auf dem Flohmarkt eine gute Alternative?

Ja, sagen beide Expertinnen, wenn es gut erhaltene Barfußschuhe sind, ein Schuh, der kein Fußbett hat, keinen – womöglich abgelaufenen – Absatz. „So ein Barfußschuh kostet neu um die 70, 80 Euro. Das ist nicht für jeden machbar“, räumt Holtkamp ein. Daher sei es eine gute Idee, gebrauchte Minimalschuhe zu kaufen, um Geld zu sparen. Oder seine gut erhaltenen Exemplare anderen anzubieten.

Die Kinder tragen auch Socken, Pantoffeln, Gummistiefel – was ist dabei zu beachten?

„Eine enge Socke presst den Fuß zusammen, der Effekt des Barfußschuhs wird dadurch aufgehoben“, warnt Vanessa Erdmann. Nina Holtkamp bestätigt das. Auch schlecht sitzende Pantoffeln, die das Kind stundenlang in der Kita trägt, sollten ersetzt werden. Wenige Marken bieten den Gummistiefel als Barfußschuh an. Doch wenn das Kind nur ab und an mit herkömmlichen Gummistiefeln in die Pfützen springt, sei das in Ordnung, so Holtkamp. „Die Dosis macht das Gift.“

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